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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0160

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politische Amnestie, von der selbst die ehemaligen Minister
Louis Philipps nicht ausgeschlossen würden, soll bei der Na-
tionalversammlung beantragt werden. (F. K.)

Eine Stimme aus Thüringen.

Der Ausgang der Wahl zur Nationalversammlung in
unserm Ländchen hat mich nicht überrascht. Sie ist ein todt-
gcbornes Kind.
Dieser Ausgang gibt ein treues Bild, wenn es dessen
sonst noch bedürfte, von der Gesinnungslosigkeit und von dem
- Spicßbürgerthum, die in Deutschland die Oberhand haben.
Das wird sich aber einst — und das einst scheint in keiner
fernen Zukunft zu stehen — das wird sich bald furchtbar
rächen!
Wie dem Einzelnen blos Momente im Leben geboten
werden, das Glück zu ergreifen, und thut ers nicht, die Ge-
legenheit nie wiedcrkehrt, — so auch den Nationen.
Der wahre Vaterlandsfreund, der vor Allein die Ein-
heit und Größe von Deutschland will, möchte blutige Thrä-
nen weinen über das verächtliche Treiben, daß sich jetzt im
Innern, wie gegen Außen hin in Deutschland kund gibt. Die
alte Zerrissenheit ist nicht geheilt — nein, sie ist größer ge-
worden. Die Mehrzahl denkt nur an sich. Dem Einen ist
sein Geldsack sein Vaterland, dem Andern seine Stelle. Dafür
blos zeigen sie Patriotismus. Deshalb — bei den srühern
größten Schreiern gegen die Regierungen — der plötzliche
Fanvtismus für die Gesetzlichkeit. Alles, was nicht gesetzlich
sei, das sei auch nicht moralisch! Als wenn die ewigen Ge-
setze der Moral mit den vergänglichen Gesetzen der Politik
gleichbedeutend wären! Haben wir in Deutschland eine Re-
volution gemacht, so ist die alte Gesetzlichkeit zu Grabe getra-
gen. Haben wir blos einen Crawall gemacht, so sind wir
alle Hochverräter! Da macht uns nur den Prozeß. Wir
sind darauf vorbereitet. Wenige sehen weiter, als sie mit
der Hand greifen können. Und wie die Masse, so die Regie-
rungen. Statt sich mit unfern inneren Angelegenheiten zu
befassen, die Versprechungen zur Wahrheit werden zu lassen,
das Neue zu ordnen, das Alte unschädlich zu machen. Was
thun unsere Negierungen?
Im Norden bekämpft das große Deutschland das kleine
Dänemark Schmach über uns, daß es so weit kommen
konnte!
Im Osten nimmt man eine fünfte Theilung von Polen
vor. Dem Zetergeschrei einiger Tausend polnischer Juden,
die nebenbei auch deutsch sprechen, den Lügen von blutsaugen-
den Beamten und dem Eigennutz von deutschen Güterspecu-
lanten in dem polnischen Posen bringen wir die Spmpathiecn
der heldenmüthigen Nation der Polen, der Vorkämpferin un-
serer eigenen Unabhängigkeit schmachvoll zum Opfer. Auch
das wird füll furchtbar strafen! Die Gelegenheit, das him-
melschreiende Unrecht, was Deutschland, oder doch Deutsche
a« Polen begangen, wieder gut zu machen, ist jetzt schon
halb vorbei. Man zwingt die Franzosen, die seit 18 Jahren
Redigirt unter Verantwortlichkeit von d»--. Frick.

ihre Nationalehre für die Wiederherstellung von Polen ver-
pfändet haben, man zwingt sie, uns ins Land zu fallen.
. Was thut man im Westen von Deutschland? Da morden
sich die Brüder auf eine so barbarische Weise, daß an einen
Frieden und an eine Vereinigung nicht mehr zu denken ist.
Und im Süden hat sich das große Oesterreich mit Worten
und mit Thaten von Deutschland losgesagt!
Ehe die grünen Saaten sich gegelbt, wird der doppelte
Feind deutscher Größe und Einheit mitten in eucrn Fluren
stehen. Die Franzosen und die Russen können möglicherweise
auf halbem Wege sich begegnen - und der halbe Weg für
bcioe ist — Thüringen! Klagt dann nicht über Landesver-
rath. Die Freiheitsverräther, das sind auch die einzigen Lan
desoerräther. Die klagt an. Und dann, wenn es „zu spät"
ist, werdet ihr erkennen, wo eure wahren Freunde standen.
Was nun die im Eingang erwähnte Wahl betrifft, so
habe ich am geeigneten Orte bereits gegen den Wahlakt Pro
test eingelegt.
Meinen Gesinnungen und meinen Grundsätzen bleibe ich
treu. Aber ich werde nun auch wieder frei von allen Rück
sichten und Verbindlichkeiten, die mir die Stellung eines-Na-
tionalvertreters für unser Ländchen auferlegt haben würde.
Vor Allem das Vaterland! Es lebe Deutschland einig
und groß!
Bendeleben, 30. April 1848.
O. Bendeleben-Nckermann.

M L s c e l l e n.
Der bekannte sächsische Oppositions-Abgeordnete, Bürgermeister
Todt, ist von der Regierung zum Bundestagsgesandten ernannt wor-
den Wäre der König von Sachsen vor einem halben Jahre Kaiser
von Rußland, und Sachsen Rußland gewesen, er hätte bestimmt den
Herrn Todt nach Sibirien geschickt; so aber schickt er ihn nach Frank-
furt.
Man schreibt aus Kurhcffen.- »Bor zwei Jahren noch entgegnete
auf die bekannte Prophezeiung, im Jahre 1848 gehe die Welt unter,
Einer aus dem Stamme Israel: »Das ist mir gleichgültig, ich gehe
nach Kurheffen, da geschieht Alles 50 Jahre später.« Der Trost ist
dem armen Manne genommen. Die Kurhessen waren mit ihrer Par-
lamentswahl am ersten fertig. Die Welt ist zwar nicht untergegan-
ger; aber es hat sich gezeigt, daß auch die Kurheffen nicht mehr 50
Jahre zurückbleiben wollen.
Der Karlsruher Stadt- und Landbote ist im Zweifel, ob der
Rock der Bürgcrwehrmänner dunkelblau oder russisch-grün sei»
solle. Unmaßgeblich stimmen wir für die letztere Farbe.

Privut-Anzcigell.
(Dienstboten-Gesuch.) Ein braves Dienstmädchen, das gui
mit Kindern umzugchen weiß, wird auf Johanni gesucht. Das Nä
Here ist zu erfragen in der Erp. d Bl.

(Zu verkaufen) eine Violine, die sich noch in sehr gutem Zu-
stand befindet, um billigen Preis. Zu erfragen in der Erp. d. Bl.

Druck von Renner S» Wolff in Heidelberg
 
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