Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911
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2. Heft
DOI article:Rundschau - Sammlungen
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SAMMLUNGEN
ST. MORITZ Dem SEGANTINI-MUSEUN
droht ein fchwerer Verluft, der nicht nur für
Graubünden fondern für die ganze Schweiz fehr
empfindlich wäre. Segantinis Triptychon der
Älpenwelt „Werden, Sein, Vergehen“, das als
letztes gewaltiges Werk des Meifters im Mufeum
deponiert ift, foll ins Ausland verkauft werden.
Ein Aufruf in der Schweizerpreffe, der die
Engadiner auffordert alles zu tun, damit der
Verkauf nicht zuftande komme, schreibt mit
Recht: „Wer ift derjenige, der Geld genug und
so wenig Pietät befit^t, um es Segantini antun
zu wollen, daß fein größtes Werk über feine
Berge der Stätte entriffen werde, die treues
Gedenken ihm bereitete?“ Es ift zu hoffen,
daß in Graubünden die Mittel aufgebracht werden
um das fo originelle und würdige Segantini-
denkmal zu St. Moriß vor dem unerfet$lichen
Verluft zu bewahren. ]. C.
OLDENBURG i. Gr. Die bisher nur maga-
zinartig aufgebaute Sammlung im KUNSTGE-
WERBEMUSEUM hat unter Leitung des neuen
Direktors Dr. Raspe eine völlige Neuaufteilung
erfahren. Gleichzeitig konnte das Mufeum durch
Eingliederung der bisherigen Wohnräume des
früheren Direktors, Prof. Narten, erweitert wer-
den. Erft diefe Umftellung läßt zahlreiche, bis-
her fo gut wie unbekannte Sammlungsgegen-
ftände von hervorragender Schönheit gebührend
zur Geltung kommen, fo daß fich das Mufeum
jeljt mit Recht zu den Sehenswürdigkeiten Nord-
weftdeutfchlands zählen darf.
In den Räumen des erften Stocks konnten Stil-
zimmer eingerichtet werden, wobei freilich die
verfchiedene, einmal feftgelegte Zimmergröße
(des einftigen Privathaufes) manche Befchränkung
veranlaßte. Eine gute Sammlung von Einrich-
tungsftücken Oldenburger Apotheken ift ebenfo
wie die Zunft- und Oldenburger Sammlung in
je einem befonderen Raum vereinigt. Das größte
Zimmer erhielten die kunftgewerblichen Erzeug-
niffe aus der langen Regierungszeit des Grafen
Änton Günther von Oldenburg (erfte Hälfte des
17. Jahrhunderts), was fich fchon durch den Auf-
bau eines Sandfteinkamins mit reichem Ohrmufchel-
ornament ergab. Die Kleinkunftwerke, die bis-
her unerkannt in ihrem Werte inmitten minder-
wertiger Sachen lagen, find nunmehr zeitlich in
Schaukäften geordnet; zu ihnen gehören einige
wenige Beifpiele von einzigartiger Vollendung
und kunftgewerblich hoher Bedeutung, vor allem
folche aus der Frührenaiffancezeit. Die keramifche
Abteilung ift fyftematifch geordnet, wobei indeffen
zugleich einer äfthetifch befriedigenden Aufhel-
lung Rechnung getragen wurde. Unter den zahl-
reichen kirchlichen Sachen — größtenteils aus
dem Oldenburger Lande felbft — heben fich wieder
mehrere Arbeiten der Kleinkunft und der Groß-
plaftik durch Schönheit und Seltenheit heraus;
fie find teils in einem Vorzimmer, teils in einem
großen, gewölbten, für kirchliche Altertümer fehr
geeigneten Saal untergebracht. Ein anderes
Zimmer vereinigt eine zum erftenmal ausgewählte
und wiffenfdiaftlich geordnete Sammlung von
Beftecken, Bucheinbänden und Kleingerät; eine
Hauptfehenswürdigkeit diefes Raumes ift der
große koftbare Gobelin franzöfifchen Fabrikats
mit grotesken Ornamenten nach Stichen Jean
Berains.
