Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911
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11. Heft
DOI Artikel:Ausstellungen
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AUSSTELLUNGEN
felben Salon [teilte der Bruder Hermann Prelis,
Walter Prell, hübfche Landfchaften aus allen
Teilen Frankreichs aus. Die Galerie DRUET
führte die dritte Gruppe ihrer Künftler vor.
Camoin, Marquet undd^uy, von denen hier fchon
öfter die Rede war, entwickeln [ich mehr und
mehr zu plaftifcher Schönheit und künftlerifcher
Ordnung. Der unruhigfte, aber auch der begab-
tere diefes Kreifes, Othon Friesz, zeichnet [ich
durch eine wahrhaft lyrifche Vifion der Dinge
aus. Er hat die fchlechte Manier, eine Lein-
wand herunterzuhauen. Wird er erft weife
Mäßigung gelernt haben, wird es ihm ficher ge-
lingen, von groben Übertreibungen abzuftehen,
feine Erregung auszugleichen und die dicken
Farbenkleckfe und eindringlichen Striche har-
monifch zu verbinden. Bei SAGOT [teilte
Herlin Stilleben und eine Reihe Hamburger
Hafenbilder aus, in denen Einflüffe von Cezanne,
Picaffo und aus dem Kreife der Jüngeren fich
fchon zu einem abgewogenen Gefamtbilde ab-
zufchleifen beginnen. Er wandelt die Natur-
eindrücke in große Flächen mit fcharfen Ecken
um, aus denen er mit breitem Pinfel Raum und
Formen konftruiert. Die Ruffen, die in den
Independants einen Saal zufammengeftellt haben,
wo ihre Bilder von verrückt gewordenen Kindern
gemalt zu fein fcheinen, haben in dem früheren
Haufe der Frau Steinheil eine würdigere Aus-
ftellung ruffifcher Buchkunft veranftaltet. In der
rue de Richelieu ift ein Salon für religiöfe Kunft
eröffnet worden, aus dem alle ernfte Kunft
ausgefchloffen wurde. Im PAVILLON MARSAN
ift eine Ausftellung von kunftgewerblichen Frauen-
arbeiten zufammengetragen worden, in der
neben vielem Dilettantischen einige Innenräume
aus dem vorjährigen Herbftfalon inftalliert worden
find. Der wertvollfte Teil der Ausftellung be-
fteht aus den Arbeiten der ftaatlich und privatim
unterftüßten Vereine, die die Volkskunft in den
franzöfifchen und italienifchen Provinzen zu
heben verfuchen. Die von jungen Mädchen
aus dem Volke angefertigten Spißen können
Mufeumsftücken würdig zur Seite geftellt werden.
Otto Grautoff.
STUTTGART Das Mufeum der bildenden
Künfte hat foeben eine Gedächtnis-Ausftellung
des 1863 in Stuttgart geborenen Hermann Pleuer
eröffnet, die vor allem für den jungen Meifter
einige überrafchende Auf fchlüffe vermittelt. Über
die Veranftaltung wird im einzelnen an diefer
Stelle noch zu fprechen fein.
WIEN Die Münchner „Sezeffion“ hat die
„Vereinigung bildender Künftler Öfterreichs Se-
zeffion“ eingeladen, im Winter 1911/12 eine
Korporativausftellung in München zu veranftalten.
Dem Vernehmen nach wird die Wiener Sezef-
fion diefer Aufforderung Folge leiften.
WIESBADEN Eine fehr bemerkenswerte
Ausftellung des Leibl-Kreifes hat die Wies-
badener Gefellfchaft für bildende Kunft foeben
zur Feier ihres zehnjährigen Beftehens eröffnet.
Die Veranftaltung zeigt im ganzen an 100 Bilder,
darunter einige Werke Leibis und eine gemein-
fame Arbeit von Leibi und Sperl. In der Haupt-
fache aber kommen die Meifter des Kreifes:
Trübner (mit 17 Bildern), Theodor Alt (mit
7 Nummern), Hirth du Frenes (mit 15 Nummern),
Sperl (mit 16 Nummern), Schuch (mit 20 Num-
mern), Thoma (mit 23 Bildern) und Scholderer
(mit 15 Nummern) zur Geltung. 3 prächtige
Landfchaften Courbets [ollen gewiffermaßen die
engen Beziehungen andeuten, unter denen [ich
hiftorifch die Kunft diefes Kreifes entwickelt hat.
