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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0690

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Parlament ein Possenspiel ist und ei» Werkzeug, das will-
fährig dienen muß den Händen der Potentaten, die es nach
Belieben auch wie ein Kartenhaus zusammcnwersen können
und werden. Dieses Possenspiel hat aber dem Beutel des
Volkes bereits 600,000 Gulden gekostet, und kostet weiter
per Monat 25,000 Gulden für die Abgeordneten, 8000 Gul-
den für die Ministerien, 2000 Gulden für den Präsident re.
Das Alles hat aber das Parlament zur Volkserleichterung
und für die „Freiheit" gcthan! — Weiter hat das Parla-
ment, statt das Institut der Volkswehr wirklich ins Leben zu
führen und das stehende Heer zu vermindern, dieses letztere
um 300,000 Mann vermehrt, was eine Ausgabe von bei-
läufig I3V Millionen Gulden verursacht! Das hat
das Parlament zur Freiheit des deutschen Volkes gethan, aber
ganz natürlich, es bedrohen ja 500 Schneidergesellen von Be-
sancon her Deutschland mit einem — Ueberfall!
* Heidelberg, 21. Oct Das Frankfurter Journal
brachte uns heute eine Rede vom Abgeorbr-, Bassermann mit.
Ganz schlau ist oben daran bemerkt, daß Bassermann Abge-
odncter von Stadtprozelten sei. Die Bemerkung Simons (v.
Trier) daß er sich schämen würde, Abgeordneter eines Bezirks
zu sein, dessen Vertrauen er nicht befitze, ja eines Bezirks,
der ihm öffentlich ausgesprochen, es sei eine Tyrannei, Leute
vertreten zu wollen, deren Ansicht man nicht thecle, diese
Bemerkung Simons scheint uns dem Herrn in die Glieder ge-
fahren zu sein. Jetzt muß wieder gearbeitet werden. Gleich
schickt das Frankfurter Journal Lch Rede des Unter Staats
sekretärs mit, auf schön Papier besonders abgedruckt. Laßt
nur die Possen sein, sie nützen doch nichts! Das Volk sieht
klaaer, als ihr's wollt. Morgen werden wir Simons Rede
geben, die klingt ganz anders, wenn sie auch nicht ans aller-
höchste Kosten gedruckt wird.
^Heidelberg, 21. Oct. Die Wiener sind doch ein
herrliches- Volk! — Mit welcher Begeisterung sehen sie dem
Kampfe für ihre, für unsere Freiheit entgegen! An solchen
Felsen müssen sie brechen, die „stolzen Wogen des Deopotis-
muß!" Hören wir die Wiener selbst. Wir leben hier, schreibt
ein Wiener dem Frankfurter Journal, im wohlorganisirten
Kriegszustände. Unsere ganze Stadt ist ein großes Kriegslager,
und ein fröhliches und muthiges fürwahr! Wir hoffen täglich,
ja stündlich, daß endlich einmal die Trommel uns aus unfern
Wällen rufe, um den Croatenhordcn das Weiße im Auge zu
zeigen; stündlich erwarten wir unsere magyarischen Brüder, die
nur noch wenige Stunden vom feindlichen Lager sind. Schon
hört man hie und da Kanonendonner, der jetzt dem lebens-
frohen Wiener, den man lange genug für einen Lebemann
hielt, mehr ist, als seine Walzer. Ja, wer unser Volk ge-
sehen hat, wie es, ganz unbewaffnet, mit den Fäusten eine
Batterie nahm, und sie darauf lachend umkehrte und mit einer
Cigarre oder einem Reibfidibus losbrannte, der weiß auch,
daß Wien nicht so bald bezwungen wird. Wir vertrauen nur
auf unsere eigene Hülfe und so gedenken wir die neuen Bar-
baren nicht minder gut abzuwcisen, als unsere Väter den Tür-
ken es gethan! Wir wissen, was auf dem Spiele steht; —
in den Flächen um Wien wird sich Deutschlands Schick-
sal entscheiden. Unbegreiflich ist es uns, daß sich Deutsch-
land nickst mächtig unserer annimmt. Sind wir doch Deutsche
und ist cs die deutsche Sache und Freiheit, welche gegen das
Slaventhum und Verrach im Kampfe steht. Wie Hohn klin-
gen die Gerüchte, mit denen man sich beim Wachtfeuer die
Zeit vertreibt, daß Reichstruppen gegen Wien gesendet wer-
den. — Die ganze Geschichte wäre zu Ende, wenn der
Reichstag unserer Kampflust nicht Fesseln anlegte. Heute
noch (den 16.), so hoffen wir; kommt's zum Schlagen.

