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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0912

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Vereinigte Staaten von Deutschland.
V"Heidelberg, 14. Dec. Sehr einfältig und plump ist
die Art und Weise, womit man von gewisser Seite her vor
dem deutschen Volke das Königthum und die konstitutionelle Mo-
narchie zu vertheidigen sucht. So ist es z. B. allgemein aner-
kannte Thatsache, daß sämmtliche Fürsten in Deutschland nur
mit Schmerz und Widerwillen im Monat März dieses Jahres
dem Volke Zugeständnisse machten, einige wenige Brosamen Frei-
heit hinwarfen, und zwar auö keinem andern Grunde, als weil
sie mußten, weil sie sich gezwungen sahen, weil sie wohl merk-
ten , daß sie sonst zu T — gejagt worden wären. Diese Zuge-
ständnisse sucht man nun aber jetzt als hervorgegangen aus dem
freien Entschlüsse der Gekrönten darzustellen; man sucht dem Volke
glauben zu machen, die deutschen Fürsten hätten 30 Jahre lang
bis zum Monat März mit allen Mitteln die Freiheit unterdrückt,
mit allen Qualen die Vorkämpfer der Freiheit verfolgt, plötzlich
aber sey im Monat März aus irgend einem beliebigen Grunde
der Geist der Freiheit in sie gefahren, sie hätten sich ganz ei-
gentlich in die Freiheit verliebt und gingen jetzo nur noch darauf
aus, ihre Völker frei und glücklich zu machen.
Der muß wirklich sehr schwachen Verstandes sepn, der dies
glaubt. — Nein, nur nothgcdrungen haben sie im März nach-
gegeben, weil die Mistgabeln, Dreschflegel, Sensen und andere
eindringliche Werkzeuge im Hintergrund zu erblicken waren; allein
eben weil nur nothgedrungen, haben sie nur iu der Absicht nach-
gegeben, das Verlorene bei der nächsten günstigen Gelegenheit
wieder zu erobern. Fürsten und Völker haben zu verschiedene
Interessen, als daß sie Hand in Hand mit einander gehen kön-
nen, denn Einigkeit ist da nicht möglich, wo Einer die klebrigen
mit Gewalt nöthigt, ihm und seiner Familie jährlich Hundert-
tausende, ja Millionen als Civilliste und Apanagen abzutreten,
und wo diese klebrigen sich weigern, ihr Eigenthum mit Gewalt
sich nehmen zu lassen. Daruin besteht auch ein fortwährender
Kampf zwischen dem Volke und den Fürsten, auch wenn er nicht
gerade mit den scharfen Waffe» der Revolution, wenn er auch
nur mit den unsichtbaren Waffen der Jntrigue, der Räiikemachcrei
geführt wird, der Kampf besteht, denn das Interesse der Fürsten
besteht, und dieses Interesse kann nicht VolkSintereffe sein. — An
jedem Hofe, und sei er der kleinsten einer, eristirt daher esne
Anzahl jenes aristokratischen Geschmeißes (gewöhnlich Hofbeamte,
Generäle, hohe Adelige, Oberfthofmeister, Ceremonienmeister,
Cabinetssecretäre u. s. w) das vom Schweiße des Volkes lebt
und einen Theil der Beute bekömmt, die alljährlich dem Volke
abgenommen wird. Diese Leute bilven gewissermaßen eine Ver-
schwörung gegen die VolkSfreihcit, denn sie sinnen stets auf neue
Mittel sie zu unterdrücken. Man nennt diese Leute die Cama-
rilla. An jedem Hofe eristirt eine solche Camarilla, namentlich
aber auch am baierischen. Wir heben diesen ausdrücklich hervor,
weil das Frankfurter Journal, das alte Waschweib, dies vor ei-
nigen Tagen in Abrede zu stellen wußte. Zwar gesteht cs zu,
daß auch der König von Baiern zu Maßregeln verführt werden
könne, die dem Volke sehr verderblich sem können, allein dies
finde bei jedem Menschen statt. Ganz richtig, ebendcßhalb wol-
len wir nicht, daß von dem Willen eines so leicht verführbaren
Menschen das Wohl und Wehe eines ganzen Volkes abhänge.
Ferner behauptet gedachtes Frkf, Journal: der König von Baier-
land beschäftige sich Tag und Nacht unabläßig mit der Frage,
auf welche Weise die Wohlfahrt seines Volkes am sichersten er-
rungen werden könnte. Schade, daß es nicht wahr ist. Wir
kennen die Dinge besser, womit sich Fürsten und Prinzen Tag
und Nacht beschäftigen, bis die Hunderttausende und Millionen
gebraucht sind, die daö Volk an sie zu zahlen mit Gewalt ge-
zwungen wird. Aber wäre dem auch so, wer hat denn dem
Maximilian Wittelsbach den Auftrag erthesit, für die Wohlfahrt