Im Rahmen der Wiesbadener Kunftpflege und
weit über die Grenzen der Stadt hinaus be-
deutet diefe Ausftellung ein Ereignis, das neben
dem reinen künftlerifchen Genuß zugleich für die
Jugendentwicklung der genannten Meifter wert-
volle hiftorifche Erkenntniffe zu erfchließen ver-
mag. Der Veranftalter, Dr. v. Grolman, darf
mit dem Erfolg zufrieden fein.
* *
*
Der KUNSTSALON GRAEFE, der inter-
nationale Spezialitäten kultiviert, bietet zurzeit
eine franzöfifche Ausftellung von hervorragen-
der Qualität. Zwei Generationen find ver-
treten: jene um Monet und die Neuimpreffioniften.
Der Clou ift ein früher Sisley (von 1876). Eine
Kompofition in Blau. Wundervoll gemalt. Die
Töne leicht, flockig hingehaucht. Die beiden
prächtigen Monets erfcheinen daneben noch
faft fchwerfällig. Renoir, liebenswürdig wie
immer, ganz und gar nicht revolutionär. Dann
zwei Piffarros. Befonders die „Apfelernte“
von entzückender Luft- und Sonnenfreudigkeit.
Die Pointilliften find durch den geiftreich impro-
vifierenden Cross, Luce und den Belgier
Rhyffelberghe befonders glücklich vertreten.
Die verfchiedenen neuimpreffioniftifchen Rich-
tungen weifen dann noch Camoin, Guerin, der
koloriftifch köftlich delikate d’Espagnol, La-
prade, Rouffel, Giriard auf. Endlich müffen Mau-
rice Denis und eine „Schafherde“ von Se-
gantini für [ich hervorgehoben werden. Das
leßtgenannte Werk zeigt noch den frühen, warm-
tonigen Stil des Meifters und ift in der Segan-
tiniliteratur bekannt. Des weitern intereffiert
ein junger Schotte Pitcairn-Knowles durch
feine fenfibeln Fleifchtöne. In einer großen
434
felben Salon [teilte der Bruder Hermann Prelis,
Walter Prell, hübfche Landfchaften aus allen
Teilen Frankreichs aus. Die Galerie DRUET
führte die dritte Gruppe ihrer Künftler vor.
Camoin, Marquet undd^uy, von denen hier fchon
öfter die Rede war, entwickeln [ich mehr und
mehr zu plaftifcher Schönheit und künftlerifcher
Ordnung. Der unruhigfte, aber auch der begab-
tere diefes Kreifes, Othon Friesz, zeichnet [ich
durch eine wahrhaft lyrifche Vifion der Dinge
aus. Er hat die fchlechte Manier, eine Lein-
wand herunterzuhauen. Wird er erft weife
Mäßigung gelernt haben, wird es ihm ficher ge-
lingen, von groben Übertreibungen abzuftehen,
feine Erregung auszugleichen und die dicken
Farbenkleckfe und eindringlichen Striche har-
monifch zu verbinden. Bei SAGOT [teilte
Herlin Stilleben und eine Reihe Hamburger
Hafenbilder aus, in denen Einflüffe von Cezanne,
Picaffo und aus dem Kreife der Jüngeren fich
fchon zu einem abgewogenen Gefamtbilde ab-
zufchleifen beginnen. Er wandelt die Natur-
eindrücke in große Flächen mit fcharfen Ecken
um, aus denen er mit breitem Pinfel Raum und
Formen konftruiert. Die Ruffen, die in den
Independants einen Saal zufammengeftellt haben,
wo ihre Bilder von verrückt gewordenen Kindern
gemalt zu fein fcheinen, haben in dem früheren
Haufe der Frau Steinheil eine würdigere Aus-
ftellung ruffifcher Buchkunft veranftaltet. In der
rue de Richelieu ift ein Salon für religiöfe Kunft
eröffnet worden, aus dem alle ernfte Kunft
ausgefchloffen wurde. Im PAVILLON MARSAN
ift eine Ausftellung von kunftgewerblichen Frauen-
arbeiten zufammengetragen worden, in der
neben vielem Dilettantischen einige Innenräume
aus dem vorjährigen Herbftfalon inftalliert worden
find. Der wertvollfte Teil der Ausftellung be-
fteht aus den Arbeiten der ftaatlich und privatim
unterftüßten Vereine, die die Volkskunft in den
franzöfifchen und italienifchen Provinzen zu
heben verfuchen. Die von jungen Mädchen
aus dem Volke angefertigten Spißen können
Mufeumsftücken würdig zur Seite geftellt werden.
