Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911
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SAMMLUNGEN
Mitteldeutfcher Meifter
um 1475
Braunfdiweig,
Herzogi. Mufeum
nur ganz wenige, die man miffen mödite. Huf
Schund hat Vafel grundfalsch verzichtet. Immer
hat er bei feinen Änkäufen auf tadellofe Er-
haltung und auf Güte des Abdrucks das größte
Gewicht gelegt. Infolgedeffen fteht feine Samm-
lung, was Qualität anlangt, auf einer beträcht-
lichen Höhe. Die Gefchäftsverbindung mit dem
im Jahre 1900 verftorbenen Dresdener Kunft-
händler Franz Meyer, die bis in die erften An-
fänge feiner Sammlertätigkeit zurückreichte und
aus der fich bald eine warme Freundfchaft ent-
wickelte, fcheint nicht ohne Einfluß auf die Rich-
tung und den Gefchmack Vafels gewefen zu
fein. So hatte er für den mächtigen Auffchwung,
den die graphifchen Künfte gerade in den lebten
Jahrzehnten wieder genommen haben, nur ge-
ringes Intereffe. Der Gedankenwelt Klin-
gers z. B. ftand er fremd gegenüber. Wenn
von diefem ein paar Blätter in feiner
Sammlung vorhanden find, fo find fie
jedenfalls mehr durch Zufall als mit Ab-
ficht hineingekommen. Mit um fo größe-
rem Eifer fammelte er das, was ihn von
der älteren Kunft anzog und innerlich be-
rührte. Wie jeder leidenfchaftlidie Samm-
ler hatte er feine erklärten Lieblinge,
deren Werke er fo vollzählig wie mög-
lich zufammenzubringen bemüht war. Da
ift in erfter Linie Chodowiecki zu nennen.
Wie es fcheint, fehlen nur zwei Blätter.
Nur feiten wird man in einer Privat-
fammlung das Werk diefes Künftlers in
fo vorzüglichen Abdrücken mit fo viel
verfchiedenenZuftänden antreffen. Großen
Genuß vermag ferner das Werk von
Chodowieckis franzöfifchem Zeitgenoffen
Boiffieu zu gewähren, das bis auf 15Blätter
vollständig ift. Von Dietrich, deffen Ra-
dierungen Vafel ebenfalls fehr liebte,
fehlen nur 13 Blätter. Oftade ift vollftän-
dig vorhanden, van Dycks Ikonographie
ebenfo bis auf fechs Bläiter. Von den
Künftlern des 19. Jahrhunderts hat Vafel
mit Vorliebe Ludwig Richter und Schwind,
Bürkner und L. Friedrich gefammelt. Von
Preller hat er fämtliche Radierungen in
faft allen Zuftänden zufammengebracht.
Einen ganz befonderen Hinweis verdient
Vafels Menzelfammlung, die er mit Stolz
jedem Befudier zeigte, bei dem er einiges
Verftändnis für den Wert diefer Blätter
vorausfet$te. Ihre Bedeutung beruht vor
allem auf den frühen Lithographien, um
deren Befilj uns jetjt die größeren öffent-
lichen Kupferftichkabinette beneiden kön-
nen. Groß ift ferner die Zahl der farbigen
Stiche und Farbendrucke, die Vafel zu
einer Zeit erworben hat, wo man noch keine
Ahnung von den wahnfinnigen Preifen hatte, die
heute dafür gezahlt werden.
Aus diefer kurzen Überßdit läßt fich fchon er-
kennen, daß das 17., 18. und 19. Jahrhundert
die Hauptftärke von Vafels Sammlungen aus-
machen. Damit foll aber nicht gefagt fein, daß
die graphifche Kunft des 15. und 16. Jahrhun-
derts nur ungenügend darin vertreten wäre. Für
die geringere Fülle entfchädigen hier allerhand
Seltenheiten, wie z. B. der fegnende Chriftus
in Halbßgur vom Meifter E. S. von 1467 und
die zweite Ausgabe des Drachfchen Spiegels
der menfchlichen Behältnis mit den Holzfchnitten
des Hausbuchmeifters, die fonft nur noch in
einigen Bibliotheken nachweisbar ift.
