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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0101

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LITERATUR

Januarheft ift eine Studie Edmond Clerays über
Madame Filleule, eine Zeitgenoffin der Lebrun
hervorzuheben.

Über die Spifeenkunft in Saint Gail veröffent-
licht F. Gos eine reich illuftrierte, hiftorifch wert-
volle Studie in L’art decoratif, die in der gleichen
Nummer den Maler Lebasque als Zeichner be-
kannt macht und einen Überblick über neue
Verfuche in der Architektur gibt.

Art und Decoration haben in ihren lebten
Nummern überrafchend gute Beifpiele moderner
franzöfifcher Innenkunft veröffentlicht; daneben
eine ernfte Studie von Francois Gos über Leo
Pu6- Aus der Grande revue ift eine geiftreiche
Studie von Charles Oulmont über die Satire in
der vlämifchen Malerei anzumerken, aus der
Revue ein fchöner Vortrag Rodins über Zeich-
nung und Farbe, eine Studie von Gabriel
Trarieuse über florentinifche Medaillen und eine
Betrachtung über Plaftik und Malerei der Neger-
völker von Frances Hoggan. 0. G.

Soeben ift der „Illuftratore Fiorentino“
für das Jahr 1911, das achte Bändchen eines
von dem verdienftvollen Florentiner Lokalforfcher
Guido Carocci herausgegebenen hiftorifchen
Kalenders erfchienen, auf deffen vielfach fehr
intereffanten Inhalt hier hingewiefen fei.1 *) Über
das römifche Amphitheater in Florenz gibt A.
Guerri neue Nachrichten. Der Canonico Dr.
G. B. Riftori iiluftriert das Ciborium der Robbia-
werkftatt in S. S. Apoftoli, der Padre P. L. Fer-
retti die Kirche der Madonna della Quercia bei
Viterbo, der Herausgeber die Sakriftei von S.
Croce und die romanifche Porticus vor der Kirche
S. Jacopo Soprarno. Der Vallombrofanermönch
D. F. Tarani erläutert die von Prof. Giufeppe
Caftellucci vorgefchlagene Rekonftruktion des
Monumentes für den Ordensgründer S. Giovanni
Gualberto von Benedetto da Rovezzano. Alfredo
Chiti befchreibt das hübfehe, bisher Roffellino
oder Mino da Fiefole benannte Madonnenrelief
im Palazzo Comunale zu Piftoja, ohne fich für
einen beftimmten Meifter auszufprechen, Guido
Carocci liefert einen Beitrag über die alten
Florentiner Türme jenfeits des Arno, Giufeppe
Caftellucci teilt ein Dokument über die Wand-
brunnen Buggianos im Dom zu Florenz mit,
Alberto Chiappelli fucht die Aufmerkfamkeit der
Forfcher auf ein Fresko des Sebaftiano Vini aus
Verona in S. Defiderio zu Piftoia zu ziehen. Der
in mancher Beziehung ergebnisreichfte Beitrag
rührt von dem Herausgeber her und handelt
von den Werkftätten der Florentiner Künftler
und Handwerker.

In Florenz, wie in vielen anderen Städten

1 Firenze, Tipografia Ärcivescovile, 1910.

Italiens, häuften feit alten Zeiten die Artigiani
und Artifti in beftimmten Straßen. So hatten
nach Caroccis Feftftellungen die Goldfehmiede
ihre Läden in Via degli Orafi, jet^t Via dei Fede-
righi, in Via Calimara, am Mercato Nuovo, und
feit der Herrfchaft der Medici auf dem Ponte
Vecchio, während die Maler ihre Werkftätten
meift am Corfo dei Pittori hatten, der jetjt in die
Via Calzajuoli inkorporiert ift. Die Schwertfeger
(Spadai) hatten ihre Schmieden und Verkaufs-
läden in den älteften Zeiten in einem Gäßchen
neben der Kirche Sant’ Andrea und fpäter in
Via degli Spadai, der heutigen Via Martelli, die
ihren Namen nach jener reichften der Florentiner
Schwertfegerfamilien führt. Die Werkftätten der
Fabbri gruppierten fich meift um den Mercato
Vecchio und Via Ferravecchi, während die
Waffenhändler in der Via Corte Mozza, die jeljt
ein Teil der Via dei Moro ift, die Harnifch-
macher (Corazzai) am Corfo degli Adimari
und in Via dei Pucci, und die Arche-
bufieri in dem nach ihnen benannten Teil des
Lung’ arno häuften. Die Cofanari, aus deren
Händen die Truhe, das Lieblingsmöbel der
italienifchen Renaiffance hervorging, wohnten
und arbeiteten in Via dei Cocomero, jet^t Via
Ricafoli. Die Trödlerzunft, zu der auch die
Möbelhändler und die Tapezierer gehörten, be-
faß ihre Läden in Via dei Rigattieri, jet^t Via
Brunellefchi und in Via Pellicceria, welche auch
die Läden der Pelzhändler enthielt. Die Werk-
ftätten und Läden der Tifchler und Zimmerleute
verteilten fich auf drei Straßen: Via Tornabuoni,
Via dei Medici und Via delle Brache. Die zahl-
reichen Gefchäfte der Wollweberzunft, der mäch-
tigften der Florentiner Korporationen, die im
Jahre 1338 nach Giovanni Villanis Angabe 30000
Menfchen befchäftigte, erftreckten fich über die
ganze Stadt. Die meiften Zünfte befaßen ihre
eigenen Amtshäufer, von denen nur noch ganz
wenige exiftieren1).

Guido Carocci, der aus feinem pach vielen
Taufenden zählenden Excerptenmaterial aus dem
Katafterarchiv diefe Angaben zufammengeftellt
hat, gibt feit dem Jahre 1881 die Zeitfchrift
„Arte e Storia“ heraus, deren dreißigfter Jahr-
gang, wie die früheren, manchen wertvollen
Beitrag zur Kunft und zur Gefchichte Italiens
bringen wird. Die Mitarbeiter am erften Bande
von „Arte e Storia“, Veteranen der italienifchen
Kunftwiffenfchaft, beabfichtigen, den dreißigften
Geburtstag diefer älteften italienifchen Fachzeit-
fchrift durch Beiträge zu feiern, die von ihrer
noch ungebrochenen Arbeitskraft Zeugnis ablegen
follen. W. B.

*) S. Florentiner Zunft- und Ämtshäufer, in der Zeit-
l'chrift für Bildende Kunft, 1910, p. 93—102.

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