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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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9. Heft
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Steinmann, Ernst: Römische Ausstellungen, [1]: Arte Retrospettiva im Castel St. Angelo
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0374

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RÖMISCHE AUSSTELLUNGEN

einmal in einem großen Altargemälde in S. Maria dei Monti kopiert worden ift. Wenn
nun auch Sabbatinis Kopie keine ganz exakte ift — drei Gestalten find hinzugefügt
und die Haltung des Kopfes der Madonna ift ein wenig verändert — fo vermittelt fie
uns doch von Michelangelos verftümmelter Kompofition die denkbar klarfte Vorftellung,
weil hier das linke Bein Chrifti, das im Marmor fehlt, in der urfprünglich geplanten
und wohl auch ausgeführten Geftalt erfcheint.

Leider in fchlechtem Licht ift eine in Holz gefchni^te Kopie jener Pieta des Giro-
lamo Campagna in S. Giuliano in Venedig aufgehängt, die uns auch die Bildhauer
Norditaliens völlig im Bann des großen Florentiners zeigt.

Die Mostra Michelangiolesca ift, wie manches andere, zum Eröffnungstage nicht
fertig geworden. Es find noch beftändig neue Eingänge zu verzeichnen. In einer be-
fonderen Ausftellung von Nachbildungen fämtlicher Porträtdarftellungen Michelangelos
werden zum erftenmal nach Originalaufnahmen Alinaris die Fresken der Casa Buonar-
roti in Florenz, die das Leben des Meifters fchildern, gezeigt. Noch im Laufe des
Sommers füllen diefe merkwürdigen Gemälde in einer Publikation über die Porträt-
darftellungen Michelangelos herausgegeben werden. Der erfte Katalog der Caftel
St. Angelo-Ausftellung ift Ende April erfchienen.

In einer Zeit, wo man nicht ohne Schmerz und Erftaunen ein völlig neues Rom
auf den Trümmern des alten erftehen fieht, in einer Zeit, wo durch den Abbruch des
Palazzetto Venezia einer der fchönften und erinnerungsreichften Plät$e der ewig fich
wandelnden Stadt unwiederbringlich zerftört worden ift, in diefem feltfam beklem-
menden Treiben einer fich fchnell geftaltenden modernen Metropole wirkt die Er-
neuerung der Engelsburg wie eine verföhnende Tat. Hier, wo einft in verwahrloften
Höfen und Gängen, in öden Gemächern und verlaffenen Prunkfälen die Geifter der
Vergangenheit uns umdrängten, ift wie mit einem Zauberfchlage die Vergangenheit
Leben und Wirklichkeit geworden. Ein Mufeum des Mittelalters und der Renaiffance
hat hier Borgattis Energie ins Leben gerufen, wie es heute die Welt — man kann
es ohne Übertreibung fagen — kein merkwürdigeres befitjt.

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