16
Mitteldeutfcher Meifter
um 1475
Braunfdiweig,
Herzogi. Mufeum
nur ganz wenige, die man miffen mödite. Huf
Schund hat Vafel grundfalsch verzichtet. Immer
hat er bei feinen Änkäufen auf tadellofe Er-
haltung und auf Güte des Abdrucks das größte
Gewicht gelegt. Infolgedeffen fteht feine Samm-
lung, was Qualität anlangt, auf einer beträcht-
lichen Höhe. Die Gefchäftsverbindung mit dem
im Jahre 1900 verftorbenen Dresdener Kunft-
händler Franz Meyer, die bis in die erften An-
fänge feiner Sammlertätigkeit zurückreichte und
aus der fich bald eine warme Freundfchaft ent-
wickelte, fcheint nicht ohne Einfluß auf die Rich-
tung und den Gefchmack Vafels gewefen zu
fein. So hatte er für den mächtigen Auffchwung,
den die graphifchen Künfte gerade in den lebten
Jahrzehnten wieder genommen haben, nur ge-
ringes Intereffe. Der Gedankenwelt Klin-
gers z. B. ftand er fremd gegenüber. Wenn
von diefem ein paar Blätter in feiner
Sammlung vorhanden find, fo find fie
jedenfalls mehr durch Zufall als mit Ab-
ficht hineingekommen. Mit um fo größe-
rem Eifer fammelte er das, was ihn von
der älteren Kunft anzog und innerlich be-
rührte. Wie jeder leidenfchaftlidie Samm-
ler hatte er feine erklärten Lieblinge,
deren Werke er fo vollzählig wie mög-
lich zufammenzubringen bemüht war. Da
ift in erfter Linie Chodowiecki zu nennen.
Wie es fcheint, fehlen nur zwei Blätter.
Nur feiten wird man in einer Privat-
fammlung das Werk diefes Künftlers in
fo vorzüglichen Abdrücken mit fo viel
verfchiedenenZuftänden antreffen. Großen
Genuß vermag ferner das Werk von
Chodowieckis franzöfifchem Zeitgenoffen
Boiffieu zu gewähren, das bis auf 15Blätter
vollständig ift. Von Dietrich, deffen Ra-
dierungen Vafel ebenfalls fehr liebte,
fehlen nur 13 Blätter. Oftade ift vollftän-
dig vorhanden, van Dycks Ikonographie
ebenfo bis auf fechs Bläiter. Von den
Künftlern des 19. Jahrhunderts hat Vafel
mit Vorliebe Ludwig Richter und Schwind,
Bürkner und L. Friedrich gefammelt. Von
Preller hat er fämtliche Radierungen in
faft allen Zuftänden zufammengebracht.
Einen ganz befonderen Hinweis verdient
Vafels Menzelfammlung, die er mit Stolz
jedem Befudier zeigte, bei dem er einiges
Verftändnis für den Wert diefer Blätter
vorausfet$te. Ihre Bedeutung beruht vor
allem auf den frühen Lithographien, um
deren Befilj uns jetjt die größeren öffent-
lichen Kupferftichkabinette beneiden kön-
nen. Groß ift ferner die Zahl der farbigen
Stiche und Farbendrucke, die Vafel zu
einer Zeit erworben hat, wo man noch keine
Ahnung von den wahnfinnigen Preifen hatte, die
heute dafür gezahlt werden.
Aus diefer kurzen Überßdit läßt fich fchon er-
kennen, daß das 17., 18. und 19. Jahrhundert
die Hauptftärke von Vafels Sammlungen aus-
machen. Damit foll aber nicht gefagt fein, daß
die graphifche Kunft des 15. und 16. Jahrhun-
derts nur ungenügend darin vertreten wäre. Für
die geringere Fülle entfchädigen hier allerhand
Seltenheiten, wie z. B. der fegnende Chriftus
in Halbßgur vom Meifter E. S. von 1467 und
die zweite Ausgabe des Drachfchen Spiegels
der menfchlichen Behältnis mit den Holzfchnitten
des Hausbuchmeifters, die fonft nur noch in
einigen Bibliotheken nachweisbar ift.
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