Im zweiten Stock ift neben der bemerkens-
werten Schmiedeeifenfammlung ein Teil der reichen
Textilienabteilung zu befichtigen. Ferner hat
dort der Beftand an Oldenburger Bauernmöbeln,
Geräten und Trachten Unterkommen gefunden;
die Nachbarfchaft von Oftfriesland, der Osna-
brücker Gegend, fowie von Bremen, deutet fchon
den auch kunftgewerblich hohen Wert diefer
reich verzierten Möbel und Geräte an.
Die Sammlung fet^t fich — ungetrennt — aus
großherzoglichem Befi§ und aus Erwerbungen
des Kunftgewerbevereins, die der eifrigen Samm-
lertätigkeit des bisherigen Direktors zu danken
find, zufammen. Mit der Neuaufteilung verband
fich auch eine Ausfonderung aller Nachbildungen
undAbgüffe. Zugleich wurden die meiften Samm-
lungsgegenftände bezettelt, fo daß fich der Be-
fucher des Mufeums von jet^t an leicht über
einzelne Stücke unterrichten kann. Aus diefem
Grunde konnte der „Führer“, der am Eröffnungs-
tage erfchienen ift, die Form eines allgemeinen
Wegweifers annehmen und „lesbar“ gemacht
werden; die wichtigften Stücke find hervorge-
hoben, jedoch nicht aufgezählt, fondern dem Ent-
wicklungsgänge des Kunftgewerbes und dem
kulturgefchichtlichen Rahmen eingeordnet; Ab-
bildungen konnten bei der kurzen Frift nicht
hinzugefügt werden, füllen aber vorausfidhtlich
in einem befonderen Heft erfcheinen.
Das Mufeum wurde am 9. Dezember vom Groß-
herzog und einer großen geladenen Gefellfchaft
feierlich eröffnet.
ROM Das MUSEO PAPA GIULIO wird jefet
um einen ganzen großen Flügel bereichert, in
dem die vielen neuen Funde aus Südetrurien
und Latium unter der Leitung des Dr. A. della
Seta wiffenfchaftlich aufgeftellt werden. L. P.
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ST. MORITZ Dem SEGANTINI-MUSEUN
droht ein fchwerer Verluft, der nicht nur für
Graubünden fondern für die ganze Schweiz fehr
empfindlich wäre. Segantinis Triptychon der
Älpenwelt „Werden, Sein, Vergehen“, das als
letztes gewaltiges Werk des Meifters im Mufeum
deponiert ift, foll ins Ausland verkauft werden.
Ein Aufruf in der Schweizerpreffe, der die
Engadiner auffordert alles zu tun, damit der
Verkauf nicht zuftande komme, schreibt mit
Recht: „Wer ift derjenige, der Geld genug und
so wenig Pietät befit^t, um es Segantini antun
zu wollen, daß fein größtes Werk über feine
Berge der Stätte entriffen werde, die treues
Gedenken ihm bereitete?“ Es ift zu hoffen,
daß in Graubünden die Mittel aufgebracht werden
um das fo originelle und würdige Segantini-
denkmal zu St. Moriß vor dem unerfet$lichen
Verluft zu bewahren. ]. C.
OLDENBURG i. Gr. Die bisher nur maga-
zinartig aufgebaute Sammlung im KUNSTGE-
WERBEMUSEUM hat unter Leitung des neuen
Direktors Dr. Raspe eine völlige Neuaufteilung
erfahren. Gleichzeitig konnte das Mufeum durch
Eingliederung der bisherigen Wohnräume des
früheren Direktors, Prof. Narten, erweitert wer-
den. Erft diefe Umftellung läßt zahlreiche, bis-
her fo gut wie unbekannte Sammlungsgegen-
ftände von hervorragender Schönheit gebührend
zur Geltung kommen, fo daß fich das Mufeum
jeljt mit Recht zu den Sehenswürdigkeiten Nord-
weftdeutfchlands zählen darf.
