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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0104

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Des Königs Traum.
Bon C. Hertzog.
Ein mächtiger König, der Negierungssorgen überdrüßig
und des süßen Weines satt, ging zu Bette. Er hatte den
Tag hindurch viel an seiner Unsterblichkeit gearbeitet, der gute
Mann. Seine Augen fielen vor Müdigkeit zu und Morpheus,
der launige Gott der Träume, senkte sich, sanft gaukelnd, auf
das gesalbte Haupt nieder und das monarchische Gehirn gebar
einen seltsamen Traum.
Ein König träumt, sonderbar! Und warum? Alle Men-
schen träumen, ein König ist ja auch ein Mensch, und viele
Menschen sind Könige, wenn sie träumen. Barbarosa träumt
schon so lange, so lang! Und der gute deutsche Michel, der
Volkskönig, hat er nicht drei und dreißig Jahre lang einen
schweren Traum geträumt?,! —
Also dem müden Könige träumte, er sei gestorben. Seine
Seele ließ den trägen Körper zurück in den seidenen Polstern
und stieg glorreich, entfesselt, gleich einem majestätischen Luft-
ballon, in die höhern Regionen empor. . Erst in der Nähe des
Zodiakus schien das Champagner-Glas verbrannt zu sein und
der poetische Taumel verschwand allmählig und gestaltete sich
zur feisten Prosa.
Es war eine herrliche schöne Straße, auf welcher die ab-
geschiedene Seele wandelte. »Ich bin im Auslande" dachte sic;
»denn in meinem Reiche baute ich solche Straßen nicht, ich
war nur immer bedacht die Straßen gen Himmel zu bauen
und wenn ich nicht irre, so ist dieser schöne Weg das Resultat
meiner frommen Bestrebungen.» Diesen göttlichen Gedanken
ausbeutcnd, wandelte die Königsfeele weiter.
Plötzlich vernimmt der todte Monarch ein großes Geräusch
schreiende Stimmen werden laut, ein heftiger Diskurs entspinnt
sich in seiner Nähe. Was ist das? Er sieht sich um - und
siehe da, eine ganze Carawane von Verstorbenen strömt auf
einem Seitenwege nach der Hauptstraße. Es war ein buntes
Gemisch von gefallenen Größen, das daherzog, es war ein
glänzender Anblick! Nichts als Könige, Herzöge, Fürsten,
Grafen, Staatskanzlcr, Barone, Minister und Ministerräthe,
hohe bevorrechtete Personen, dekorirt mit Stern und Ordens-
band, ausgerüstet mit Arroganz und Unwissenheit, aber einig
— einig unter sich.
»Hätte ich nur noch so lange gelebt, bis ich meinen dum-
men Jungen auf die Ministerbank geschoben. Die Camarilla
war mir so gewogen und der Fürst so gnädig!" kreischte eine
ausgedörrte Ministerseele und schlotterte vor Angst mit den
Säbelbeincn. »Der Schaafskopf hat nichts gelernt, hat
kein Talent — was soll er nun anfangen auf der Welt?
Nicht einmal zum Tagelöhner wird er taugen, denn er ist ein
Taugenichts!»
»Und ich,» krächzte eine dicke Fettseele, "mußte mich just
durch Unverdaulichkeit der Schlag rühren, als ich im Begriff
war, einen neuen Tetzelkasten zu eröffnen, der leider, zum Nach-
theile der alleinseligmachenden Kirche schon zu lange verschlossen
und fast in Vergessenheit gerathen ist! —
„Diese Canaille", giftete eine lange, hagere Gestalt mit
einem immensen Diamantstern auf der Schattenbrust; „wer

hätt's glaubt, daß so bös werden könnt. Für dreißigjährige
Arbeit den Lohn eines Vagabunden! Wer wird jetzt den
cdeln Johannisberger schlürfen? Wer wird künftig meine
Großen lehren, Dummheit säen und das Volk bethören?"
— »I so stoßen Sie mir doch nicht an!" rief mit gro-
ßer Anmaßung eine korpulente, leere Champagner-Flasche. Ha-
ben Sie man Respekt vor dem deutschen Kaiser!"
„O, suter König, helfen Sie mich!" helfen Sie mich!"
ächzte eine jämmerliche Stimme; „man hat mir erbärmlich
jetreten; ik jlobe jar, det war so ene von den todtjeschoffcnen
Kartätschenseelen, den sojenannten Berliner Bürgern."
— „Helf dich man selbst, Dummkopf!" — schnob ihn
der kaiserliche Schatten an.
„„Memme! Geb' mer dein Ahrm! Nu, stolpre net, es
is holpericht; ouscr, mach' as mer kumme uf die breite Straß!
Mer sin lang genug gegangen uff Nebenwege.""
„Nu, Jüngelche, — du laafst ja, as wenn du wollst
komme ze geih' uf's Contor!" —
„„Schmus brientes! Die Gäns gehn baarfüßigk! Memme
wie kannst de sagn: Jüngelche? Sagk doch Herr Baron zu
mer!""
„Nu — Herr Baron, du wirst mache e Fallement, wen:
du so fort rennst. Und wu willst de hi — in de Himmet?"
„„Nu warum net, mer sin doch empanzipirt!" "
„Weh mir!" rief hier plötzlich die himmelanstrcbende'
Königsseele aus, als sie einen neuen Schwarm von Verstor-
benen nachkommen sah: „Weh mir! wer bringt dieses Bild
vor meine Augen? Auch du, mein Brutus?!" — Und näher-
furchtbar näher zog's. Vor einem großen Studentcnhaufen
schritt in majestätischer Haltung eine emanzipirte Dame in
männlicher Banditentracht einher; ihre Augen funkelten, wie
Südbrandsglühen in Andalusiens Feldern, ihr Teint, zigeuner- -
färben angebräunt, erblaßte vor der dunkeln Nacht ihrer rie-
sigen Mähnen. Der Wüstenbcwohner, der königliche Leu,
würde heulend zurückgekrochen sein in seine Höhle vor die-
ser schrecklichen Gestalt, denn — der Zopf — der hing ihr
hinten.
„Verflucht!" donnerte das Mannweib, „nicht einmal Zeit
blieb mir übrig, eine Cigarre mitzunehmen. Wird im Himmel
auch geraucht, Dicker?"
„O'ost üokonäu!" ächzte ein breiter Schatten, der einen
ungeheuer» Sack nachschleppte.
Diablo, Sire! Was wollen Sie mit diesem Mammon im
Himmel? fragte ein langer Gedankenstrich mit den Abzeichen
eines Finanzministers den Schleppenden.
„Es ist ehrlich erworbenes Gut, das wissen Sie, Herr-
Guizot" — antwortete der Gefragte; man trennt sich nich?
so leicht von seinen Gütern."
— „Anis — der Himmel — — "
— „„Wird mich verstoßen"" — unterbrach ihn der
Dicke. „„Gut, so bleiben mir die Mittel, den Fürsten der
Hölle zu bestechen, denn er ist ein armer Teufel und wird mir
das Feuer nicht gar zu heiß machen."" —
(Forts, folgt.) '

Redigirt unter Verantwortlichkeit von »r. Frick,

Druck von Renner 8" Wolff in Heidelberg
 
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