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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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7. Heft
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Zimmermann, Heinrich Franz Joseph: Maria Theresia oder Margaretha Theresia?
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0278

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MARIA THERESIA ODER MARGARETA THERESIA?

der Sammlung Weber in Hamburg und der Corporation Art Gallery in Glasgow [ind
nach dem Madrider Bilde kopiert, kommen alfo hier nicht weiter in Betracht. Der
Hauptunterfchied zwifchen den beiden Originalen befteht darin, daß jenes in Madrid
(Nr. 1084) als Bruftfchmuck ein Filigranmedaillon mit Opalen, das Wiener Bild (Nr. 621)
den kaiferlichen Doppeladler auf brennend rotem Bande trägt.

Der gelehrte Verfaffer des Katalogs der Pradogalerie, Don Pedro de Madrazo1,
der nur das fpanifche Exemplar kannte, hielt die darauf Dargeftellte für Maria Therefia,
hauptfächlich wohl deshalb, weil im Inventar des Schloff es von 1772 ein in den Maßen
übereinftimmendes Bild fo genannt wird. Der Kopf, meint er, fei im zweiten Stile
des Velazguez, alles übrige in deffen letztem Stile gemalt: das Geficht fei das einer
etwa zehnjährigen Prinzeffin und müffe daher, da Maria Therefia 1638 geboren ift,
um 1648 gemalt fein, während alles andere den Fünfzigerjahren des 17. Jahrhunderts
angehöre. Madrazo erklärt fich die Sache fo, daß Velazguez den Kopf unmittelbar
vor Antritt feiner zweiten italienifchen Reife gemalt habe; durch diefe fei er in der
Arbeit unterbrochen worden und erft lange nach feiner Rückkehr habe er anläßlich
der Vermählung Maria Therefias mit Ludwig XIV. (1660) das Bild fertiggemacht.2

Mit Recht weift Jufti auf das Ungereimte diefer Annahme hin. Wie? Zu einer
Zeit, da Maria Therefia „an der Schwelle jungfräulicher Schönheit ftand und Braut
des Königs von Frankreich werden follte, hätte man aus einem alten Kinderkopf ein
prunkvolles Koftümftück hergeftellt? Sollte man Zeit genug gehabt haben, einen um-
ftändlichen reichgefchmückten Anzug nebft Haarpuß und Umgebung nach dem Leben
neu zu malen, nicht aber das Geficht?“ Und mit Bezug auf das zweite Bild in Wien
fragt Jufti weiter: „Hat es in Madrid zwei große Leinwänden gegeben, in deren Mitte
nur ein Kopf ftand, und hat man zweimal nach zehn Jahren das übrige hinzugemalt?“
Die Bezeichnung im alten Schloßinventar entkräftet Jufti damit, daß auch die Prinzeffin
der Meninas, die doch ficher Margareta ift, zur Zeit Philipps V. Maria Therefia hieß.
Dazu kommt, daß unfer Bild mit fpäteren Bildniffen Maria Therefias abfolut nicht in
Einklang zu bringen ift, dagegen fehr gut zu denen Margaretas ftimmt: „Der feitliche
Scheitel mit der wagrecht über die Stirn fallenden Querlocke findet fich noch bei der
Kaiferin.“ Und wenn auch Maria Therefia einmal für einen öfterreichifchen Prinzen
beftimmt war, fo hätte man ihr vor der förmlichen Verlobung doch fchwerlich als
hervorragendftes Schmuckftück den Doppeladler gegeben, wie ihn das Wiener Exemplar
unferes Bildes zeige.3 * * * * 8

Diefe Argumente Juftis find fchlagend und fo pflichtet ihnen denn auch ein zweiter

1 Catälogo descriptivo e histörico del Museo del Prado de Madrid, Parte primera, Madrid
1872, p. 620 s., No 1084.

2 „Pertenece ä dos epocas distintas del autor: la cara al segundo estilo, y el resto del retrato,
inclusas las manos, al estilo ultimo; solo asi se explica que un retrato ejecutado en general con
tanta libertad y sobriedad tan säbia, y perteneciente por lo mismo al ultimo y mejor tiempo de

Velazquez, represente como una nina de solos 10 anos ä la que tenia ya cerca de 20 cuando el
gran artista pintaba de aquella admirable y singulär manera. El retrato, pues, debiö ser comen-
zado cuando ya el autor se disponia ä hacer su segundo viaje ä Italia, quedando en su estudio
interrumpido, quizä por esta misma causa; y sin duda se terminö poco antes de tratarse el ca-

samiento de la infanta con el rey de Francia Luis XIV.“ — In der 5. Auflage von Madrazos

Katalog von 1885, p. 209, wird einfach auf diefe Argumentation verwiefen, die, gleich der Be-

zeichnung der Dargeftellten als Maria Therefia, auch Charles Curtis, Velazquez and Murillo,

London und New-York 1883, p. 97 f., No 246, ohne weiteres akzeptiert.

8 Jufti, a. a. O. II2, S. 257f.

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