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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0919

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berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen GroKH. Baden I st.
io kr. Bei Inseraten kostet
die vrcispalt. Petitzcile 2kr.

Die Republik.

Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch,
druckerei von Renner ».
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

227.

Freitag, 2S Dezember.

1848

Vereinigte Staaten von Deutschland.
* Heidelberg, 26. Oez. Einheit, Einheit um jeden
Preis! schrieen die Baffcrmänncr, Weicker, Gagcrn rc. dem
deutschen Volke entgegen, als cs sich erhob, um seine Freiheil
zu erringen, Einheit, Einheit, dann kommt die Freiheit schon
von selbst! Die Redlichdenkenden, die dem Volke die Freibeit
alö das erste Gut, das es erringen müsse, empfohlen, wurden
verdächtigt, verfolgt und mit den Kanonen und Säbeln der
Machthaber, die natürlich zu diesem Zwecke ihre ganze Macht
bereitwillig hergaben, die nicdergeworsen, die den Volksfreun-
den ihr Ohr geliehen und sich für ihre Freiheit erhoben. Die
Fanatiker der Einheit siegten, die Freihcitsbestrebungen des
deutschen Volkes wurden unterdrückt; ist aber die Einheit er-
reicht worden, die Einheit Deutschlands, der man so unend-
liche Opfer gebracht, der man Tausende hmschlachtete und die
Freiheit eines Volkes von 40 Millionen auf den Altar gelegt?
— Nein, sie ist nicht erreicht worden, und wird nicht erreicht
werden, wenn das Volk sich nicht erst deren entledigt, die cs
die größten Feinde seiner Freiheit nennt! „Erst frei, sprach
Hecker im Vorparlament zu Frankfurt, dann werden wir gleich
ein einiges Deutschland haben, so aber bleiben wir ewig ein
geknechtetes, zerstückeltes Volk!" Hecker hatte auch hier Recht,
seine Voraussage ist vollkommen in Erfüllung gegangen. Dao
Frankfurter Journal schreibt in einem halboffiziellen Artikel:
„Dem Vernehmen nach sind sämmtliche Rcgicrungsdevollmäch-
tigte der Einzelstaaten bei Heren v. Gagcrn zu einer Beraih-
ung über die Veröffentlichung der Grundrechte in denselben zu-
sammengetreten. Der österreichische Bevollmächtigte soll dabei
erklärt haben, daß die hier beschlossenen Grundrechte aus Oester-
reich keine Anwendung sindcn kömuen. Hannover — so wird uns
weiter berichtet habe in der bereits bekannten Art protcstirt;
der baierische Gesandte ausweichend erklärt, daß er mit keiner
Instruktion versehen sei; Camphausen aber sich dahin ausge-
sprochen, wie er nicht glaube, daß die sofortige Publizirung
der Grundrechte durch die preußische Gesetzsammlung irgend
einen Anstand finden werde. In entsprechender Weise sei die
Antwort der übrigen Bevollmächtigten ausgefallen."
Also Oesterreich schließt sich dem einigen Deutschland nicht
an, Hannover protestirt gegen eine Einigung, Bay-
ern gibt keine bestimmte Antwort, und nur Preußen, weil eS
dabei zu gewinnen! hofft, will in Deutschland „aufgehen."
Das also ist die vielgerühnstr Einheit! Die Zerstückelung
und Zersetzung Deutschlands tritt noch schroffer hervor, als
vor den Märztagen , und dies einzig und allein, weil man die
Bedränger des Volkes nicht entfernt, weil man sich nicht frei
gemacht. Das Volk will eine Vereinigung der vrrschirdenen
Stämme, eine Verbrüderung der Völker, aber die Wenigen,
die hierbei zu verlieren glauben, weil das Volk durch diese
Verbindung stark wird, wollen sie nicht und werden ihre
ganze Macht denen, die nach Einheit streben, entgegensetzen;

