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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0321

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Die Republik erscheint
täglich. Preis in Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden l ff.
IN kr. Bei Inseraten kostet
die drcispalt. Pctitzeile2kr.



Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

Hl- 78, Freitag, 23. JZrui. 18L8.
HHO Mit dem ersten Juli beginnt ein neues Quartal der „Republik"; sie wird wie bisher, so auch in
Zukunft ein Organ der strengsten demokratischen Richtung bleiben, und mit aller Entschiedenheit für die
Verwirklichung derjenigen Staatsform arbeiten, die ihr Titel bezeichnet. Bestellungen darauf bitten wir
recht bald zu machen, damit die Auflage danach ermessen werden kann; weiter ersuchen wir unsere Gesinnungs-
genossen, ihre Aufmerksamkeit dem Blatte durch Zuweisung von Inseraten, durch Zusendung interessanter Beiträge
in prosaischer sowohl als in poetischer Form, zuzuwenden, und dadurch dessen Forterscheinen zu sichern. — Alle
Postämter des In- und Auslandes nehmen Bestellungen darauf an.
Die Redaktion.

Ist das Volk reif für die Freiheit?
(Schluß.)
Den Vorwurf wegen Mangels an Reife, den man dem
Volke macht, widerlegen wir leicht durch die oben angeführten
und andere Thatsachen.
Wenn eine ganze, große Nation , dem Beispiel einer an-
deren folgend, in wenigen Tagen zu der klaren Einsicht von
ihren Rechten und Pflichten gelangt, sich zu Verfechtern seiner
Interessen die besten-Führer wählt, die Fehler des bisher ein-
gchaltcnen Systems darlegt und Forderungen aufstellt, wie sic
nur ein entwickelter Verstand zu Tage fördern kann , so dürste
dies ein Zeichen sein, daß das Volk längst über seine Ver-
hältnisse nachgcdacht hat; und wenn dasselbe statt einer schlech-
ten eine Staatsform wählt, welche den Forderungen der Hu-
manität und Vernunft entspricht, so wird man ihm wohl nicht
mehr nachsagen können, daß es seine politische Mündigkeit noch
nicht erreicht habe.
Wollte man uns entgegenhaltcn, daß blos einige Gelehr-
ten, einige Demagogen die Revolution in Deutschland hereor-
gerufen und das Volk gl, ich Nullen an eine Eins sich angc-
schlossen habe, so thut der Augenschein das Gegentbeil auch
hievon Lar. Die Gelehrten sind zum größten Theil in das
"ager der Volksfeinde übergegangcn, sie haben sich bestechen
lassen oder freiwillig zum Verrath hergegeben, die Demagogen,
von welchen so viel Lärm gemacht wird, sitzen im Gcfängniß
oder leben in der Verbannung, lind dennoch ist das Volk
nicht abgewichen von der einmal betretenen Bahn; es zeigt
sich selbständig, es bleibt sich selber geireu und beweist eben
damit auf's Neue seine Mündigkeit, seine Reife für die
Freiheit.
Nicht einmal das Beispiel Frankreichs, womit man die
Deutschen von ihren Freiheitsbestrcbungen abzukringeu sucht,
ist im Stande, der Rückschritts-Partei den Sieg oder nur auch
einen kleinen Bortheil zu verschaffen. Das mündige Volk be-
greift, daß mit der Einführung der Republik nicht das tausend-

jährige Reich vom Himmel fällt, in welchem ewige Kirchweihe
ist, Laß die Republik nicht an einem schöne» Tage die Sün-
den einer heillosen Monarchie zu tilgen vermag, wie man cs
in Frankreich erwartet. Aber es sieht auch ein, daß, wenn
einmal der Vorsatz, zum Bessern voranzuschrciten, gefaßt ist,
die Ausführung desselben nicht einen Augenblick verschoben wer-
den darf. Daher die Ungeduld über die Langsamkeit des Par-
laments, der Unmuth über das ewige Zögern und Hinaus-
schieben auf die lange Bank, welche ein neues Zeugniß für
die Selbständigkeit des Volkes abgeben.
Unmündig nennt man das Volk. Aber nur eine schutz-
bedürftige Person braucht einen Vormund, und das deutsche
Volk hat schon oft genug, ja nur zu oft, seine Fürsten be-
schützt. Unreif nennt man es und doch erinnern wir uns recht
gut,' wie sehr noch vor Kurzem die Intelligenz der Deutschen
immer herausgestrichen wurdewon denselben Männern, die ihm
heute alle politische Reife absprechcn. Woher kommt das?
Antwort: Die Schlauköpsc ivußleu von der Schule her, daß
die Schmeichelei ein kräftiges Mittel ist, um schwache Naturen
selbstzufrieden zu machen und auf diese Weise vom Weitor-
schrenen abzuhalten; sie behandelten das Volk wie ein Kind;
sie ahneten nicht die unverwüstliche Kraft, welche im Volke
liegt und ihm immer wieder neue Säfte zuführt; sie bedachten
nicht, daß aus den Kindern Männer werden; sie erschrecken
jetzt darüber, daß ihnen der Zögling über den Kopf wächst
und bitten ihn um's Himmels Willen, doch nicht so gar un-
dankbar gegen seine Erzieher zu sein. Aber das Volk denkt
nicht an eine Erziehung, die ihm statt Nutzen Schaden ge-
brach) hat, es denkt nur noch an die in der Schule erhaltenen
Schläge und lacht über die alten Schulmeister, die ihm noch
mit der Ruthe oder mit den Strafen der Hölle drohen.
Aus alle Dem geht für Jeden, der nicht gerade ein
Simpel ist, hervor, daß im Volke eben so viel, oder noch
viel mehr gesunder Menschenverstand, mehr geistige Reife zu
Hause ist, als in den höheren Kreisen, aus denen, um von
tausend Beispielen nur eines herauszuwählen — vor Kurzem
eine Flugschrift hervorgegangen ist, die ein wahres ArmuthS-
 
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