Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0154
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4. Heft
DOI Artikel:Braun, Edmund Wilhelm: Die Sammlung von Porträtminiaturen des Herrn Dr. Ludwig von Flesch-Festau in Wien
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Äbb. 17 Äbb. 16
öfterreichifche Provinzkunft der fpäten Empirezeit in der Miniatur, deren Hauptver-
treter in Wien etwa Adalbert Suchy war. In weißem, hochgegürtetem, eng anliegendem
Kleid, um die Schultern den indifchen Schal mit goldenem Palmblattmufter fteht die
Dame neben einer Säule auf Poftament, umwunden mit Blumengirlanden mit der ein-
gemeißelten Infchrift > alfo -der ehelichen (hochzeitlichen) Liebe“, offenbar
ein Braut- oder Hochzeitsgefchenk, das die Dame für den Gatten beftimmt hatte. Der
Sockel trägt unten die Bezeichnung „Gaetono Äntedicola pinx. Trieste 1816“.
Wertvoll ift die Sammlung Flefch außer an Miniaturen von Wiener Meiftern be-
fonders an folchen von franzöfifcher Provenienz. Da ift zunächft eine kleine, ovale
Elfenbeinplatte (Äbb. 12, 5,4X4,5 cm) mit dem frifchen Bruftbild einer jungen Dame,
die englifche Jacke und das Hemd mit dem Halskragen geöffnet, fo daß der Hals und
der obere Teil der Bruft entblößt find. Gleich nachläffig trägt fie das blonde, ge-
puderte Haar, wirr nach allen Seiten ftehend. Die ganze ungebundene, freiheitsdurftige
Stimmung aus dem Beginn der Revolution lebt in diefem ungezwungenen Porträt. Die
du Barry hat fich einmal ähnlich von Hubert Drouais porträtieren laffen. Der Maler
unferer Miniatur ift ftark von der Art des größten unter den franzöfifchen Miniatur-
porträtiften, des Hall, beeinflußt worden.
Aus derfelben Zeit wohl ftammt die runde Miniatur mit dem Bruftbild eines ruhig
mit dunklen, klugen Äugen geradeaus blickenden Herrn (Äbb. 13, Durchmeffer 6,5 cm)
in lila Sammetrock, deffen oberfter Knopf allein zugeknöpft ift, mit hellblauer Wefte und
Spißenjabot fowie weißgepudertem Haar. Das Porträt in feinen feinen, blauen Tönen
fteht vor einem Hintergrund, der rechts ftahlblau, links graublau gehalten ift. Virtuos
ift der matte, in den Tiefen dunkler fchimmernde Glanz des Sammetftoffes gemalt, das
ganze Bild wirkt aber, auch abgefehen von feinem hohen, koloriftifchen Reiz, fo frei
und intim, pfychologifch fo meifterhaft gefaßt, daß man den Eindruck hat, hier nicht
die Arbeit eines berufsmäßigen Miniaturiften vor fich zu haben, fondern den einzelnen
Verfuch eines anderen bedeutenden Malers.
PORTRÄTMINIATUREN-SÄMMLUNG VON LUDWIG VON FLESCH-FESTAU
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öfterreichifche Provinzkunft der fpäten Empirezeit in der Miniatur, deren Hauptver-
treter in Wien etwa Adalbert Suchy war. In weißem, hochgegürtetem, eng anliegendem
Kleid, um die Schultern den indifchen Schal mit goldenem Palmblattmufter fteht die
Dame neben einer Säule auf Poftament, umwunden mit Blumengirlanden mit der ein-
gemeißelten Infchrift > alfo -der ehelichen (hochzeitlichen) Liebe“, offenbar
ein Braut- oder Hochzeitsgefchenk, das die Dame für den Gatten beftimmt hatte. Der
Sockel trägt unten die Bezeichnung „Gaetono Äntedicola pinx. Trieste 1816“.
Wertvoll ift die Sammlung Flefch außer an Miniaturen von Wiener Meiftern be-
fonders an folchen von franzöfifcher Provenienz. Da ift zunächft eine kleine, ovale
Elfenbeinplatte (Äbb. 12, 5,4X4,5 cm) mit dem frifchen Bruftbild einer jungen Dame,
die englifche Jacke und das Hemd mit dem Halskragen geöffnet, fo daß der Hals und
der obere Teil der Bruft entblößt find. Gleich nachläffig trägt fie das blonde, ge-
puderte Haar, wirr nach allen Seiten ftehend. Die ganze ungebundene, freiheitsdurftige
Stimmung aus dem Beginn der Revolution lebt in diefem ungezwungenen Porträt. Die
du Barry hat fich einmal ähnlich von Hubert Drouais porträtieren laffen. Der Maler
unferer Miniatur ift ftark von der Art des größten unter den franzöfifchen Miniatur-
porträtiften, des Hall, beeinflußt worden.
Aus derfelben Zeit wohl ftammt die runde Miniatur mit dem Bruftbild eines ruhig
mit dunklen, klugen Äugen geradeaus blickenden Herrn (Äbb. 13, Durchmeffer 6,5 cm)
in lila Sammetrock, deffen oberfter Knopf allein zugeknöpft ift, mit hellblauer Wefte und
Spißenjabot fowie weißgepudertem Haar. Das Porträt in feinen feinen, blauen Tönen
fteht vor einem Hintergrund, der rechts ftahlblau, links graublau gehalten ift. Virtuos
ift der matte, in den Tiefen dunkler fchimmernde Glanz des Sammetftoffes gemalt, das
ganze Bild wirkt aber, auch abgefehen von feinem hohen, koloriftifchen Reiz, fo frei
und intim, pfychologifch fo meifterhaft gefaßt, daß man den Eindruck hat, hier nicht
die Arbeit eines berufsmäßigen Miniaturiften vor fich zu haben, fondern den einzelnen
Verfuch eines anderen bedeutenden Malers.
PORTRÄTMINIATUREN-SÄMMLUNG VON LUDWIG VON FLESCH-FESTAU
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