Schon diese Nacht zwischen 12 und 1 Uhr konnte man fen
Kanonendonner vernehmen, da unsere ungarischen Brüder her-
anrücken. So die Wiener an das Franks. Journal.
Der Gemeinderath benimmt sich ebenfalls sehr gut. Er
verproviantirt das Volkshew auf's Beste, auch beabsichtigt er
ferner, eine Kriegssteuer für die aus Wien geflüchteten 'n-
wohner auSzuschreibeu. Unter anderen sollen etwa 50^ der
reichsten Großhändler und Banquiers dabei ganz besonders
bedacht werden. (Bravo!)
Der Kaiser macht sich das Spiel immer schlimmer. V w
erleben noch, daß etwas geschieht, was ihm am Ende nicht
sehr angenehm sein wird. Auf die gewiß äußerst gelinde For-
derungen der an ihn geschickten Deputation: 1. NEchr des
Kaisers; 2. Rückzug des Auerspergischcn Corps; 3 Entfern-
ung der Croaten, war die Antwort: der Kaiser denke
nicht an Rückkehr, die Ermordung Latours dürfe nicht so
schnell vergessen werden. Die Deputation ließ man, ehe sie
vorkam im Hofe auf dem kalten Pflaster, neben den Garden
warten, worüber selbst die Garden entrüstet waren. Ferner
sagt man, daß Jellachich vom Kaiser selbst zum Generalissimus
emanut sei, künftiger Kriegsmiiüster werde und Wien 5 Tage
Zeit zur Ucbergabc zu lassen, die Entwaffnung der akademi-
schen und Nationalgarde zu verlangen und nöthigcnsalls zu
erzwingen — ja „daö Nest in Brand zu schießen" ermächtigt
sei. — Das Alles verfehlt nicht, seine beste Wirkung zu thun.
Von allen Seiten sagt man den Wienern Unterstützung zu,
so wieoer von Troppau, Hadersdorf, Neutitsch.
Ans Galizien kam die Nachricht, daß sich ein Freicorps
von 14,000 Mann, welche den Magyaren zu Hülfe ziehen
wollen, gebildet habe.
Goldmar erklärte in der Rcichstagssitzung v 24. Oct.:
„Von Unterhandlungen könne jetzt nicht mehr die Rede sein,
man müsse das Demoklesschwert nicht nur Wien's, sondern
der Monarchie, endlich fallen machen. (Der lebhafteste Bei-
fall bezeugte, daß Goldmar aus der Seele des Volkes ge-
sprochen.)
Fedorowisch bemerkte darauf: „Wir haben Alles ge-
than; es hätte den Kaiser nur einen Federzug gekostet, Friede zu
machen; cs ist nicht geschehen; unsere Deputation wurde kaum
angehört; unsere Pflichten sind erfüllt, nun komme das Blut,
das fließen sollte, über Jene, die es absichtlich Hervorrufen
wollen." Hierauf wurde er für diese treffende Wahrheit mit
dem anerkennenden Zurufe der Kammer belohnt. —
Radetzky ist in sehr übler Lage. Ihm fehlt das Geld,
die gehörige Verstärkung und endlich — seine Ungarn werden
ihm untreu, sie wollen dem Vaterlande zu Hülfe eilen. —
Nachtheiliges für das Volksheer können wir heute nicht mit-
theilen.
Karlsruhe, 27- Oktbr. Der Volksfreund und vielge-
rühmte Oberst von Hinkeldcy hat von seiner königlichen Ho-
heit dem Großhcrzog allergnädigst das Ritterkreuz erhallen.
Kassel, 16. Okt. Heute fand hier eine große Volks-
sammlung statt, in welcher das Wahlgesetz zur Sprache ge-
bracht, und trotz des Widerspruchs dcö Comite's mit großer
Mehrheit beschlossen, eine Deputation an das Ministerium ab-
zusenden, um dasselbe zur Zurücknahme der unfreisiunigen Be-
stimmungen des Gesetzentwurfs zu ersuchen; das Comite, das
mit der Abschickung der Deputation beauftragt war, wollte
diesen Auftrag nicht erfüllen, weßhalb auf heute Nachmittag
eine neue Versammlung angesagt, in der ein provisorisches
Comite gewählt und dasselbe beauftragt wurde, die Deputa-
tion an das Ministerium ins Werk zu setzen. Alsbald setzte
sich die Deputation in Bewegung, die Masse folgte, jedoch in
der größten Ordnung, nach, brachte vor der Kaserne dem zahl-
 
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