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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0081

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Die Republik erscheint
täglich. Preis in Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden 1 fl.
10 kr. Bei Inseraten kostet
die dreispalt. Pctitzeile2kr.

Hl- 18. Mittwoch,

Ueber das inodcrne and das nrittelalterlicbe
Proletariat (Stand der besitzlose» Arbeiter.)
Fortsetzung.
Diese Unfreiheit von Len Banden der Religion gereichte ihnen
aber zum entschiedenen Nachthcil. Denn da es nun natür-
lich auf die Auslegung der- Offenbarung ankam, so war da-
mit zu viel in die Hande der Theologen gelegt, und daß diese
von einer Freiheit im Sinne der Bauern nichts wissen woll-
ten, war rorauszusehcn. Die christliche Freiheit, sagte man,
ist nur eine innere, und die Freiheit gilt nur vor Gott. Be-
sonders verderblich für die Bauern aber war es, daß auch
Luther, der Ausdruck der ganzen damaligen Zeit, diese An-
sicht thcilte. Er sagte: »es soll keine Leibeigenschaft sein,
weil Christus Alle befreit hat.» Was ist das? Das heißt
die christliche Freiheit ganz fleischlich machen. Hätten nicht
Abraham und andere Erzväter auch Leibeigene gehabt? Lehrt
der heilige Paulus, was er von den Knechten lehret, welche
alle Leibeigene waren. Denn ein Leibeigener kann wohl Christ
sein und christliche Freiheit haben, gleichwie ein Gefangener
oder Kranker. Ein Christ läßt rauben, nehmen, drücken, schin-
den, schaben, fressen und toben, wer da will, denn er ist ein
Märtyrer auf Erden." Diese Erklärung Luthers war ein To-
desstoß für die Bauern.
Die Artikel, welche die Bauern in ihrem Manifest auf-
stellten, zeugen von Mäßigung in ihrer Forderung. Ja
sie verlangten mehr einmal volle Freiheit, sondern nur Her-
stellung ihres früheren, vertragsmäßig gegründeten Zustandes.
Auch waren anfangs die Bauern voll Zutrauen gegen die
Fürsten. In einem an diese gerichteten Ausschreiben sprechen
sie sich nm der größten Ehrfurchtsbezeugung gegen dieselben
aus, sie flehentlich um Hülfe anrufend. Man hörte ihre Kla-
gen nicht. Die Bauern stunden auf, wurden aber, wie be-
kannt, gänzlich erdrückt. Ein Hauptgrund dieses Ausganges
lag im Mangel an Bildung und organisirendcm Geiste. Es
war oft mehr nur ein dunkler Drang, der sie zum Aufstande
antrieb, als ein bestimmt vorgesetztes Ziel. Klar war Allen
nur der unausstehliche Druck. Wie alle Andern, so konnten
sich auch die Bauern nicht über ihre Sonderverhältnisse erhe-
ben. Nur auf diese war Alleö berechnet; an einer höheren,
auch andere Stände und Interessen vereinigenden allgemeinen
Idee einer politischen und kirchlichen Reform fehlte es ganz.
Ihr Ziel war insofern ein durchaus beschränktes; von einer
lief gehenden, Alles umgestaltenden Reform war keine Rede.
Aber auch der Adel, die Städte waren in Standesvcrhältnissen
zu sehr befangen, um sich zu einem großartigen Gedanken der
Allgemeinheit empor schwingen zu können. Es fehlt zwar

Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

1». April. 18»8.

von hier aus nicht an Sympathie, doch waren es nur ver-
einzelte Erscheinungen. Es ist freilich wahr: auch die andern
Sphären der Gesellschaft hatte eine tiefe Unzufriedenheit mit
dem Bestehenden ergriffen. Doch war die damalige Zeit zu
religiös, so daß die kirchlichen Fragen alle Kräfte und Gedan-
ken in Anspruch nahmen.
Sehen wir uns nun noch kurz nach dem Proletariat der
Städte um. Die Städte befanden sich anfangs in derselben
gedrückten Lage, wie die Bauern. In dieser Hinsicht bemerkt
ein französischer Schriftsteller: man braucht nur die Freibriefe
zu überblicken, welche die 8ei§n6ur8 (Herren) ihren Städten
verkauften, um sich ein Gemälde der jämmerlichen Lage der
Bürger zu bilden. — So konnten z. B. die Nichtadeligen
kein Handelsgeschäft treiben, wie überhaupt die SmKnours
alle Monopole an sich gerissen hatten. Auch in politischer
Hinsicht beherrschte anfangs noch alles der Adel. — Wodurch
aber gewannen die Plebejer oder das Volk die Oberhand?
Durch Assoziationen oder die Zünfte. — Diese repräsentieren
so recht den dritten Stand, die Bourgeoisie. Kaum aber hat-
te.: sich diese cmanzipirt, als sie schon wieder nach Uurcn e:
neu furchtbaren Druck auszuüben begannen, und zwar eben
durch das Zunftwesen. Niemanden kam es in den Sinn,
den Menschen als Menschen frei zu lassen. — Noch herrschte
nicht der Grundsatz der Gleichheit. Es gab hier Meister,
Lehrlinge oder Gesellen, wie es Lehensherrcn und Hörige gab.
— Wir finden eure Leibeigenschaft der Wcrkstätte, so gut als
eine Leibeigenschaft des Bauern. Niemand begriff die freie
Arbeit; die Gesellen mußten durchaus für den Meister arbei-
ten, wie der Bauer für den Grundherrn. Die herrschende
Bourgeoisie beschränkte streng die Zahl der Gewerbe, um eini-
gen Bevorrechteten die Vortheile der Meisterschaft zu sichern.
Die Lehrzeit, die nichts anders als eine verhüllte Hörigkeit
war, Lauerte gewöhnlich 7 bis 8 Jahre. Dann ward der
Lehrling zum Gesellen. Diese durften sich nicht verheirathen,
bis sie das Meisterrccht erreicht batten, was sie aber nur sel-
ten zu erreichen vermochten. Außer der Fertigung des Me(
sterstücks erwarteten den, der sich eine selbstständige Eristenz
begründen wollte, ungeheuere, oft sogar unerschwingliche
Kosten.
Diese Zunftschranken und Privilegien, wie auch das Feu-
Lalwesen und cie Leibeigenschaft sind theilweise gefallen. Die
französische Revolution hat ihnen den Todesstoß gegeben. Da-
durch hat sich die Masse des Volkes offenbar gehoben. Als
in Frankreich 1802 historische Notizen gesammelt wurden, um
den Nahrungsstand und die Wirkungen der Revolution auf
die volkswirthschaftlichcn Verhältnisse zu ermitteln, ergab sich
ungeachtet mancher Hindernisse, eine bedeutende Zunahme der

Die Republik.
 
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