Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0157
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4. Heft
DOI Artikel:Braun, Edmund Wilhelm: Die Sammlung von Porträtminiaturen des Herrn Dr. Ludwig von Flesch-Festau in Wien
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PORTRATMINIATUREN-SAMMLUNG VON LUDWIG VON FLESCH-FESTAU
und breitwallendem Herme-
linmantel, ein Schlachtge-
wühle im Hintergrund; nach
dem Bande des Elefanten-
ordens ein dänifcher König
und zwar Chriftian VI. (1730
bis 1746), noch ganz in der
Tradition der barocken Por-
trätmalerei Frankreichs und
eine direkte Verkleinerung
der allgemein verbreiteten
zahllofen großen Herrfcher-
bilder in Schlöffern und Pa-
läften (Abb. 20, 13X9,3 cm;
auf Pergament).
Der kluge, ftrenge Kopf
eines älteren, dunkelblonden,
glattrafierten Herrn mit Kot-
telette, rotem, weißgefticktem Diplomatenrock und mit einem Großkreuz (Abb. 21,
Durchmeffer 7 cm) ift leider unbekannt. Die Signatur ift die von Domenico Boffi
(D. Boffi Pi 1818), der gegen Ende des 18. Jahrhunderts und im erften Viertel des
19. Jahrhunderts zu den bedeutendften und gefuchteften, reifenden Miniaturmalern ge-
hörte. Wir treffen ihn 1794—1796 in Hamburg, dann in Schweden, in Deutfchland
an verfchiedenen Orten, 1812 in Paris und recht lange, etwa 1814—1826, in Wien.
Und in die Wiener Zeit1 fällt das Porträt diefes Diplomaten (vielleicht eines Eng-
länders), deffen feiner Kopf klar und kräftig vor dem tiefblauen Himmel und den
dunklen Bäumen des Hintergrundes fteht.
Von den englifchen Miniaturen der Flefchfchen Sammlung — ich erwähne mehrere
Englehearts, einen John Smart, einen fonft unbekannten Herman, von dem nur in der
Literatur eine 1839 datierte und im Jahre 1865 im Kenfington Mufeum ausgeftellte
Miniatur vorkommt, endlich ein Tableau von Miniaturen mit Porträts der Königin
Victoria, des Prince Consort und ihrer fämtlicher Kinder, die von G. Faya in den
Jahren 1846—1861 nach Originalen Winterhalters, Sir W. C. Ross und nach eigenen
Aufnahmen gemalt wurden — fei nur eine einzige hier abgebildet, nämlich ein recht-
eckiges Guachebild auf Elfenbein (Abb. 22, 13X9 cm), eine gleichzeitige fehr faubere
Kopie des beliebten Bildes „Blind Fiddler“ von David Wilkie, das 1807 gemalt wurde
und in der Londoner National Gallery hängt (Phot. Hanfftaengl).
Das Berliner Kaifer Friedrich-Mufeum hat übrigens kürzlich eine ßotte Skizze des
Meifters zu diefem Bilde erworben, deffen vortreffliche malerifche Qualitäten und
deffen Verwandtfchaft mit franzöfifchen Genrebildern des 18. Jahrhunderts, von Chardin,
Fragonard und Greuze hervorgehoben wurden.2
1 In demfelben Jahre wurde Boffi in die Wiener Akademie aufgenommen. E.Leifching a.a.O.,S. 179.
2 Amtliche Berichte aus den königl. Kunftfammlungen Berlins. XXXI. 1909/10. S. 243. Abb.
124, S. 251.
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und breitwallendem Herme-
linmantel, ein Schlachtge-
wühle im Hintergrund; nach
dem Bande des Elefanten-
ordens ein dänifcher König
und zwar Chriftian VI. (1730
bis 1746), noch ganz in der
Tradition der barocken Por-
trätmalerei Frankreichs und
eine direkte Verkleinerung
der allgemein verbreiteten
zahllofen großen Herrfcher-
bilder in Schlöffern und Pa-
läften (Abb. 20, 13X9,3 cm;
auf Pergament).
Der kluge, ftrenge Kopf
eines älteren, dunkelblonden,
glattrafierten Herrn mit Kot-
telette, rotem, weißgefticktem Diplomatenrock und mit einem Großkreuz (Abb. 21,
Durchmeffer 7 cm) ift leider unbekannt. Die Signatur ift die von Domenico Boffi
(D. Boffi Pi 1818), der gegen Ende des 18. Jahrhunderts und im erften Viertel des
19. Jahrhunderts zu den bedeutendften und gefuchteften, reifenden Miniaturmalern ge-
hörte. Wir treffen ihn 1794—1796 in Hamburg, dann in Schweden, in Deutfchland
an verfchiedenen Orten, 1812 in Paris und recht lange, etwa 1814—1826, in Wien.
Und in die Wiener Zeit1 fällt das Porträt diefes Diplomaten (vielleicht eines Eng-
länders), deffen feiner Kopf klar und kräftig vor dem tiefblauen Himmel und den
dunklen Bäumen des Hintergrundes fteht.
Von den englifchen Miniaturen der Flefchfchen Sammlung — ich erwähne mehrere
Englehearts, einen John Smart, einen fonft unbekannten Herman, von dem nur in der
Literatur eine 1839 datierte und im Jahre 1865 im Kenfington Mufeum ausgeftellte
Miniatur vorkommt, endlich ein Tableau von Miniaturen mit Porträts der Königin
Victoria, des Prince Consort und ihrer fämtlicher Kinder, die von G. Faya in den
Jahren 1846—1861 nach Originalen Winterhalters, Sir W. C. Ross und nach eigenen
Aufnahmen gemalt wurden — fei nur eine einzige hier abgebildet, nämlich ein recht-
eckiges Guachebild auf Elfenbein (Abb. 22, 13X9 cm), eine gleichzeitige fehr faubere
Kopie des beliebten Bildes „Blind Fiddler“ von David Wilkie, das 1807 gemalt wurde
und in der Londoner National Gallery hängt (Phot. Hanfftaengl).
Das Berliner Kaifer Friedrich-Mufeum hat übrigens kürzlich eine ßotte Skizze des
Meifters zu diefem Bilde erworben, deffen vortreffliche malerifche Qualitäten und
deffen Verwandtfchaft mit franzöfifchen Genrebildern des 18. Jahrhunderts, von Chardin,
Fragonard und Greuze hervorgehoben wurden.2
1 In demfelben Jahre wurde Boffi in die Wiener Akademie aufgenommen. E.Leifching a.a.O.,S. 179.
2 Amtliche Berichte aus den königl. Kunftfammlungen Berlins. XXXI. 1909/10. S. 243. Abb.
124, S. 251.
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