In den Räumen des erften Stocks konnten Stil-
zimmer eingerichtet werden, wobei freilich die
verfchiedene, einmal feftgelegte Zimmergröße
(des einftigen Privathaufes) manche Befchränkung
veranlaßte. Eine gute Sammlung von Einrich-
tungsftücken Oldenburger Apotheken ift ebenfo
wie die Zunft- und Oldenburger Sammlung in
je einem befonderen Raum vereinigt. Das größte
Zimmer erhielten die kunftgewerblichen Erzeug-
niffe aus der langen Regierungszeit des Grafen
Änton Günther von Oldenburg (erfte Hälfte des
17. Jahrhunderts), was fich fchon durch den Auf-
bau eines Sandfteinkamins mit reichem Ohrmufchel-
ornament ergab. Die Kleinkunftwerke, die bis-
her unerkannt in ihrem Werte inmitten minder-
wertiger Sachen lagen, find nunmehr zeitlich in
Schaukäften geordnet; zu ihnen gehören einige
wenige Beifpiele von einzigartiger Vollendung
und kunftgewerblich hoher Bedeutung, vor allem
folche aus der Frührenaiffancezeit. Die keramifche
Abteilung ift fyftematifch geordnet, wobei indeffen
zugleich einer äfthetifch befriedigenden Aufhel-
lung Rechnung getragen wurde. Unter den zahl-
reichen kirchlichen Sachen — größtenteils aus
dem Oldenburger Lande felbft — heben fich wieder
mehrere Arbeiten der Kleinkunft und der Groß-
plaftik durch Schönheit und Seltenheit heraus;
fie find teils in einem Vorzimmer, teils in einem
großen, gewölbten, für kirchliche Altertümer fehr
geeigneten Saal untergebracht. Ein anderes
Zimmer vereinigt eine zum erftenmal ausgewählte
und wiffenfdiaftlich geordnete Sammlung von
Beftecken, Bucheinbänden und Kleingerät; eine
Hauptfehenswürdigkeit diefes Raumes ift der
große koftbare Gobelin franzöfifchen Fabrikats
mit grotesken Ornamenten nach Stichen Jean
Berains.
Im zweiten Stock ift neben der bemerkens-
werten Schmiedeeifenfammlung ein Teil der reichen
Textilienabteilung zu befichtigen. Ferner hat
dort der Beftand an Oldenburger Bauernmöbeln,
Geräten und Trachten Unterkommen gefunden;
die Nachbarfchaft von Oftfriesland, der Osna-
brücker Gegend, fowie von Bremen, deutet fchon
den auch kunftgewerblich hohen Wert diefer
reich verzierten Möbel und Geräte an.
Die Sammlung fet^t fich — ungetrennt — aus
großherzoglichem Befi§ und aus Erwerbungen
des Kunftgewerbevereins, die der eifrigen Samm-
lertätigkeit des bisherigen Direktors zu danken
find, zufammen. Mit der Neuaufteilung verband
fich auch eine Ausfonderung aller Nachbildungen
undAbgüffe. Zugleich wurden die meiften Samm-
lungsgegenftände bezettelt, fo daß fich der Be-
fucher des Mufeums von jet^t an leicht über
einzelne Stücke unterrichten kann. Aus diefem
Grunde konnte der „Führer“, der am Eröffnungs-
tage erfchienen ift, die Form eines allgemeinen
Wegweifers annehmen und „lesbar“ gemacht
werden; die wichtigften Stücke find hervorge-
hoben, jedoch nicht aufgezählt, fondern dem Ent-
wicklungsgänge des Kunftgewerbes und dem
kulturgefchichtlichen Rahmen eingeordnet; Ab-
bildungen konnten bei der kurzen Frift nicht
hinzugefügt werden, füllen aber vorausfidhtlich
in einem befonderen Heft erfcheinen.
Das Mufeum wurde am 9. Dezember vom Groß-
herzog und einer großen geladenen Gefellfchaft
feierlich eröffnet.
ROM Das MUSEO PAPA GIULIO wird jefet
um einen ganzen großen Flügel bereichert, in
dem die vielen neuen Funde aus Südetrurien
und Latium unter der Leitung des Dr. A. della
Seta wiffenfchaftlich aufgeftellt werden. L. P.
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