Otto Grautoff.
STUTTGART Das Mufeum der bildenden
Künfte hat foeben eine Gedächtnis-Ausftellung
des 1863 in Stuttgart geborenen Hermann Pleuer
eröffnet, die vor allem für den jungen Meifter
einige überrafchende Auf fchlüffe vermittelt. Über
die Veranftaltung wird im einzelnen an diefer
Stelle noch zu fprechen fein.
WIEN Die Münchner „Sezeffion“ hat die
„Vereinigung bildender Künftler Öfterreichs Se-
zeffion“ eingeladen, im Winter 1911/12 eine
Korporativausftellung in München zu veranftalten.
Dem Vernehmen nach wird die Wiener Sezef-
fion diefer Aufforderung Folge leiften.
WIESBADEN Eine fehr bemerkenswerte
Ausftellung des Leibl-Kreifes hat die Wies-
badener Gefellfchaft für bildende Kunft foeben
zur Feier ihres zehnjährigen Beftehens eröffnet.
Die Veranftaltung zeigt im ganzen an 100 Bilder,
darunter einige Werke Leibis und eine gemein-
fame Arbeit von Leibi und Sperl. In der Haupt-
fache aber kommen die Meifter des Kreifes:
Trübner (mit 17 Bildern), Theodor Alt (mit
7 Nummern), Hirth du Frenes (mit 15 Nummern),
Sperl (mit 16 Nummern), Schuch (mit 20 Num-
mern), Thoma (mit 23 Bildern) und Scholderer
(mit 15 Nummern) zur Geltung. 3 prächtige
Landfchaften Courbets [ollen gewiffermaßen die
engen Beziehungen andeuten, unter denen [ich
hiftorifch die Kunft diefes Kreifes entwickelt hat.
Im Rahmen der Wiesbadener Kunftpflege und
weit über die Grenzen der Stadt hinaus be-
deutet diefe Ausftellung ein Ereignis, das neben
dem reinen künftlerifchen Genuß zugleich für die
Jugendentwicklung der genannten Meifter wert-
volle hiftorifche Erkenntniffe zu erfchließen ver-
mag. Der Veranftalter, Dr. v. Grolman, darf
mit dem Erfolg zufrieden fein.
* *
*
Der KUNSTSALON GRAEFE, der inter-
nationale Spezialitäten kultiviert, bietet zurzeit
eine franzöfifche Ausftellung von hervorragen-
der Qualität. Zwei Generationen find ver-
treten: jene um Monet und die Neuimpreffioniften.
Der Clou ift ein früher Sisley (von 1876). Eine
Kompofition in Blau. Wundervoll gemalt. Die
Töne leicht, flockig hingehaucht. Die beiden
prächtigen Monets erfcheinen daneben noch
faft fchwerfällig. Renoir, liebenswürdig wie
immer, ganz und gar nicht revolutionär. Dann
zwei Piffarros. Befonders die „Apfelernte“
von entzückender Luft- und Sonnenfreudigkeit.
Die Pointilliften find durch den geiftreich impro-
vifierenden Cross, Luce und den Belgier
Rhyffelberghe befonders glücklich vertreten.
Die verfchiedenen neuimpreffioniftifchen Rich-
tungen weifen dann noch Camoin, Guerin, der
koloriftifch köftlich delikate d’Espagnol, La-
prade, Rouffel, Giriard auf. Endlich müffen Mau-
rice Denis und eine „Schafherde“ von Se-
gantini für [ich hervorgehoben werden. Das
leßtgenannte Werk zeigt noch den frühen, warm-
tonigen Stil des Meifters und ift in der Segan-
tiniliteratur bekannt. Des weitern intereffiert
ein junger Schotte Pitcairn-Knowles durch
feine fenfibeln Fleifchtöne. In einer großen
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