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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0864

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und es sind in dieser Sache schon über sechzig Zeugen eidlich
vernommen worden, jedoch ohne daß auch nur ein Einziger
belastend gegen die Denunzirten aufg» treten wäre. Wenn ein
derartiger Fall in Rußland vorgekommen wäre, so hätte man
die Beklagten wahrscheinlich nach dein Zcugenverhör wieder
auf freien Fuß gesetzt, aber bei uns ist dies ganz anders; un-
sere Machthaber ruiniren zuerst ihre Opfer geistig und körper-
lich, um für die Folge stille Werzeuge an ihnen zu haben,
— aber . . . Also wie gesagt, nicht einmal ein Zeuge hat
diese unschuldigen Bürger des ihnen zur Last gelegten Verbre-
chens gezeugt, und doch schmachten diese schon bei zwei Mo-
naten in den Bürgerkasernen zu Bruchsal. Ein vierter Bürger
wurde erst kürzlich eingezogen und täglich werden noch von
andern Bürgern Vermögens- und Sittenzeugnisse eingeholt, so
daß es scheint, man habe sich gewissen Orts noch nicht genug
amüsirt an dem Weinen und Flehen der vaterberaubken Kin-
der und Frauen. Bei diesen Inquisitionsgeschäften nimmt der
junge Wintergrätz in Weinheim eine würdige Stelle ein, und
wenn er nicht bald wieder um einige Stufen weiter zu Got-
tes-Gnaden hinaufgezogen wird, so daß er von W wegkommt,
so hat man in unserer Gegend noch jene Szenen zu erwarten,
wie sie die Kroatenhäuptlinge bei der Ordnungshersteüung (?)
in Wien aufgeführt haben.
-5- Bruchsal, 4. Dez. In diesen Tagen ist eine Pe-
tition an unsere Ständekammcr hier herumgetragen worden,
welche die Herabsetzung, beziehungsweise Aufhebung der land-
ständischen Diäten beantragt. Hiernach soll die Diät von 4 fl.
auf die Hälfte herabsinken, dagegen bei Staatsdienern und
Pensionirten ganz wegfallen. Da müßten die Berather des
LandcSwohls doch ziemlich diät mit 2 fl. leben — könnten
keinen patriotischen Schaumwein mehr pokuliren — höchstens
der Volksmann Knapp, der ihn selbst fabrizirt, könnte noch
Propfer an die Zimmerdecke springen lassen, aber mit den Or-
gien — die er so gerne feiert, könnte es auch seine Endschaft
nehmen, wenn die Gebühren so knapp gemessen werden. Wenn
man so lange täglich sitzen, die Gehörwerfzeuge so arg an-
spannen und das versteinernde Medusenhaupt des Baptist Bekk
anschauen — und das ewige »einverstanden" so oft wieder-
holen muß, so würde man warhaftig mehr als einen solchen
Holzhackerlohn verdienen. Das Volk ist undankbar, will nicht
nur die wohlverdienten Diäten beschneiden, sondern erkühnt sich
sogar, seinen Deputaten aufzukündigen, wie man Knechten
aufkündigt. Haben die Deputirten nichts für die Wohlfahrt
des Landes gethan? Haben sie nicht die Amnestie hcrausge-
bettclt? ein Hundegesetz, der Glanzpunkt ihres Wirkens, zu
Stande gebracht? Und manches Verdienst der Kammer leuchtet
unter dem Scheffel. Wartet, was das heilige Christkind uns
Alles bringen wird — Was wird der Herr Minister an das
wurzellose Tannenbäumchen unserer Freiheit für schöne vergol-
dete Nüsse aufbinden und uns zu knacken geben — was für
schöne süße Sachen wird uns Landeskinder der Christtag
bringen? Verkündigung der Amnestie, ein neues Gesetzbuch,
eine politische Bibel, Erleichterung der Abgaben, gleichmäßigere
Besteuerung Einkommensteuer — Aussicht auf baldige Ein-
führung der Geschwornengcrichte und noch vielmehr am
Ende findet das heilige Christfindlein den Weg in das Zellen-
gefängniß und läßt die bleichen Gestalten hinter dem Eisen-
gitter an die reine Weihnachtsluft — kurz das Christkind wird
uns viel bringen, wenn wir brav, sittsam und ruhig sind.
Aber um wieder auf die Diäten zurückzukommen, die Beamten
unlr Pensionäre sollen ganz umsonst in der Kammer sitzen?
Ganz Recht. Sie haben ihre Besoldungen. Manchem muß
der Staat noch einen Stellvertreter besonders bezahlen —
soll er auch noch Diäten beziehen, dreifach die Staatskasse,

