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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0433

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Erscheint Montags ausge-
nommen täglich. In Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden I fl.
10 kr. Bei Inseraten kostet
die drcispalt. Pctitzcilc Ar.

106.


Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Bncb-
druckerei von Renner ».
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briete
werden krankirt erbeten.

Dienstag, 21 Juli.

1848

Die Auswanderung.
Wenn bisher die politischen Zustände Deutschlands mehr
durch eine indirekte Wirkung, durch ihre materielle Aeußerung
es waren, die unsere Landsleute zur Auswanderung bewogen,
so sind sie jetzt zur ganz direkten, zur einzigen Ursache bei
den meisten Familien geworden, welche sich eben reisefertig
machen.
„Wir sind wiederholt betrogen worden um unsere Frei-
heit, wir sind mehr als im Stiche gelassen, wir sind miß-
handelt worben von denen unserer deutschen Brüder, welche
in den Uniformen der Fürsten stecken und sich von ihnen als
Werkzeuge gebrauchen lassen. Die Reaktion erhebt sich kühner
und stärker als je, und die wir in die Nationalversammlung
zur Wahrung und Festigung unserer Rechte gewählt, die ge-
rade verrathcn uns zuerst, durch die Schwäche und Käuflichkeit
der Meisten von ihnen. Wir wandern aus, waö bleibt
uns anders übrig?"
So ungefähr lauten die Klagen dieser entmuthigten Leute
und besonders stark lassen sie sich im schwäbischen Lande Horen,
bei dessen Bewohnern die Resignation und die Wanderlust
Haupt-Chäraktcrzüge sind. Und mehr als bisher sind die Aus-
wandernden solche, .die einiges Vermögen besitzen, als Land-
leute und Gewerbtreibende tüchtig, in Bildung vorangeschrit-
ten, die mit einem Wort zum Kerne der Bevölkerung zu
zählen sind. Von oben herab mag man nun die Entfernung
solcher, meist republikanischer Elemente, die Verringerung des
aufgeklärten und thaikräftigen Mittelstandes mit mephistofe-
lischem Lächeln betrachten und wohl auch unterstützen; wir
aber, die wir entweder Zurückbleiben müssen, oder, nicht so
leicht muthlos gemacht, Zurückbleiben wollen, um bei den kom-
menden Ereignissen thätig mit Hand anzulegen und wo möglich
die Republik zu erkämpfen, wir haben ein Recht, uns über
dieses Aufgeben und Verlassen unseres Vaterlandes zu beschwe-
ren. Denn es ist ein Unrecht gegen uns, die Ihr zurücklaffet,
wenn Ihr uns Eurer Hilfe beraubet und dem Drucke entfliehet,
statt Euch gegen ihn aufzulehnen, es ist ein beleidigendes Miß-
trauen gegen die Sache der Freiheit und Eure eigenen Kräfte,
es ist ein Hohn auf die deutsche Nationalität und — ein Tri-
umph für die Reaktion, die Ihr mit uns zertreten solltet und
vor der Ihr feige davon lauft! Bleibet bei uns und bedenkt,
daß die Freiheit für den Segen, den sie uns bringen wird,
auch ihre Opfer verlangt, vor Allem Muth und Ausdauer.
Die Entscheidung ist nicht mehr ferns.'
I. H.

44 Sitzung der konstituircnden National-
versammlung.
Freitag, den 21. Juli 1848.
Die definitive Fassung des 8- 2. der Grundrechte:
«-JederDeutsche hat das Recht, an jedem Otte des Reichs-

gebiets seinen Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen, Liegen-
schaften jeder Art zu erwerben und darüber zu verfügen; je
den Nahrungszweig zu betreiben, das Gemeindebürgerrecht zu
gewinnen."
„Die Bedingungen für den Aufenthalt und Wohnsitz
werden durch ein Heimathgesetz, jene für den Gewerbbetneb
durch eine Gewerbe-Ordnung für ganz Deutschland von der
Reichsgcwalt festgesetzt."
"Bis zur Erlassung der betreffenden Reichsgesetze steht
die Ausübung der gedachten Rechte jedem Deutschen in jedem
einzelnen Staate unter denselben Bedingungen, wie den Ange-
hörigen dieses Staates, zu."
"Kein deutscher Staat darf zwischen seinen Angehörigen
und den Angehörigen eines andern Staates einen Unterschied
bezüglich des bürgerlichen, peinlichen und Prozeßrechts machen,
wodurch die letzteren als Ausländer zurückgesetzt werdens-
wird bei der Schlußabstimmung mit großer Majorität ange-
nommen.
Präsident läßt einen Antrag von Hentges und Genoff
sen verlesen, des Inhalts, daß die 88- 27 und 30 zunächst
berathcn werden möchten. Ein anderer Antrag von Martin»
und Genossen geht dahin, die §§. 7 — 10, 22, 24 und 27
zunächst zu berathcn, er wird ebenfalls verlesen. Beseler
erklät sich dagegen. Martiny begründet den letzten Antrag
durch den Nachweis, daß die in jenem 8. zugesicherten Rechte
dem Volke verkümmert würden. Präsident unterbricht ihn.
Unruhe in der Versammlung. Sprecher fährt fort; man wage
es, die Ursache und die Wirkungen der Revolution zu verläug-
nen. Die jetzigen Minister verläugnen die Revolution, ihre
Mutter, die mit Schmerzen in ihnen Mißgeburten erkennt.
(Unterbrechung von der Rechten.) Man hört und liest täglich
von Verhaftungen wegen Rede und Schrift und Verkümmerung
des Vereinsrechtes (von der Rechten: wo? von der Linken: in
Bayern, Würtcmberg, Heidelberg, Berlin, überall!) Ebenso
sei cs mit dem Versammlungsrecht. Wollen Sie das so fort-
gehen lassen? (die Rechte: ja! die Linke: nein! nein!) In
Heidelberg ist ein Studentenvercin aufgelöst worden (die
Rechte lacht). Nun ja, es scheint, daß ihnen die heiligsten
Rechte des Volkes lächerlich seien! (Großer Beifall. Tumult.
Ordnungsruf des Präsidenten. Widerspruch der Linken.) Der
Präsident droht dem Redner das Wort zu entziehen, wenn er
nicht bei der Sache bleibe. Martiny. Ich bin von der
Rechten durch Lachen unterbrochen und zur Ordnung gerufen
worden, weil ich auf die Unterbrechung aufmerksam mache.
(Neuer Lärm.) Präsident wirft dem Redner Uebertrcibungen,
der Linken ihre Unruhe vor. (Von der Linken: die Rechte
unterbricht weit mehr!) Martiny: Um zu sehen, wie Sic alle
von diesem Rechte denken, beschließen Sic über diese Rechte.
(Neue Unterbrechung von der Rechten.) Beschließen Sie über
diese Rechte, und zeigen Sie, daß Sie immer die Absicht hat-
ten, dem Volke seine heiligsten Rechte zu wahren. (Beifall.)
Präsident resuniirt den Antrag. Rüge trägt auf namentliche
 
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