Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

DOI Heft:
1. Heft
DOI Artikel:
Térey, Gábor: Die Greco-Bilder der Sammlung Nemes
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0027

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIE GRECO-BILDER DER SAMMLUNG NEMES

gefchaffen hat. Aber zurzeit
will es ein ganz befonders
günftiges Schickfal, daß Buda-
pe[t eine ganze Reihe bedeu-
tender Grecos beherbergt, die
erftklaffig genannt werden kön-
nen und mit lebendiger Sprache
uns des Meifters ureigenftes
Element vermitteln. Dank der
raftlofen Bemühungen und dem
fichern Kennerblick des königl.
Rates Marcel von Nemes ift es
gelungen, nicht weniger als
fünf Werke des Meifters nach
Budapeft zu bringen. Nun find
fie im Mufeum der bildenden
Künfte ausgeftellt, feltene und
willkommene Gäfte, die man
fchnell und leidenfchaftlich lieb
gewonnen hat. Sie bilden den
Clou jener ausgewählten und
exquifiten Kollektion von ein-
undachtzig Nemesfchen Bildern,
die eine wahre Augenweide
und Quelle äfthetifchen Genuffes
für den Kunftliebenden find.

Betrachten wirzunächft „Chri-
ftus am Ölberg“. Im Vorder-
gründe des Bildes lagern die
Jünger in eigenartiger Stellung
und Anordnung. Ihre Kleider
leuchten und verraten im Spiel ihrer Falten und der verblüffenden Eigenart ihrer Töne
den Sucher Greco, der auch mit einem Gewand etwas fagen konnte. Und fo wie beim
Begräbnis des Grafen Orgäz nach der unteren Hauptgruppe keine Steigerung mehr möglich
fchien und doch möglich ift, fo auch auf diefem Bilde. Hoch oben, auf feltener grüner
Wiefe erfcheint der Engel dem knieenden Chriftus. Der Engel ift weißglühend, wie von
innen heraus leuchtend; Chriftus in feinem wallenden karminroten Gewand ftrahlt in
überirdifchem Glanz. Hinter der Szene ragen merkwürdige Gebilde in die Luft. Sind
es die Felfen von Toledo oder find es Wolkenmaffen? Es könnte wohl das Hoch-
plateau von Toledo fein, denn hinten in der Nacht ahnt man die weite Ebene, es
blicken ein paar Fackelträger geheimnisvoll in ihr auf, die Chriftus wegführen — aber
ganz entfernt wie eine Vifion. Und ebenfo ftark, wie diefes Bild, wirkt auf uns das
daneben hängende „Die große heilige Familie mit der gläfernen Fruchtfchale“. In einer
wetterleuchtenden Atmofphäre von bläulich weißen, kalten Tönen thront Maria. Ihr
langes fchmales Geficht mit dem leichten Schatten unter den dunklen Augen hat einen
Anhauch von Kränklichkeit und Schwermut, der einen feltenen Kontraft bildet zu dem
jugendlichen Liebreiz ihres Ausdruckes. Weit umßattert fie ein farbiges Gewand,

4
 
Annotationen