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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0381

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Wolff und bei Kaufmann
Ä Berner; auswärts bei
> allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.
Ml- NS.
onrrtag, r-
Juli.

Die Reaktion und ihre Folgen
Die Reaktion der Volksfeinde ist im vollen Anzuge. Dein
blöden Auge verborgen, in stets neue Masken sich vermum-
mend, umspinnt sie uns mit kaum sichtbaren Fäden, um uns
über kurz oder lang in ihre alten Schlingen zu verstricken.
Durch langsam, aber sicher wirkende Betäubungskünste sucht
sie die Geister zu umnebeln, das Volk über die Bewegung
der Zeit zu täuschen, und ihm das Ziel seines Aufschwunges
zu verrücken. — Täglich gewinnt sie an Maaß und Umfang,
denn sie bat es verstanden, in ihre Interessen auch einen
großen Theil derer zu ziehen, welche vor dem Ausbruch des
Sturms auf der Seite des Volks standen, die nun aber, da
sic von den Wogen der Volksbewegung, so weit sie cs wünsch-
ten, gehoben wurden, den fluchenden Andrang um keinen
-Preis noch höher steigen scheu möchten, auö Furcht, daß er
am Ende über ihren eigenen Köpfen zusammenschlage. —
Ihnen schließt sich aber fester und fester die Masse Derer
an, deren einziger höchster Gedanke der Mammon ist, das ir-
dische Hab und Gut, das sie von wüster Willkühr und Unord-
nung schon verschlungen wähnen. Sie alle haben sich ver-
bündet, und schon gelingt es ihnen, hie und da wieder Boden
zu gewinnen, schon fangen die alten EinschläferungSmütcl
wieder zu wirken an. Sic haben sich wieder an die so lang
schon mißbrauchten Schwächen des deutschen Volkes gewendet,
an sein langmüthiges Vertrauen, seine gutgläubige Geduld,
seine versöhnliche Gutmüthigkcit, um nut deren Hüffe die kaum
halbbegonnene Bewegung zu hemmen und die neue Zeit in
der Geburt zu ersticken.
Wehe uns und ihnen, wenn das frevelhafte Beginnen
gelingen sollte! wehe, wenn diese durchgreifendste aller Erhe-
bungen uns abermals verflacht und verkümmert, wenn sie zu
gemeinem Nutzen ausgcbcutct wird, wenn der Genuß und Ge-
winn der Früchte, die uns der Sieg dcs ganzen Volkes ge-
tragen, nur etwa einer bevorzugten Klasse desselben zu Gute
kommen sollte! wenn man die Armen und Gedrückten im
Volk, anstatt sie um jeden Preis zu einem edlern und mcnsch-
lichcrn Dasein zu erheben, abermals in Noth und Barbarei
versinken ließe! Man täusche sich nicht! Diese heutige Be-
wegung wenn sie auch schon von der materiellen Noth mäch-
tig geschoben wird, steht doch ihrem innersten Wesen nach un-
ter der Herrschaft der Bildung und Intelligenz. Die geistigen,
sittlichen Interessen sind in ihr noch überwiegend; erringt sie
die Oberhand, so ist der Sieg des Geistes, der Freiheit für
immer entschieden, und die Zeit der gewaltsamen Revolution
ist geschlossen. Wird sie aber gehemmt und unterdrückt, läßt
man sie nicht mit allen ihren nothwcndigen Folgen sich ent-
falten, nimmt man statt einer Abhülfe von Grund aus, im-
mer wieder zu Palliativinitteln seine Zuflucht, reicht man dem
Volke statt ,des Brods einen Stein: dann mag man wohl
eine Weile den gewonnenen Erfolg ausbeutcn, aber endlich
wird das Volk den Stein mit Steinen vergelten, eine neue

Revolution muß hereinbrechen, und diese wird nicht mehr un-
ter der Zucht deS Geistes stehen; sie wird ein Krieg des
Hungers, der Wuth, und der Verzweiflung gegen Habsucht,
Ucbcrmuth und Wollust sein, und die Verwilderung durch
Elend wird gegenüberstchen der Verwilderung durch Ueppig-
kelt. Wir haben den Ausbruch dieses Kampfes, dessen Ende
Niemand Vorhersagen kann, in Frankreich gesehen, aber es ist
Nichts gegen Das, was bei uns kommen würde, wenn wir
auch die Lehre dieser Geschichte unbeachtet an uns vorüberge-
hen ließen. Ein solcher Vcrnichtungskampf innerhalb der Ge-
sellschaft könnte unS in jahrhundertlange Barbarei und Knecht-
schaft zurückschleudern, und die ganze Errungenschaft unserer
Bildung auf lange Zeit zerstören.
Noch hat das deutsche Volk die Wahl! Noch stehen wir
inmitten der Umwälzung, der Tag ist unser, nützen wir ihn,
ehe es wieder Nacht und ruhig wird, ruhen wir nicht einen
Augenblick, bis die Volksbewegung bei ihrem wahren Ziele
angelangt ist, bis alle ihre Folgerungen erschöpft und ausge-
beutet sind — dann haben wir von keiner Reaetion der Welt
mehr etwas zu fürchten!

So wie eine dtc andere b-vingr.
So cwi i SaS Sein mii scm Nichtsein ringt,
I. V. Weccr.
Paris hat abermals eine Revolution bestanden. Als
Triebfeder dazu wird das Geld vcr Thronbewerber und frü-
hem Thronbesitzer bezeichnet, welche, so weit eS an ihnen liegt,
nimmer dulden werden^ Laß die französische Republik ruhig
ihrer Entwicklung cntgegcngehe, daß sie überhaupt eristire und
durch ihren Bestand die Ansprüche ihrer ehemaligen Fürsten-
familien vernichte. Aber der Kampf in den Straßen der fran-
zösischen Hauptstadt war zu hartnäckig, zu erbittert, als daß
ihn das Gold allein hätte Hervorrufen und durchführen kön-
nen. In.dieser furchtbaren Weise kämpft nur der Haß, die
Verzweiflung und diese scheinen uns erzeugt durch die Zerrüt-
tung oder das völlige Darmederliegen aller gesellschaftlichen
Zustände; sie werden wohl die Haupiguelle des UebelS sein,
welches in den letzten Tagen zum Ausbruch gekommen ist.
Man muß der europäischen Diplomatie nachsagen, daß sie ei-
nen günstigen Zeitpunkt gewählt und sehr geschickt ihre höl-
lischen Pläne geschmiedet hatte. Eine reiche Erndte durfte sie
hoffen, ob die durch Gold verblendete Armuth siegte, oder be-
siegt wurde. Bei dem Siege derselben hätte sie, die so lie-
benswürdige Diplomatie, Gelegenheit gefunden, Frankreich —
an dessen Gedeihen ihr so viel liegt — unter ein Szepter zu
dringen, einerlei durch welche Mittel und unter welchem Titel,
wenn nur das Prinzip gerettet ward. Durch die Niederlage
des Proletariats sieht sie die Geldaristokratie befestigt, von
welcher treuen Gefährtin sie mit Recht hofft, daß sie Alles
aufbieten werden, den gemeinschaftlichen Zweck, die Unterjochung
der Völker zu vollenden.
 
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