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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0205

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Die Republik erscheint
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berg vierteljährig 45 kr.
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die drcispalt. Pctitzcilc 2kr.



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Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
W olff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briese
werden frankirt erbeten.

LS. Montag,

Heidelberg, 21. Mai. Der „Deutsche Zuschauer"
Nr. 21 bringt einen Artikel mit der Uebcrschrift „Deutschland"
den wir seines trefflichen Inhaltes wegen auch unseren Lesern
hier mitthcilcn.
„Es dient den Feinden der Freiheit, den Advokaten der
Finsterniß zur Hauptwaffe, die aufrichtige Gesinnung der Radi-
kalen in Frage zu stellen. Wo sie nur können, spielen sie ge-
wisse Trumpfe mit siegestrunkenem Gelächter aus. Sie, deren
ganze Vaterlandsliebe sich stets nur darauf beschränkte, vor seder
beliebigen deutschen Lanvesmutter, und vormaligen russischen Prin-
zessin den Staub zu küssen, werfen uns Mangel an Vaterlands-
liebe vor! Sie sagen, wir könnten eine hämische Freude kaum
bergen, wenn die Russen uns zu prügeln, oder die Franzosen
uns zu--helfen kämen. Sie irren sich. Sofern diese dritte Re-
volution , wie es den Anschein hat, wieder ohne Erfolg bleibt,
und.nur faule Früchte trägt, halten wir mit unserer Schaden-
freude nicht hintcr'm Berge, sie bricht, mag'S nun auch in Ba-
den für Landesverrath ausgelegt werden, in offenen Jubel aus.
Ein rechter Mann muß lieber sterben wollen, als elendiglich ver-
stümmelt hinschwindeu, und einem braven Sohne ists durchaus
nicht als Verbrechen anzurechnen, wenn er seinem mit dem Tode
ringenden Vater ein rasches Ende ersieht. In den Urwäldern
ist oft eine gesündere Moral zu Haus, als in den civilisirten
Städten. ES gibt unter den amerikanischen Wilden Stämme,
die aus Pietät ihre altersschwachen Angehörigen todt schlagen,
und Sparta warf seine eigenen Mißgestalteten Geburten in die
Steinbrüchc. ES soll uns nie einfallen, eine derartige Barbarei
zu predigen, aber man soll uns auch nicht zumuthen, eine staat-
liche Mißgeburt groß zu hätscheln, oder einen altersschwachen,
in allen Organen faul gewordenen StaatSkvrper durch Arzneien
aufrecht zu erhalten, die auf die Dauer doch nicht mehr aus-
reichen.
Die Demonstrationen, die die republikanische Parthci im
Vorparlament gegen den Bundestag riskirte, haben sich bereits
glänzend gerechtfertigt. Die erste Genugtuung, die dem „no-
torisch landesflüchtig gewordenen" Hecker zu Theil wird, ist,
daß der Fünfziger-Ausschuß nun selbst gegen ein Institut auftre-
ten mußte, daS er seiner Zeit vor jähem Sturz mit schützen half.
Durch die wahrhaft kindisch unverständigen Beschlüsse vom -1.
Mai ab hat die Bundesversammlung ihr eigenes Todesurtheil
unterschrieben. ES ist auffallend, daß Weicker in keiner der
betreffenden Sitzungen anwesend war, und Sternenfels für
Baden fungirte. Sollte Welcker inne geworden sein, wie sich
seit seinem Eintritt in die Bundesversammlung daS Blatt gewen-
det hat, wie sich'ö nun nicht mehr um eine Reorganisation (Um-
gestaltung) dieses Instituts handelt, sondern wie ihm die lakaien-
würdige Aufgabe gestellt ist, im Interesse fürstlicher Familien den

22. Mai. 184l8.


Forderungen des Volkes selbst aus dem Munde des unschuldigen
Parlaments entgegen zu treten. Wir haben Welcker nie verkannt.
Es ist, wie Rotteck, mit dem er auch durch die gemeinsame
Herausgabe des StaatülerikonS immer in Verbindung gebracht
wurde, ein geborner Aristokrat, aber dabei ein konstitutioneller
Liberaler im edelsten Sinne des Worts. Noch hat er völlig
Zeit, durch einen Austritt sich vom Verdacht rein zu waschen,
als ob er mit diesen reaktionären Gelüsten stillschweigend consen-
tire.
Wenn man gesehen hat, wie rasch und leicht sich Frankreich
im republikanischen Frühlingskleide bewegt, und kommt über die
Kehler Brücke an allen den gestrengen Wachtposten wieder vorbei,
so ist's einem zu Muthe, als träte man auf deutschem Boden in
ein Krankenhaus. Hoffentlich werden die Wehen nicht lange an-
danern, in denen Germania befangen liegt. Es wäre mit einer
Radikalem, mit einem Kaiserschnitt so leicht geholfen. In Frank-
reich ging die Sache so einfach vor sich, als hätte man Alles au
den fünf Fingern abgezählt: Louis Philipp fortgejagt — Regen-
tin Mutter und Graf von Paris ditto fortgejagt — eine provi-
sorische Regierung ernannt — die Republik proclamirt! — und
in wenig Tagen war alles von der Nation bestätigt.
Mit Hinblick auf die deutschen Zustände wäre eine derartige
Säuberung weit wohlthätiger gewesen, aber nein! überall wo's
galt, alte unmögliche Institute über den Haufen zu werfen, und
einige Kronenthaler einzuschmelzen, stemmt sich die liberale Par-
thei mit Macht entgegen, spricht von Hochverrath und häuft zu
den alten Nebeln noch eine Mässe von neuen. Es ist ordentlich
eine schwierige Aufgabe, das alles auswendig zu lernen, waS
wir noch aufgebürdet kriegen: Vorparlament, Fünfziger-Ausschuß,
Vertrauensmänner, Parlament, erste Kammer, zweite Kammer,
erblicher Kaiser u. dgl. Lauter unuöthige Ausgaben! Das Räth-
sel der Sphinx ist so leicht zu lösen, aber der deutsche Oedipüs
ist „notorisch landesflüchtig", und diejenigen, die sich selber Oc-
dipuS heißen, saßen im Fünfziger-Ausschuß und merken die Sache
immer erst, wenns zu spät ist.


Tagesbericht aus Deutschland.
Frankfurt, 19. Mai. Vormittags: In der heuti-
gen Sitzung der konstituirenden Versammlung fiel unter 397
Abstimmenden die Wahl eines provisorischen Präsidenten auf
Minister Heinrich von Gag ern mit 305 Stimmen. Weitere
Stimmen erhielten: v. Soiron 85, Robert Blum 3, v. Lin-
denau 1, v. Vincke 1, und Ekprim 1.
 
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