darum zuerst die entfernt, die gegen das Volk sind, zuerst
frei gemacht, dann werden wir bald einig sein! —
O Heidelberg, 26. Dec. Der letzte Kampf dieses Jah-
res zwischen dem Königthum und der Demokratie, zwischen den
Kroaten der Gesetzlichkeit und den Revolutionärs wird gegenwär-
tig in Ungarn auSgefochtcn. Fast möchte ein Wunder geschehen,
wenn die letzteren noch siegen sollten. Der günstige Augenblick
zum Siege wurde unbegreiflicher Weise nicht benutzt. Vor Wien
mußten die Ungarn siegen, vor Wien, als die Schaaren des
Czaaren WindischgrätzerS und des VanuS Jellachich noch nicht zu
Hunderttauscnden «»geschwollen waren, damals war es der un-
garischen Armee möglich, im Verein mit den Wienern auf die
kaiserlichen Banditenschaaren sich zu stürzen uni sie zu vernichten.
Der günstige Zeitpunkt ging unbenutzt vorüber, mau ließ den
Habsburgern vier volle Wochen lang Zeit sich zu verstärken und
kann jeden ihrer Feinde einzeln mit ungeheurer Ueberuiacht zu
überfallen. Wien unterlag deßhalb und auch Ungarn wird wohl
unterliegen. Dabei entsteht jedoch die Frage, ob der Fall Un-
garns der Demokratie nützt oder schadet. Wir theilen nicht die
Ansicht Derjenigen, die da glauben, daß Alles verloren sey, weil
die Revolution nicht im ersten Halbjahre gesiegt hat, die da
glauben, eine Kroaten-, Panduren- und Kosackenherrschaft werde
über ganz Europa hereinbrechen und auf lange Zeit hinaus alle
Hoffnungen der Revolution vernichten. Im Gegensatz zu dieser
Ansicht glauben wir vielmehr, daß an eine Unterdrückung der
Revolution gar nicht mehr zu denken ist. Sie wird — und
sollte das Königthum durch vorübergehende Zufälle unterstützt,
auch auf einige Zeit sich wieder befestigen. — Die Revolution
wird siegen, so gewiß sie in Frankreich zu Ende des vorigen
Jahrhunderts unter noch viel schwierigeren Verhältnissen gesiegt
hat.
Im Kampfe zwischen einer herrschenden Parthei und einer un-
terdrückten, muß Alles zum Vorthcil der letzteren ausschlagen,
weil nur diese Lebenskraft besitzt und weil daher nur diese lebens-
kräftige Wirkungen hervorbringen kann. Der Fall von Wien —
Viele erblicken in ihm das Ende der Demokratie, wir im Ge-
gentheile sind der Ansicht, daß die Demokratie mehr Nutzen da-
von gehabt hat, daß Wien gefallen ist, als wenn eS gesiegt hätte.
Bis zu den konstitutionellen Gräuelthaten der Windischgrätzi»
gen und Croaten waren die Oestcrreicher, namentlich die Wiener,
aller politischen Bildung so baar, so unklar und gcmüthlich, daß
sie trotz Allem und Allem mit großer Liebe an dem angestamm-
ten Herscherhaus hiengcn — Alles war gut constitutioiiell uud
kaiserlich —. Jetzt ist es anders Windischgrätz und Jellaeic
haben dem Volke die Augen geöffnet über die Natur der consti-
tutionellen Monarchie und die Gutmüthigkeit des Hauses Habs-
burg, sie haben aus einem constitutionellen Volke ein republika-
nisches gemacht. Laßt daher die Wiener wieder siegen — »nd
siegen muffen und werden sie wieder — und daü HauH Habs-
burg hat aufgehört zu regieren ; bis in die neuesten Zeiten dage-
gegen wäre, auch wenn die Wiener gesiegt hätten, Ferdinands-
Kaiser geblieben.
 
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