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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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4. Heft
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Ausstellungen
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AUSSTELLUNGEN

Holzfchnißereien. — Ift Kokofchka zweifellos
das eigenartigfte, fo ift Erwin Lang das reiffte
Talent unter diefen jungen Wiener Künftlern.
Zur Erklärung der unheimlich frühreifen Vollen-
dung mancher feiner Werke darf man wohl das
künftlerifche Milieu heranziehen, in dem er lebt.
DieKuuft feiner Gattin, der Tänzerin Wiefenthal,
liefert ihm fruchtbarfte Anregungen, unerfchöpf-
liche Motive für feine Ausdrucks- und Be-
wegungsftudien. Seine großen Ölgemälde ver-
raten Hodlerfche Einflüffe, die aber aufs glück-
lichfte verarbeitet find. Aus Eigenem kommt
noch eine Begabung für dekorative Flächen-
füllung hinzu. DieFolge feiner reizvollen Schwarz-
Weiß-Holzfchnitte zeigt auch Anklänge an eng-
lifche Illuftratoren. Der vorzügliche weibliche Akt
in dem „Empfängnis“ genannten Bilde weift in
der Bewegung und in derAbftufung der gelblich-
braunen Fleifchtöne merkwürdige Berührungen
mit den Tendenzen auf, die der Salzburger
Reichel in feinen ausgezeichneten Farbenholz-
fchnitten verfolgt, ohne daß irgend ein direkter
Zufammenhang angenommen werden muß.
Neben Kokofchka und Lang hat vor allen Anton
Faiftauer ftarke Talentproben geliefert. Man
darf viel von ihm erwarten, wenn er fich ein-
mal dem Bannkreife Cezanne’s und van Gogh’s
(Aktftudien und Stilleben) und Gauguin’s (Nr. 115
„Windifche Mädchen“) entzogen haben wird.
Insbefondere der Akt Nr. 86 erfreut durch die
Gefchloffenheit des Konturs. In Faiftauers großem
Ölgemälde „Geburt Jefu“ äußert fich ein ori-
ginelles Kompofitionstalent, das vielleicht einmal
zum Fresko großen Stiles heranreifen wird.
Anton Kolig ift heute noch ein unruhiger Sucher;
doch berechtigt fein Verfuch für Wandmalerei:
„Die Schlafenden“ ebenfalls zu guten Zukunfts-
hoffnungen. Neben den Genannten erfcheintder
in Paris lebende Robert Eckert derzeit nur als
gefchickter Änempfinder. Franz Wiegele ift ein
noch akademifch befangener Zeichner; fein
großer „Chriftus“ hat von Corinth etwa nur
das Schlächterhafte. Sebaftian Ifepp endlich ift
der Einzige, deffen Werken heute ein Publikums-
erfolg befchieden fein dürfte. Seine Schneeland-
fchaften wirken mitunter bereits ein wenig ma-
nieriert. Ein Zug zu fpielerifch-ornamentaler
Behandlung der Einzelform ftört die einheitliche
Wirkung, verhindert eine großzügigere Stilifie-
rung. Ifepp hat wohl Segantini und Fjaeftad
manches zu danken; wie im Fjaeftadfaal der
fchwedifchen Ausftellung zeigt fich übrigens auch
diesmal, daß eine folche Häufung „dekora-
tiver“ Schneelandfchaften fürs Äuge ermüdend
und eintönig wirkt. Die wohl fpäter entftandenen
Landfchaften Ifepps im benachbarten Saal zeigen
eindringlicheres Naturftudium. Nur ganz Weniges

in diefer Ausftellung ift gleichgültig (wie etwa
die vier Bilder R. Änderfens), oder dilettantifch
(wie die Porträts, „Bildnis des Vaters“ und „Bild-
nis der Mutter“ von Paris von Gütersloh, der
in einigen farbigen Zeichnungen fpielerifche
Nachahmungen gewiffer Jungfranzofen aus dem
Matiffe = Kreife liefert). Die Wiener haben
nur drei Ausländer zu Gafte geladen. Karl Hofer,
deffen reiches Talent in anderen Werken klar
zutage gekommen ift, ift hier recht ungünftig
vertreten; fein Bildnis eines „Jünglings“ huldigt
der Greco-Mode. Die Skulpturen Bernhard
Hoetgers büßen wefentlich an Intereffe ein, da
das Befte ihres Stiles von Maillol ftammt, der
namentlich in den kleinen Bronze-Skulpturen
fklavifch nachgeahmt wird. Die beiden weib-
lichen Akte des von Miethke her bekannten
Schweizers Hermann Haller, auf den Meier-
Graefe fchon vor einigen Jahren hingewiefen
hat, zeigen ein feines Formgefühl.

Die Hoffnungsfreudigkeit, die diefe Ausftellung
erweckt, kann felbft durch den bitter-fkeptifchen
Äusfpruch nicht zerftört werden, den G. Moore
in feinen „Erinnerungen an die Impreffioniften“
Degas in den Mund legt: „Jeder kann mit

25 Jahren Talent haben; worauf es ankommt, ift
mit 50 Jahren Talent zu haben.“ —

Über die Ausheilungen der Kunftfalons foll
im nächften Heft berichtet werden. K. R.

WINTERTHUR Die KUNSTHALLE brachte
im Januar die überaus malerifchen Impreffionen
und Studien von Hans Sturzenegger und
die raffige Bilderkollektion Ernst Würten-
bergers, die wir anläßlich der Zürcher Weih-
nachtsausftellung hier zu rühmen Gelegenheit
hatten. Die Februar - Ausftellung bringt eine
größere Kollektion des flotten, nur zu oft ober-
flächlich und ftiliftifch unausgeglichen arbeitenden,
Ern ft Geiger (Bern), deffen temperamentvolle
Impreffionen von graphifchen Arbeiten der Da-
men Elifabeth Altenburger, Marta Cunz
und Marie Stiefel eingerahmt werden. —
Der Winterthurer Kunftverein hat diefes Jahr
für feine Galerie erworben: das Bild Ernst
Würtenbergers „Bauernmädchen in Blau“
und Felix Vallotons Gemälde „Effet de ma-
tin“ (Honfleur). J. C.

WIESBADEN Ein neues künftlerifches
Unternehmen darf man in dem Kunftfalon des
Herrn Dr. F. Graefe begrüßen, das gerade für
Wiesbaden außerordentlich fegensreich wirken
kann, denn es folgt jenen neuen Äusftellungs-
prinzipien, die auch fchon anderwärts, in Brakls
Moderner Kunfthandlung, in der Modernen

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