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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0860

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so solle dem Gebäude nichts geschehen. Das Haus wurde von
Truppen durchsucht und nichts gefunden. Trotzdem behauptete
eine andere Abteilung Jäger, es sei aus dem Hause geschos-
sen worden (sehr begreiflich, da ihnen erlaubt war, jedes Haus
zu plündern, aus dem man schoß). Die „Schweizerhunde"
die so sehr auf das Wort ihres Landmanncs, des Generals
Wyß getraut, daß sie selbst ihre Frauen und Kinder in der
Fabrik gelassen, wurden von diesen Jägern auf's Brutalste
mißhandelt, und nur durch die Dazwischenkunft eines Offiziers
gerettet. Dieser führte sie nach der Wache. — Ein Nachbar
zeigte beim Vorbeimarsch auf einen der Arbeiter und sagten
„Der war auch beim Brückenabtragen am Tabor. Sofort,
ohne daß ihm ein Wort gestattet, wurde er an die Mauer
gestellt und erschossen. Auf der Wache wurder mehrmals die
Flinten auf die ,-Schweizer-Hunde« angelegt, und nur die vor-
gehaltene geladene Pistole des Offiziers hielt die Soldaten
zurück.
Der Direktor Specker wurde an die Wand gestellt; drei
Jäger schlugen auf ihn an, einer setzte ihm den Laut der
Büchse an den Mund, und spielte, bei gespanntem Hahn, am
Drücker. Ein Offizier zog die Uhr und sagte: Eine Viertel-
stunde hast du noch, du Schweizerhund, dann wirst du erschos-
sen; also bete! Ehe diese Frist verstrichen, kam der Offizier,
der sie schon einmal gerettet, zurück, und führte Herrn Specker
zum General Wyß, der ihm seinen „Wortbruch" vorwarf! Er
behauptete steif und fest, es sei aus der Fabrik geschossen wor-
den, obwohl Herr Specker ihm die physische Unmöglichkeit be-
wies. Endlich erhielt er einen Passierschein für sich und seine
Leute nach Florisdorf. Nach der Fabrik zurückgekchrt, fanden
sie alles zertrümmert, demolirt und ausgeplündert. Die Fa-
milie des Herrn Specker war mit Büchsenschüssen im Hause
herum gejagt worden, der Buchhalter, ein Schweizer, von
mehreren Kugeln durchbohrt, wälzte sich im Todeskampfe im
Garten, und auf jeden, der sich ihm näherte, wurde geschos-
sen, so daß der Unglückliche bis tief in die Nacht dort liegen
blieb und starb. Er hieß Kunz. Endlich gelang es den Ue-
berlebenden, glücklich bis Florisdorf zu kommen.
Dem Maschinenfabrikanten Bollinger, auch einem Schwei-
zer, der sich durch seine Arbeiten am Stephansthurm berühmt
gemacht hat, gelang es, seine Fabrik durch Spritzen vor Brand
zu schützen. Aber auch hier drangen die Oesterreicher unter
dem erlogenen Vorwande ein, es sei auö der Fabrik geschossen
worden, plünderten und dcmolirten das ganze Gebäude, steckten
es in Brand und erstachen den Bruder Bollingers, als dieser
aus den Flammen sich zu rUten suchte. Einer andern in Wien
ansässigen Schweizerin, Madam Bodener, wurde ihr Kind von
den Kroaten in den Armen erschossen.
Karlsruhe, 6. Dez. DaS Finanzministerium hat der
Budgetcommission die Anzeige gemacht, daß sich im diesjährigen
Etat ein sehr bedeutendes Deficit ergebe. Die Kom-
mission hat sofort beschlossen, ein Zwan gsanlehen zu ver-
anlassen. Trotz den unendlichen Steuern hat's also wieder
nicht reichen wollen?!
Konstanz, 5. Dezember. Vorgestern wurde bier die
Todtenfeier für Robert Blum in ernster und würdiger Weise
gehalten. Die hiesige katholische Geistlichkeit hat der gedachten
Todtenfeier die Kirche nicht geöffnet — selbst Pfarrer Kuenzer,
der Abgeordnete der frankfurter Nationalversammlung von der
Linken, hielt der Todtenfeier für seinen Freund, den hingemor-
deten Bannerträger derselben, seine alleinseligmachende Augu-
stinerkirche verschlossen. — Dies hätte Mancher von Decan
Kuenzer nicht geglaubt. Wir glauben's gerne. Wenn man
sich noch an jene bekannte Urlaubsfrage erinnert, wie zaghaft,
schwankend, wie unentschieden damals Kuenzer sich benahm —

