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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0827

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die dreispalt. Petitzeile 2kr.

Die Republik.

Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

Hs" 2V4. Freitag, 1. Dezember. 1848.

Vereinigte Staaten von Deutschland.
" '1' Heidelberg, 29. Nov. Aus dem Manifest des de-
mokratischen Turnerbundes, das durch den Hanauer Turnver-
ein den einzelnen Turnvereinen mitgethcilt wurde, entnehmen
wir folgende herrliche Stelle:
»Turner! Nicht die Frucht einer vollführten, sondern die
Gelegenheit zu einer zu vollfübrenken Revolution ist für
Deutschland verloren gegangen. Die Deutschen konnten das
alte System stürzen, — sie haben es nicht gethan. Wenn
auch kein Grund da ist, an der nächsten Zukunft zu verzwei-
feln, so steht doch fest, daß die Macht der Unterdrücker sich
wieder erhoben hat, und daß sie ohne neue, größere Orfer
nicht zu besiegen sein wird. Unter diesen Umständen ist das
Geringste, was eine Nation thun kann, daß sie aus einer
theuren Erfahrung große Lehren zieht. Möge sie lernen, daß
jeder Nest einer volksfeindlichen Ordnung, welcher die Revolu-
tion überlebt, ein wuchernder Keim ist, aus dem alsbald daö
ganze Reich der Gewaltherrschaft wieder aufersteht. Die Re-
volution zieht ihre Lebenskraft aus der Aufregung, die Tyran-
nei die ihrige aus der Ruhe. Die Aufregung aber kann nicht
gar lange andaucrn; es ist eben ihre Natur, ein vorüberge-
hender Zustand zu sein, auf den nach einiger Zeit die Ruhe
folgt. Die Aufregung in Deutschland hat sich damit begnügt,
einige Zeit auf das alte System zu drücken, sie hat sich mit
dessen Demüthigung und Nachgiebigkeit zufrieden gegeben, sie
hat nicht bedacht, daß die Tyrannei zusammengesetzt ist, aus
Feigheit und Uebcrmuth und darum elastisch sich zusammenzu-
ziehen und auszudchncn weiß, je nach der Stärke des Gegen-
drucks. Die Aufregung mußte vorübergehen, und in demselben
Maße hat die Herrschaft der Machthaber wieder ihre Arme
ausgcstreckt und ihre Stützen befestigt. Es konnte nicht anders
kommen, nachdem der Kern des alten Systems, die frühere
Verfassung und Einrichtung der Staaten, in der Hauptsache
die Revolution überdauert hatte. Möchte die deutsche Nation
aus ihrer großen Täuschung die Lehre ziehen, daß Revolutio-
nen nicht gemacht werden, um Abschlagszahlungen anzunehmen.
Möchte sie aber auch weiter einsehen lernen, wodurch es ge-
schehen ist, daß überall der politische Mißgriff sich wiederholt
hat. Die günstige Gelegenheit bot sich einem Volke dar, das
nicht auf sie vorbereitet war, einem Volke das von
den Wahrheiten des politischen Lebens nicht allseitig
durchdrungen war. das daher auch im richtigen Augen-
blick weder das Ziel noch den Weg zum Ziele deutlich vor
Augen hatte.
Die Erfahrung der Vergangenheit, wie die Lage der
Gegenwart, Alles fordert dazu auf, die Zeit mit aller nur
möglichen Anstrengung dafür zu benützen, in kurzer Frist ein
politisch durchgebildetes, seiner Zwecke und Mittel sich bewuß-
tes Volk hinzustellen. Noch hat die Neaction ihren letzten
Trumpf nicht ausgespielt. Sie hat die Freiheit unterdrückt;
die Mittel, sie auf Umwegen zu erringen, das Recht der freien

Besprechung, der freien Vereinigung, hat sie noch nicht anzu-
tasten gewagt. Niemand kann läugnen, daß auch diesem Le-
benskeime jeder künftigen Freiheit Gefahr droht, daß auch nach
ihnen die Kabinette lüsterne Blicke werfen. Gerade aber da-
rum gilt es, sich ihrer aus Leibeskräften zu bedienen. Jeder
Fuß breit, den die freie Presse, den das freie Vereinsrecht ge-
winnt, ist eine Bürgschaft mehr für deren Bestehen, für de-
ren Widerstandskraft. Je mehr diese Rechte benutzt werden,
desto stärker werden sie, stärker, wie jede Anlage durch die
Uebung stärker, weil sie selber Waffen gegen ihre eigenen
Feinde sind und daher mit ihrem Gedeihen auch sicherer wer-
den.» —
Am Schluffe werden die Turner aufgefordert, dem Bunde
beizutreten, und ihn mit allen zu Gebot stehenden Mitteln zu
unterstützen.
Or Heidelberg, 29. Nov. Gewisse Blätter fahren
fort, die guten und friedlichen Bürger durch erfundene
Berichte von wiederum nahe bevorstehenden Einfällen deutscher
Flüchtlinge und Freischärler zu ängstigen. So vor einigen Ta-
gen die Karlsruher Zeitung, so heute wieder das Frankfurter
Journal, jenes alte Weib, das allen Klatsch der ganzen Welt
nachbctet, oder sich willig in die Feder diktiren läßt. Solche
Nachrichten sind um so unverantwortlicher, als sie einestheils
nur rechtfertigende Einleitung zu neuen Gcwaltmaßregeln be-
absichtigen, andsrntheils aber den schmählichsten Hohn gegen
Unglückliche enthalten. — Die Flüchtlinge, sagt namentlich das
Frankfurter Journal, seien, wenn auch durch sonst nichts, je-
denfalls durch ihre eigene Noch, gezwungen, wieder eine Raz-
zia, einen kleinen Raubzug zu unternehmen. — Es gehört in
der That eine eigene Stirne dazu, über die Dürftigkeit von
Leuten zu spotten, denen der badische Staat noch keinen Kreu-
zer ihrer, wegen ihrer Verdienste um das Volk wohlverdienten
Unterstützungsgelder hat ausbezahlen lassen, es gehört eine ge-
wisse Frechheit dazu, in solchem Tone über die bedrängte Lage
von Menschen zu sprechen, denen man sich nicht scheute, Gel-
der im Belauf von wenigstens 20,000 ff. zu entreißen, welche
sie aus den öffentlichen Kassen ihrer Feinde erworben hatten.
Hätte man sie gewähren, hätte man sie im Besitze ihres Ei-
genthums gelassen, statt sie mit den raffinirtesten Schießwerk-
zeugen zu tödten, zu verjagen, sie wären jetzt nicht in Kum-
mer und Noch, sondern freuten sich eben so gut ihres Lebens,
als ihre legitimen Rivalen, die wohlgemuth ihren Champag-
ner trinken.
Das Franks. Journal enthält übrigens den besten Rath,
wenn es behauptet: so muß es kommen, dann werden sich die
Bauern selbst bewaffnen und sich ihres Eigenthums wehren.
Wir stimmen vollständig damit überein, so lange sich die Bau-
ern ihres Eigenthums nicht selbst wehren, wird es ihnen ent-
rissen werden, so bald sie aber einmal auf dieser Stufe der
politischen Bildung, sobald sic beim Selbstschutz ihres Eigen-
thums angelangt sind, wird es weder Flüchtlinge, die auf
einer Razzia einige tausend Gulden Staatsgelder, noch Ansäf-
 
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