refp. unfern Beutel in Anspruch nehmen? Dies war von
jeher eine Unbilligkeit und eine erstaunliche Bornirthcit des
Volkes, solche besoldete Staatsdiener, die ihre eigene Zukunft
meistens nur im Auge haben und um des Volkes Wohlfahrt
sich wenig bekümmern, in die Kammer zu wählen. Wann
wird die klare Einsicht kommen?
U Karlsruhe, 10. Dez. Gestern ist Euer braver Ab-
geordneter Peter unter stürmischem Beifallsrufen der Galle-
ricn, durch den Vater Jtzstein in die 2. Kammer eingeführt
worden. Jetzt habt Jdr doch wenigstens wieder einen Vertre-
ter, ihr Heidelberger. Die Person, die sich Vissing und auch
euer Vertreter nennt, verdient nicht den Ehrennamen.
Aschaffenburg. Auch hier, wie beinahe in ganz
Baiern hat die demokratische Partei im Wahlkampfe den glän-
zensten Sieg davon getragen. Bürger Ernst M üller aus
Damm, Advokat Wächter, Dominian und Kungel
gingen aus der Urne hervor.
Nürnberg, 5. Dez. Die Demokraten I. Schmitt-
Scheu rl und Lehrer Tröger sind mit großer Majoritä-
zu Abgeordneten nach München erwählt.
/X Berlin, 6. Dez Die Fraktionen der äußersten Lin-
ken und des linken Zentrums, die auö dem Schiffbruch des
Verraths und der Feigheit sich gerettet haben, — und-sich
nicht durch das Mehr der Niederträchtigkeit verschlingeln lies-
sen , sind heute Nachmittag versammelt, um die Auflö-
sung der Nationalversammlung und die Octroyrung der Ver-
fassung (dieselbe als Geschenk des Königs anzusehen) für ei-
nen Staatsstreich zu erklären und sich dagegen auf das Ent-
schiedenste zu verwahren. Die Verwahrung soll direkt an die
Krone gerichtet und derselben zugesenvet werden.
Die hier noch anwesenden Abgeordneten bereiten zur Ab-
reise vor. Die Männer des Volks hoffen sich im Februar
hier alle wiederzu finden.
Berlin, 5. Dez. Die Nationalversammlung ist, wie
früher gemeldet, aufgelöst. Die Vertreter des Volkes sind
»von Gottesgnaden" auseinandergejagt. Zu dem mit solcher
Frechheit ausgefühnen Staatsstreiche fügt das Ministerium in
seiner Motivirung noch den bittersten Hohn. Die National-
Versammlung ärndet jetzt die Früchte ihrer langwierigen
Schwäche und Feigheit. Sie ließ die Verschwörung gegen das
Volk monatlang ruhig fortarbeiten, stark und mächtig werden
und fällt ihr daher jetzt als Opfer. Eben so büßt das Volk,
was eS im März und noch im April und Mai aus Groß-
muth, oder richtiger aus Dummheit, und zuletzt durch den
sogenannten »passiven Widerstand» verschuldete. Es hat jetzt
eine Lehre bekommen, die es sich wohl zu Nutze machen wird.
Sein nächster Sieg wird der Vereinbarung wie allen Phrasen
und Heucheleien ein Ende machen.
-Wie die hohen, nobeln, allgewaltigen Herren
die Maschinenbauer zu gewinnen juchen, ist sehr ergötzlich.
Roch ergötzlicher aber, mit welchem Takt die Maschinenbauer
den gedachten Herren symbolische Fußtritte zu geben verstehen.
Den Hrn. Wrangel, der ihre Deputationen mit einer boden-
losen Höflichkeit behandelte und sich als Mitglied des Maschi-
nenbauer-Vereins betrachtet wissen wollte, wiesen sie mit sei-
nem Ansinnen kurz und entschieden zurück. Ebenso wurden
jhm die 10 Friedrichsd'or, die er für die Vereinskaffe über-
reicht hatte, auf Beschluß des Vereins sofort wieder zugestellt.
Die Maschinenbauer sind zu einsichtsvoll, um sich von Män-
nern der Gegenrevolution, sei's auf diese, seäs auf andere
 
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