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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0581

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i L-r.



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Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

Donnerstag, 21. September.

1848.

Das Volksheer.
So lange nicht alle Völker, welche in gegenseitiger Ver-
bindung stehen, einen heiligen Bund unter sich geschlossen ha-
ben, wonach die streitigen Fragen derselben auf dem Wege der
friedlichen Uebereinkunft entschieden werden; so lange wie im
Kleinen das Duell, so im Großen der Krieg besteht, also das
Recht, die Ehre und Ansprüche der Einzelnen wie der Völ-
ker nicht immer durch eine gesetzliche Kraft, sondern auch durch
Gewalt sich geltend machen; so lange nicht alle Völker der
einzig wahren Religion, der Menschenliebe, huldigen und sic
zum Beweggrund machen aller ihrer Handlungen: so lange
wird auch jede einzelne Nation angewiesen sein, sich auf eine
Kraft zu stützen, welche fähig ist, ihre Rechte und Freiheiten,
gegenüber einer Verletzung derselben, zu schützen und aufrecht
zu erhalten, oder Gewalt mit Gewalt zu vertreiben.
Jene Kraft kann aber nichts anderes sein, als eine aus dem
ganzen Volke gebildete Armee, weil in einem freien Staate
jeder Einzelne für das Wohl der Gesammtheit sich verpflich-
tet und bei einer allgemeinen Gefahr zur Abwendung derselben
seinen Theil beitragen muß, da gleiche Rechte auch gleiche
Gefahren verlangen und das Wohl der Gesammtheit nicht ei
ner Klasse von Menschen, dem stehenden Heere, anvertraut
werden darf, welches nur sein Interesse kennt und nicht das
Interesse All er. Eine aus dem ganzen Volke gebildete Ar-
mee ist die sicherste Stütze der Freiheit eines Volkes, weil
sie das ganze Volk, also auch seinen Willen in sich
schließt.
Ein Volksheer kann niemals von Tyrannen gewiß-
braucht werden, um persönliche Interessen, gegenüber von
andern Tyrannen, zu verfechten, oder um fremde Länder zu
erobern oder um freie Völker zu unterdrücken, weil dies dem
Gedanken der Freiheit, der Gleichheit und der Brüderlichkeit
entgegen ist.
Ein Volksheer ist deshalb nicht nur ein Schutz für die
Freiheit des eigenen Volkes sondern auch für die Freiheit der
andern Völker.
Niemals kann es geschehen, daß das Volks Heer sich
zwischen die Regierung und das Volk stellt, um einem oder
andern Theile beizustehen; daß das Volksheer zwischen König
und Verfassung gestellt ist, und nun zu wählen hat, wohin es
seine Waffen kehren will — aus dem einfachen Grunde, weil
ein Volk niemals seine Waffen gegen sich selbst kehren
wird.
Anders ist es mit der absoluten und konstitutionellen Mo-
narchie, wo das stehende Heer entweder ganz das Eigen-
thum des Fürsten ist, mit dem er nach Gutdünken schalten
und walten zu können glaubt, oder das stehende Heer Hal dem
Fürsten und der Verfassung Treue geschworen, was im Falle,
wo der Witte des Fürsten mit dem Witten des Volkes in
Streit geräth, dieses letztere völlig in die Gewalt des stehen-
den Heeres liefert, welches man natürlich nach dem Sinne
deö Fürsten und nicht nach dem Sinne und Geiste des Volks

erzogen hat. Einer solchen Gefahr ist ein Volk, das selbst
die Waffen trägt, und seine Vcnheidigung übernimmt, nicht
ausgesetzt. Sie erwächst aber stets aus dem zwitterhaften In-
stitute einer konstitutionellen Monarchie, einem zwischen Himmel
und Erde schwankenden Gebäude, in welchem weder Gott »och
die Menschen herrschen.
Dies haben auch die Tyrannen eingcschen, deshalb sind
sie die größten Feinde einer im Sinne des Volkes ausgesühr-
ten Volksbewaffnung, weil mit der Herrschaft des Volkes ihre
eigene Herrschaft aufhören muß. Eine allgemeine Volksbe-
bewaffnung ist aber nicht allein eine vernünftige Einrichtung,
sie dient nicht allein dazu, einem Volke die Freiheit zu errin-
gen und zu behaupten, sondern sie ist zugleich ein gerechtes
Institut, denn da, wo es sich um Volksstreitigkeiten handelt,
wird nicht ein Theil, der die Waffen trägt und darin geübt
ist, einem andern, der wehrlos ist, gegenüber stehen, sondern
beide Theile werden mit gleichen Waffen ihre Ueber
zeugung verfechten.
Ein Volke Heer ist der sicherste und letzte Schutz gegenüber
einer schlechten, treulosen und volksfeindlichen Negierung, weil
diese in der Gewalt des Volkes ist und deshalb auch zur
Strafe gezogen werden kann.
Ein Volksheer erfordert bei der größten Stärke den ge-
ringsten Kostenaufwand, weil es weder Kasernen zu
bauen, noch lebenslänglichen Sold, oder lebenslängliche Pen-
sionen zu geben hat. Jedes Dorf dient zum Lager seiner be-
waffneten Bürger, die Anführer sind, außer wenigen, aus der
Reihe der Bürger gewählt, welche von ihren Geschäften leben,
und der Wehrmann selbst ist nichts anderes, als was der An-
führer ist.
Während das stehende Heer die körperliche und geistige
Kraft eines Volkes zerstört, da es im Despotismus erzogen
ist, und, abgeschlossen von der übrigen Gesellschaft, geheime
Laster, Leidenschaften und Ausschweifungen nährt und begün-
stigt, so verlangt daö Volksheer, in der Freiheit erzogen und
in steter, inniger Verbindung mit der menschlichen Gesellschaft,
diejenigen Tugenden, welche jeder freie Mann besitzen soll.
Das Volksheer dient demnach nicht nur zur Sicherheit und
Kräftigung im Innern, sondern es bietet auch einem äußern
Feinde den größten Widerstand, da cs sich — bei der all-
gemeinen Theilnahme — stets leicht ergänzen läßt; da es
nicht zum Nutzen eines Einzelnen und um schnöden Lohn die
Waffen führt, sondern für das Wohl der Gesammtheit,
für die Ueber zeugung.

Neueste Nachrichten aus Franks« r t.
den l3. September, Mittags 1 Uhr. Die Straßenauf-
läufe in unserer Stadt haben seit heute Morgen um 9 Uhr
einen sehr unruhigen Charakter ungenoimncn. Große Massen
versammelten sich, und zogen sich in die Nähe ter von öster-
reichischen und preußischen Truppen besetzten Paulskirche. Dex
Zusammenfluß des Volkes wurde immer stärker. Preußische
 
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