der Baiern und Nheinpfälzer zu sorgen? Die Leute sind doch
alle erwachsen und mündig, wozu brauchen sie einen Vormund,
und noch dazu einen so theuren Vormund? Kommt da mir nichts
dir nichts der Sohn Ludwigs WittclSbachS, der Stiefsohn von
Lola Montes gelaufen, und fängt an für die Wohlfahrt des
Volkes in Baiern und Rheinpfalz zu sorgen, aber wie gesagt,
nicht umsonst, sondern gegen jährlichen Lohn von drei Millio-
nen Gulden. Ist das nicht merkwürdig? ist das nicht ganz cu-
rios? Muß das am Ende nicht den Leuten selbst auffallen,
müssen sie nicht darüber nachdenken, daß es denn doch ein wun-
derliches Begehren sei, nur so mir nichts dir nichts sich zum
Wohlfahrtsbesorger eines ganzen Volkes aufzuwerfen, und zwar
ohne um Jemandens Einwilligung zu fragen, und sich dann diese
Millionen bezahlen zu lassen. Darüber müssen am Ende die Leute
Nachdenken; und wenn sie darüber nachdeu, und längere Zeit nach-
denken, so sind die Fürsten verloren. Eben deßhalb suchen diese
jenes Nachdenken zu verhindern, und dies geschieht dadurch, daß
gegen alle Mittel angekämpft wird, durch welche das Volk auf-
geklärt werden könnte. Wenn daher der neugebackene König von
Baiern so besorgt für die Freiheit seines Volkes ist, so lasse er
auch einmal etwas von sich hören. Er löse einmal das ganze
stehende Heer auf und führe die Wehrverfassung der Schweizer
ein; dann löse er das sitzende Heer der Beamten auf und lasse
das Volk seine Beamten selbst wählen; dann ziehe er sämmtliches
Kirchenvermögen ein und thcile es an die Gemeinden aus, und
sage, wer einen Pfaffen braucht, soll ihn aus seinem eigenen
Beutel bezahlen — und wenn er dieses gethan hat, dann danke
er ab. — Sobald wir vom Baierukönig solches vernehmen, wer-
den wir ihm augenblicklich das Zeugniß ausstellen, daß er der
freisinnigste aller Civillisten - Verzehrer und auf das Wohl des
Baiernvölkes sehr bedacht sei.
* Heidelberg, 23. Dez. Die Seeblättcr, deren Re-
dacteur, Letour, jetzt wieder auf freiem Fuße sich befindet,
erzählen auS Berlin:
Die Hofeqnipagen rasseln wieder mit ihren Vorreitern
durch die freudestrahlende Stadt, die Prinzen zeigen sich in
offenen russischen Brischken und werden mit Jubel empfangen.
Die Course steigen, die Börsenmänuer gehen mit glänzenden
Gesichtern einher. Berlin wird eine» » brillanten" Winter
haben und die Hauptstadt von Deutschland sein. Der König
wird Kaiser, Wränget Felbmarschall, Gagern Ministerpräsi-
dent und der Kaiser von Rußland kommt sicherlich zu Besuch.
Inzwischen ist der Prinz Carl von Baiern dagewesen, um ge-
gen das Hoheuzollern'sche Kaiserthum zu prorestiren. Baiern
möchte diesen Prinzen nach der Abdankung des Erzherzogs Jo-
hann zum Neichsverweser machen. Dagegen Hai man hier den
Plan, die Neichsverweserschaft, falls man mit Baiern nicht
anders fertig werden kann, für den Prinz Karl von Preußen
wegzufischen. Auch ist es ernstlich im Werke, die preußische
Monarchie, im Fall der König Kaiser werden sollte, zu thei-
len. Der König hat wieder ganz seinen alten phantastisch-
romantischen Humor. Als Gagern sich beurlaubte, sagte er
zu ihm: Und nun mein lieber Gagern, Geduld, Geduld, Ge-
duld ! Geduld überwindet Sauerkraut! Gagern etwas stutzend
über die Leichtigkeit der Potsdamer Weltanschauung, erwiderte:
»Nein Ew. Majestät, es steht geschrieben, »Und Fluch vor
Allem der Geduld!" »Ja, meinte Friedrich Wilhelm, so
sprach Faust, als er sich dem Teufel verschrieb, das aber
wollen wir hübsch bleiben lassen.» Voltaire sagte: wer etwas
Großes zu Stande bringen wolle, müsse sich dem Teufel über-
geben, der fromme Preußenkönig aber gedenkt die deutsche Kai-
serkrone auf dem Sauerkraute zu verspeisen, soll sich aber in
Acht nehmen, daß nicht er als Dürrfleisch mitgespeist wird,
wenn das Volk sein Frühstück cinnimmt.
 
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