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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0666

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schäftige. Ueber das französische (Ccnsus) System sei mittler-
weile der Stab gebrochen worden; anch andcrwcitc Rücksich-
ten, auf höhere Bildung, besonderes Vertrauen u. s. w., wie
z. B. der bairische Entwurf sie aufstclle, seien nach dem Vor-
gang deS sächsischen Gcschwornengesetzes aufzugeben und der
Grundsatz festzuhalten, daß jeder dre ßigjährige unbescholtene
und nicht unfähige Staatsbürger Geschworner werden könne.
Ein weiteres Ergebniß sei, daß die gegenwärtige Strafgesetz-
gebung, auf rechtsgelehrte Richter berechnet, mit Geschwornen-
gerichten unvereinbar sei. In dieser Richtung sei der erste
Schritt von Baiern ausgegangen, wo man bereits mehrere
Bestimmungen des Strafgesetzes der Revision unterworfen
habe. Auch in der Strafprozeßordnung würden sich noch man-
cherlei Aenderungen als nöthig erweisen; die zunächst entschei-
dende Rücksicht aber müsse die Nothwendigkeit der baldmög-
lichstcn Einführung der Schwurgerichte sein, vor. welcher alle
weitern vorläufig zurückzustehen hätten.
Stößer wünscht die Geschwornen auch sür Bezirksstraf-
gerichte, und beantragt die Rückverweisung des Gesetzentwur-
fes vor die Kommission, Behufs des'geeigneten Aenderungs-
vorschlags.
Christ führt aus, wie Recht nichts anderes ist als
Volksbewußtsein, und das wahre Recht nur auf dem Boden
des öffentlichen Lebens wächst Er weist nach, wie durch die
verkehrten Bemühungen, bas Recht möglichst abstrakt zu ma-
chen, sich eine förmliche Juristenkaste gebildet, welche ein eige-
nes Juristenrccht, gegenüber dem wahren, dem Volksrecht auf-
gestellt habe, wie dadurch überall der Einfluß fremder Gesetz-
gebung sich geltend gemacht, und wie durch diese Uebelstände
eine gänzliche Umformung der Gesetzgebung nothwendig ge-
worden sei. Zurückführung des Rechts auf die Bedürfnisse
des Lebens und Abschaffung der fremden Gesetze müßten die
Grundsätze sein, von welchen dabei ausgcgangen wird; das
Recht müsse ein allgemeines werden, dürfe kein ausschließ-
liches Eigenthum oder Erfindung der Juristen mehr sein.
Kapp schließt sich dem von Christ Gesagten an und hebt
die nationale Bedeutung der Geschwornengenchtc hervor; vor
Kurzem noch hätten sich Stimmen erhoben, die an der Reife
des Volkes für dieses Institut Zweifel geäußert, jetzt erheben
sich keine mehr dagegen. So möge das Volk wohl zu Man-
chem noch reif sein, was man ihm vorenthalte. Es gebe aber
ein leichtes Kriterium für das, was reif sei im Volk; was
es einstimmig, und immer und immer wiederholt verlange, da-
zu sei es reif; so sei es für Geschworncngerichte lange vor
der franz. Revolution schon reif gewesen.
Nach Schluß der allgemeinen Diskussion beginnt die Be-
wachung über §. 1. des Gesetzentwurfs:
'/Die Hofgerichte urtheilen in Strafsachen in Ver-
sammlungen von 5 Richtern unter Zuziehung von k2 Ge-
schwornen."
Stößer bringt bei diesem §. seinen oben erwähnten
Antrag unter.
Helmreich beantragt Aufhebung der Hofgerichte und
Verweisung ihrer Kompetenz an die Bezirksgerichte, zu wel-
chen, soweit sich jene erstreckt, Geschworene zugezogen werden
sollen. — Nach Schluß der Diskussion werden die Anträge
von Stösser und Helmreich verworfen und der 8 in obiger
Fassung angenommen. In der Diskussion über den 8. 2.,
lautend:
"Alle drei Monate sind Urtheilssitzungen in Mannheim,
Bruchsal, Freiburg und Konstanz zu halten, in welchen alle
in dem betreffenden Sprengel zur Untersuchung gekommenen
und zur Zuständigkeit deö Hosgerichts gehörigen spruchreifen
Strafsachen abgeurthcilt werden.
' Gleichwohl kann das Hofgericht auf Antrag des Staats-

