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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0517

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Erscheint Montags ausge-
nommen täglich. In Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden i fl.
IU kr. Bei Inseraten kostet
die drcispalt. Pctitzcile Ar.



Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.



Wio vo» der deuiscüen Natkonlrlversamnrlntt-z
die CtzcscbäftsthätiHkeit «ud der Woh!sLrri-d in
DeksLsSiand nrit Gewalt gehemmt wird.
(Eingesandt.)
Ein Rechenmeister, — und dazu bedurfte es keines Heren-
nieisters in dieser Kunst — Hai neulich berechnet: daß wenn
die Nationvlvcrsammlung so mit ihren Arbeiten fortfahre, in
ohngefähr drei Jahren (also anno 1851) das beut ehe Volk
die Grundrechte erhalten wurde. Wenn dies wahr ist, so
möge gleich ein Mittel erfunden werden, womit man von den
46 Millionen Deutschen wenigstens 40 Millionen ein Trank
bcigcbracht werbe, der sie in einem dreijährigen uuunterbro-
chcnen Schlaf erhält, denn sonst werden diese 40 Millionen
Menschen verhungern; es sei denn, baß sie sich suchen, was
die übrigen 6 Millionen als Uebcrfluß nicht bedürfen.
Denn wenn, wie bis setzt, kein Erwerb uub tagtäglich
neue Lasten von der Nationalversammlung geschaffen werben,
so kann dies nichts Anderes zur Folge haben, als baß, wie
in Schlesien, auch die Hungerpcst über alle übrigen Theile
von ganz Deutschland verbreitet wird.
Das deutsche Volk hat wohl seine Abgesandte zur Be-
rathung seines Wohles hierher geschickt, allein wir fragen vor
allen Dingen: einmal, kann das deutsche Volk auch mit Zu-
versicht sagen: was deine Vertreter beschließen, ist gültig und
zu Recht beständig? Nein und nochmals nein! denn wir
müssen fragen: wo sind die Garantien? Jeder muß uns die
Antwort schuldig bleiben, denn die Nationalversammlung hat
bis jetzt noch nicht einmal gewagt von den Regierungen rcsp.
ihren Souveränen die unbedingte Unterwerfung unter ihre
Beschlüsse zu verlangen, und so lauge dies nicht geschehen ist,
kann von Anerkennung der Volkesouvcränetät nicht die Rebe
sein. Vielmehr liegen Beispiele des Gegcnthcils, d. h. der
nicht unbedingten Anerkennung vor. Erst jüngst erklärte
der Monarch des bedeutenden deutschen Volksstammee, der
Preußen: „die Herren möchten nicht vergessen, daß eö auch
Fürsten gäbe und er sei ein solcher." Worte, welche gar kei-
nen Zweifel über ihre Bedeutung zulassen, welche vielmehr
ganz offen und unverholen die Souveränctät ihm, dem Fürsten
vorbehalte.
Also hiernach ist durch die Nationalversammlung nicht
die geringste Garantie ihrer alleinigen Souveränetät so
wie ihrer Schaffung von Geschäftsthätigkeit in formeller Hin-
sicht gewahrt.
In materieller Berüchrchtigung aber zweitens nock-
weit weniger. Was nützen uns die besten und edelsten Spei-
sen, wenn wir sie nicht haben im Augenblick, als wir ver-
hungern wollen? Die Grundrechte, deren Wichtigkeit aner-
kennend, nützen uns nach drei Jahren, oder jedenfalls erst
nach langer, noch nicht abzusehendcr Frist, nur dann, wenn
uns die Gegenwart Erwerb geschaffen hat, und dies ist die
wichtigste Aufgabe, welche die Nationalversammlung beschäfti-
gen müßte. Und nur allein durch den Gewerbfleiß kann dieser

Erwerb geschaffen werden, alle künstlichen Mittel und Machi-
nationen, Eretit und Geschäftsthätigkeit hcrbeizuführen, sind
kranke, vergebliche Arbeiten, womit der Staatskörper geplagt
und mit Verzehrung seiner edelsten und besten Säfte der
Schwindsucht überliefert wird; und deshalb gibt es nur eine
Radikalkur. Wenn in England oder in Frankreich die Ge-
schäftsthätigkeit nur eines einzigen Erwcrbszweigö bedroht ist,
und die nachtheiligen Folgen für die allgemeinen Staatsinter-
essen uachgcwiescn sind, dann wird spätestens binnen 8 Tagen
eine Bill eingebracht und in längstens 14 Tagen ist entschie-
den, ob solche anzunehmen oder zu verwerfen sei, und alle
andere Geschäfte müssen einer solchen Bill nachstehen. Deutsch-
lands Interessen nicht nur, sondern seine ganze moralische wie
pekuniäre Kraft steht auf dem Spiele, wenn nicht die Geschäfts-
thätigkeit, das einzige Rettungsmittel, eine feste und gesicherte
Grundlage erhält. Diese aber zu schaffen, kann das Werk
von kaum 14 Tagen bis 3 Wochen sein. Ist der Gewerb-
fleiß gesichert und belebt, so ist durch einen solchen einfachen
Beschluß schon Arbeit in Hülle und Fülle für ganz Deutsch-
land geliefert. Und dieses einfache Mittel besteht: in einem
Zollcartell gegen alle nicht deutsche Staaten auf Fabrikate,
und zollfreie Einfuhr aller Rohstoffe. Denn dann wer-
den und müssen Fabriken aller Art ist ganz Deutschland sofort
entstehen.
Würden auch einzelne Ausnahmen zu gestatten sein, so
wären die nichtdeutschen Staaten gezwungen, sofort Cvnzessio-
nen zu verwiegen, wodurch gleichzeitig auch dadurch der in-
ländischen Industrie alle ihre Vortheile gewährt werden könn-
ten. —
Dem Verfasser dieses ist durch seine Mcrkandilgcschäfte
bezüglich der auswärtigen Geschäftsvcrhältni'sse zu beurthcilcn
Gelegenheit gegeben gewesen, und er kann versichern, daß
stets nur das Ausland oder die einzelnen deutschen Staatsre-
gierungen durch das verderbliche Zollsystem das Geld bezogen
haben, und letztere stets aus dem Mark des unbemittelten Vol-
kes (man denke nur an Kaffe und Zucker), dieses vernichtende
Zollsystem besteht bis zur Stunde noch fort, ja eS soll sogar
die Absicht der Einzelregicrungen vorlicgcn, dasselbe noch lange
fortbestchen zu lassen!
So lange also, wir wiederholen esr
1) das dem Volke das Mark aussaugende jetzige Zoll-
system fortbestehen und
2) kein Zollcartell, wie angegeben, errichtet wird, —
so lange wird die deutsche Nation niemals stark und groß,
nagt an dem Hungertuche und unterliegt am Ende der Unmo-
ralität, der Anarchie, — die aber alsdann diejenigen, welche
für des Volkes Wohl zu sorgen berufen sind, allein herauf
beschworen haben. (Reichstagsztg.)
 
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