und wie persid er sich Hecker gegenüber zur Zeit des Freischaa-
renaufbruchs benahm — dann wirt dies pfäffischeh wanstsüch-
tige Benehmen des dicken Gottesmannes keineswegs besonder»
auffallen. — Er hat das Seinige als Gottesmann für den
Freund gethan, er hat eine Rede gehalten, ja eine Predigt
gehalten, und die Augen der Hörer befeuchtet, und dem Tob-
ten vielen Weihrauch gestreut. — Das ist genug von einem
Deputaten und Geistlichen — der seine fette Pfründe nicht
blos immer im Auge, sondern auch im Bauche zu haben scheint,
und dessen Ernährungsorganc so vortrefflich ausgebildet siud,
als die Anlagen zur lieblichen Schlangenklugheit hervorsprin-
gen. Abraham St. a Clara sagt:
Traue keinem Wolf auf grüner Heid,
Keinem Pfaffen bei seinem Eid, rc. rc.
Ntttuche», 5. Dez. Der hiesige demokratische Verein
hat ßch dem von der Linken der Nationalversammlung in
Frankfurt gebildeten Märzvereine angeschlossen; seine
Sitzungen sind künftig öffentlich. Unter den Studirenden
regt sich wieder der freiere Geist, sie erheben sich gegen die
neuen Verkümmerungen ihrer Rechte und betreiben die Reor-
ganisirung des akademischen Corps; sic erinnern sich, daß die
Studenten stets unter den Vorkämpfern der Freiheit stehen
sollen.
Aldenburg, 4. Dez. Der Großherzog unseres Länd-
chens hat vom Volke, dafür, daß er fein Fürst ist, jährlich
315,000 fl. verlangt, das macht täglich 866 fl. Damit sollte
man wohl auskommen. Rechne man aus, wie viel Leute den
Tag über mit diesen 866 fl. leben könnten — zum wenigsten
1000; also die Armen einer ganzen Stadt könnte man mit
diesem hinausgeworfenen Gelbe erhalten. 1000 Menschen,
die noch dabet dem Staate etwas arbeiten, nützen könnten.
Bei solchen Rechnungen wird man unwillkürlich Republikaner!
Berlin, 3. Dez. Bei dem Abgeordneten Hrn. Lipski
fanden am 16- und 10. d. M. zwei Haussuchungen, angeblich
nach verborgenen Waffen und Munition starr. Das Militär,
welches zu diesem säubern Zweck beordert war, erschien ohne
Legitimation. Bei der einen Durchsuchung assistirten sogar em
Polizeisergant, natürlich ebenfalls ohne irgend eine Vollmacht
vorzuweisen. Wegen der ganzen schnöden Verletzung des Haus-
rechtes und der Habeas-Corpusacte wurde Herr Lipski beim
Staatsanwalt klagbar und drang auf Untersuchung der Schul-
digen. Allein die Staatsanwälte sind zwar schnell bei der
Hand, wenn irgend ein Demokrat wegen einer freien Aeuße-
rung denunzirt worden, handelt es sich aber um Bestrafung
der klarsten Verbrechen, welche von oben herab gegen die Ha-
beas-Corpusacte begangen werden, so erklären sic sich inkom-
petent.
— Die Verfassung, die die hochverräthcrische Regierung
dem preußischen Volke aufzudringen versucht, enthält unter an-
deren folgenden Artikel: „Das stehende Heer darf nicht berath-
schlagen, auch nicht die Landwehr im Dienste. Selbst wenn
sie nicht zusammenberufen ist, ist es ihr nicht gestattet, in
Versammlungen und Vereinen über militärische Anordnungen
zu bcrathcn."
Man sieht, das Militär soll bloS ein willenloses Werk-
zeug sein, das nicht berathen, nicht denken soll, damit man
um so besser mit ihm das Volk niederhalten kann. Der ganze
Bau der Fürstenstaaten stützt sich auf die Gewalt, auf das
Heer, und sobald jm Heere der Geist der Freiheit einzieht,
sind ihre Feinde verloren. Das wissen sie wohl, die „Hohen"
Daher die Sorgfalt, mit der man das Heer vor der Aufklä-
rung zu schützen sucht. —
Brieg, 29. Nov. Bei her Einkleidung unserer Land-
wehr stellt? ein Landmann seinen Sohn mit den Worten:
 
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