anwalts durch Beschluß seines vollen Nathes verfügen, daß
Urtheilssitzungen an einem andern Orte des Sprengelö oder
in kürzern Zwischenräumen abzuhaltcn seien, wenn dies wegen
der Zahl, Wichtigkeit oder Dringlichkeit der vorliegenden Straf-
untersuchungen angemessen erscheint."
beantragt Biffing, alle Bezirksgerichtssitze als Affisenge-
richtssitze zu erklären und erörtert den Uebelstand der unver-
hältnißmäßigen Entfernung der Hofgerichte von entlegeneren
Orten ihrer Bezirke.
Das Volk aber solle doch zum Bchufe seiner Beleh-
rung und Ausbildung den größtmöglichsten jAntheil an den
Gerichtsverhandlungen nehmen, was ihm durch dieses Miß-
verhältniß erschwert werde. Nach kurzer Diskussion einigt man
sich dahin, daß der §. 2 so formulirt werden soll: Alle drei
Monate sind Urtheilssitzungen an 6 Orten zu halten re. In
dieser veränderten Fassung wird §.2 angenommen. Der 8.3:
"Wenn an einem für hofgerichtliche Urtheilssitzungen be-
stimmten Orte kein Hofgerichi seinen Sitz hat, so ernennt der
Präsident des betreffenden"Hosgerichts aus der Mitte seines
Collegiums einen Präsidenten und 2 Räche, und beauftragt 2
Räche benachbarter Bezirksgerichte, an der Bildung des Nr-
theissenats Antheil zu nehmen."
wird unverändert angenommen und die Sitzung geschlos-
sen. Nächste Sitzung: Morgen früh 9 Uhr. Tagesordnung:
Fortgesetzte Bcrathung des Geschwornen-Gesetzes.

Tagesbericht aus T eutschland.
Mannheim, 13. Okt. So eben kommt die „Mann-
Heimer Abendzeitung" in ihrer Nummer 151 von gerichtlicher
Verfolgung vom hiesigen Hofgerichte zurück. Diese Nr. war
wegen eines Artikels „vom Rhein", der die Republik als das
in dieser Zeitpcriode zu erreichende Ziel darstellte, mit Beschlag
belegt worden und der großh. Staatsanwalt Ammann hatte
sowohl gegen den Verfasser des Artikels Bürger Ludwig De-
gen von hier als gegen Len verantwortlichen Redakteur Bür-
ger Münck je eine 6monalliche Arbeüehauestrafe baantragt.
Die Vertheidigung führten OGAdvakat Brentano und Eller,
die Angeklagten wirkten persönlich dabei mit, namentlich hielt
Degen eine treffliche Vertheidigungsrede. Das Ergebniß der
Verhandlung ist, daß der Gerichtshof die Angeklagten frei
sprach und die Staatskasse in die Kosten ver-wtheilte.
(M. A.)
Die „Neue deutsche Zeitung" berichtet über die Plane
der deutschen Central-Belagerungsgewalt Folgendes: Dao
Reichsministrnüm wird, wie ich aus zuverläßiffiger Quelle
erfahre, seine äußersten Kräfte aufbielen um die Demokratie in
Wien zu vernichten. Daö Neicheministerium wird 60,000
Mann Preußen, die an ander böhmischen Gränze stehen, durch
Mähren nach Wien schicken. Baiern hat die Ordre erhalten,
20,000 Mann mobil zu machen. Radetzky soll sich auf Mai-
land, Verona und Mantua beschränken und den Nest seiner
Truppen zu Jellachich stoßen lassen. So wird cs in kurzer
Frist zum ungeheuersten Kampf zwischen Demokratie und Re-
stauration kommen.
Darmstadt, 9. Oktober. Die „deutsche Einheit" ist
zu einer einheitlichen Polizei- und Erekutionsanstall herabge-
slinken. Die alten Liberalen haben all den Haß, all die Ver-
folgungen, welche sie dem gestürzten Absolutismus so bitter
und patheisch vorwarfcn, vergessen. Sobald sie am Ru-
der waren und eine Partei entdeckten, die weiter ging, als
sie, warfen sie sich mit den Absolutisten und Konservativen zu-
sammen, und bildeten mit ihnen eine wahrhaft fanatische Re->
aktionspartei.
 
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