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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0299

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AUSSTELLUNGEN

die Gattin des Künftlers, Frau Ä. Katona, Frau
Ä. Faufer und mehrere Idealköpfe.

Szekely befaß die Fähigkeit, felbft diekompli-
zierteften Erjcheinungen mit einem Blicke zu
erfaffen und mit den denkbar einfachften Mitteln
wiederzugeben. Eine ganze Reihe von Aquarell-
fkizzen, die er nach alten Vorbildern hauptfäch-
lich den Meifterwerken der Münchner Pinakothek
gemacht hat, ift mit dem breiteften Pinfel auf
das Papier gezaubert und enthält doch alles
wefentliche vom Farben- und Toninhalt der
Originale.

In diefer impreffioniftifchen Art verewigte Sze-
kely die Hauptmomente der Krönung Franz
Jofefs I. in vorzüglichen Ölfkizzen, mit denen
die fpäteren, den amtlichen Anfprüchen Genüge
leiftenden Aquarelldarftellungen derfelben Szenen
nicht verglichen werden dürfen.

Die Frifche des Blickes bewundern wir auch
an vielen Landfchaften, die er bloß zu feiner
Unterhaltung in feinem weltentlegenen Sommer-
aufenthaltsort Szada gemalt hat.

Die hiftorifdien Kompofitionen, Ölbilder und
Fresken, bzw. Kartons zu den letzteren, find
natürlich mit ganz anderen Abfichten gefchaffen
worden und daher auch aus anderen Stand-
punkten zu beurteilen. Erftere [ollen wegen
ihrer politifchen Tendenz nicht verurteilt werden.
Sie find aus der Zeitftimmung heraus entftanden;
fie konnten alfo nicht anders geraten. In einer
Zeit, als alles auf die brutalfte Weife verfolgt
wurde, was zur freien Willensäußerung einer
Nation gehört, müßten es eben die Beften fein,
die alle Gelegenheit benutzten, um der nationalen
Trauer Ausdruck zu geben. Der fentimentale
Ton einiger kleinerer Kompofitionen entfpricht
auch dem Charakter der zeitgenöffifchen Dichtung.

Gemeinfam ift allen diefen Werken der große
Zug der Kompofition, die ftärkfte Seite Szekely-
fcher Kunft. Man kann ihn in diefer Hinficht
für den größten ungarifchen Künftler halten.
Schade, daß viele feiner herrlichften Entwürfe
nie ausgeführt werden konnten. Die Skizzen
zu den geplanten Fresken der Fifcherbaftei in
Buda zeigen z. B. bei aller ftrengen Logik der
Gruppenbildung eine feltene Kühnheit der Raum-
kompofition. Der Meifter erzielte in diefen Stu-
dien mit vorzüglich bewegten Menfchengruppen
frappante Wirkungen. Die hiftorifchen Wand-
gemälde der Pecfer Kathedrale, deren Kartons
jeßt gleichfalls zu fehen waren, befeelt wieder
ein majeftätifcher Zug. Sie wirken etwa wie
die Werke Morit^ Schwindts ins Männliche über-
tragen.

Als großer Meifter der Bewegung und deko-
rativen Linie zeigt fich Szekely auch in den
Kartons zu den nie ausgeführten Fresken der

Burg Vajdahunyad. Der Inhalt der Bilder ift aus
der Legende von dem Urfprung der ungarifchen
Nation genommen. Es war hauptfächlich die
Darftellung des bewegten Pferdes und die de-
korative Silhouette der Maffen, die den Meifter
bei diefer Aufgabe intereffierte. Es gelang ihm
manches vorzüglich, mehrere ganz falfche Pro-
portionen zeugen aber dabei von vorgefchrit-
tener Altersfchwäche. Der greife Künftler hat
es langfam verlernt, für die Augenluft zu arbeiten.

Die Äusftellung legte Rechenfchaft von Sze-
kelys ganzer Tätigkeit ab. Es waren darin
auch zahlreiche Äktkompofitionen zu fehen, die
aber nicht zum größten Lobe des Künftlers ge-
reichen. Wie Variationen des Themas „Leda“
gehören noch zu den beften. Die allegorifche
Figur der „Quelle“, gleichfalls in mehreren Re-
daktionen, ift fchon viel weniger gewinnend.
Zwei weibliche Akte — „Vor dem Bade“ und
„Nach dem Bade“ — find in diefer Gattung die
gelungenften Stücke. Alle diefe Werke müffen
uns aber kalt laffen, weil ihre ganz abftrakte
Linienfchönheit viel mehr Berechnung als Innig-
keit verrät.

Szekelys Kunft ift überhaupt die weiteftgehende
Verftandeskunft. Sie ift monumental bis in das
kleinfte Detail und ein wahres Sdiat^haus des
Könnens. Sie freute fich auch in den für die
hiftorifchen Darftellungen günftig geftimmten
Zeiten großer Popularität. Daß fie feitdem an
Anziehungskraft verloren hat, daran ift haupt-
fächlich ihr akademifcher Charakter fchuld.

Das bedeutendfte Ereignis, das auf Szekelys
Äusftellung folgte, war die retrofpektive Kollektiv-
ausftellung des größten Neuerers, den die Ge-
fchichte der ungarifchen Malerei aufzuweifen
hat, von Jofef Rippl-Rönai, im Künftlerhaus.

Diefer geniale Mann trat, vom Geifte feiner
Parifer Umgebung erfüllt, im Jahre 1888 an die
Öffentlichkeit. Er ging bei Munkäcfy in die
Lehre, zeigte fich aber bald in feiner vollen
Eigenart. Sein Können wirkte fo über-
zeugend, daß er fich mit feinen Form- und Far-
benextrakten fchon zur Zeit des geiftlofeften
Naturalismus durchfeßen konnte. Und feine
Laufbahn zeigte auch nachher einen unaus-
gefeßten Äufftieg.

Rönai kann mit Fug und Recht für den beften
ungarifchen Zeichner gehalten werden. Was
anderen Schweiß und Mühe koftet, das bringt
er fpielend zuftande. Seine Bilder wirken un-
gemein wohltuend, weil fie die Leichtigkeit ihrer
Entftehung auf den erften Blick verraten. Und
der Meifter ift im Bewußtfein feiner Kraft nichts
weniger als wagehalfig. Anfangs fchlug er
leifer tönende Saiten an. Er trat mit fehr breit
gehaltenen Kohlezeichnungen vor das erftaunte

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