Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0574
DOI issue:
14. Heft
DOI article:Krüger, H. Carl: Ludwigsburger Porzellan
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LUDWIGSBURGER PORZELLAN
Berlin [teht ein Hufar auf galoppieren-
dem Schimmel (allerdings unbezeichnet)
und eine mit L fignierte Gruppe eines
vornehmen Türken, der fein prächtig
aufgefchirrtes Pferd am Zügel führt,
die ja auch Meißen nachempfunden find,
dennoch aber durch das Streben nach
eigenem Gepräge, durch brillante Model-
lierung und die detaillierte Durchführung
unterftüßt durch farbenprächtige Bema-
lung [ich als Leiftung eines tüchtigen
Künftlers qualifizieren. Franz Jofeph
Cleß (1759—1763) ift der Schöpfer der
berühmten Blumenfträuße, die erftmalig
1762 genannt werden. Intereffant ift
die Befchreibung eines Feftes, das Uriot,
der Bibliothekar von Sereniffimus, gibt;
derzufolge diefe Blumen von folch’
köftlicher Farbenfchönheit waren, daß
die Damen erft beim Verfuch, fich an
ihrem Duft zu erfreuen, merkten, daß
fie von Porzellan feien! Da auch
Frankenthal diefe Blumen vielfach ge-
arbeitet hat, dürften die bei blumigen
Lauben, bei Kronen und Kandelabern,
in vergoldeter Bronze gefaßten Blüten
ebenfooft von diefen Manufakturen als
von Sevres ftammen. — Einer der bedeutenderen Künftler, die der jungen Fabrik
großen Ruf verfchaffte, war Domenico Feretti (1762 — 1767) aus Cactiglione im Val
Intelvi ftammend. Der kurzen, von Berth. Pfeiffer entnommenen Lebensbefchreibung
gibt der Verfaffer weitere, wichtige Daten. Künftlerifch ftellt fich das Werk diefes
Meifters jeßt wohl am unbeftrittendften dar. Balet bringt den Nachweis über enge
Zufammenhänge feiner Porzellanplaftik mit den Steinfkulpturen des Künftlers am nord-
öftlichen Giebel des Stuttgarter Refidenzfchloffes und weiß auch den Streit um den
Putto auf dem Delphin und den Adonis mit dem Eber zugunften Ferettis zu ent-
fcheiden. Schon auf Grund der Abbildungen kann man dem geiftvollen Hinweis des
Verfaffers beiftimmen, wenn er den pathetifchen Zug der nach 1763 entftandenen
Arbeiten des Künftlers als durch die Lektüre von Leffings Laokoon beeinßußt, erklärt.
Feretti (Abb. 8), dem die Manufaktur die Latona, die liegenden Flußgötter, den barm-
herzigen Samariter, Herzog Carls Kunftpßege, Mars in der Waffenfehmiede, Cimon
und Pera, Rinaldo und Armida u. a. m. verdankt, brachte in feinen Werken den fenti-
mental-romantifchen Zug der Zeit zum Ausdruck, der fich am deutlichften in den
Ballets und Theater-Aufführungen kundgab. Viele feiner Motive verraten denn auch
mit Sicherheit die Beeinßußung durch das Theater. Der Verfaffer bringt hierzu
mancherlei Beifpiele (S. 17), wiederum ein Beweis mehr, wie intenfiv die Porzellan-
plaftik mit dem Theater zufammenhängt (auch ich hoffe diefen Kreis noch bedeutend
erweitern zu können). — Feretti ftarb im Elend, rückfichtslos ausgenußt und um feinen
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Berlin [teht ein Hufar auf galoppieren-
dem Schimmel (allerdings unbezeichnet)
und eine mit L fignierte Gruppe eines
vornehmen Türken, der fein prächtig
aufgefchirrtes Pferd am Zügel führt,
die ja auch Meißen nachempfunden find,
dennoch aber durch das Streben nach
eigenem Gepräge, durch brillante Model-
lierung und die detaillierte Durchführung
unterftüßt durch farbenprächtige Bema-
lung [ich als Leiftung eines tüchtigen
Künftlers qualifizieren. Franz Jofeph
Cleß (1759—1763) ift der Schöpfer der
berühmten Blumenfträuße, die erftmalig
1762 genannt werden. Intereffant ift
die Befchreibung eines Feftes, das Uriot,
der Bibliothekar von Sereniffimus, gibt;
derzufolge diefe Blumen von folch’
köftlicher Farbenfchönheit waren, daß
die Damen erft beim Verfuch, fich an
ihrem Duft zu erfreuen, merkten, daß
fie von Porzellan feien! Da auch
Frankenthal diefe Blumen vielfach ge-
arbeitet hat, dürften die bei blumigen
Lauben, bei Kronen und Kandelabern,
in vergoldeter Bronze gefaßten Blüten
ebenfooft von diefen Manufakturen als
von Sevres ftammen. — Einer der bedeutenderen Künftler, die der jungen Fabrik
großen Ruf verfchaffte, war Domenico Feretti (1762 — 1767) aus Cactiglione im Val
Intelvi ftammend. Der kurzen, von Berth. Pfeiffer entnommenen Lebensbefchreibung
gibt der Verfaffer weitere, wichtige Daten. Künftlerifch ftellt fich das Werk diefes
Meifters jeßt wohl am unbeftrittendften dar. Balet bringt den Nachweis über enge
Zufammenhänge feiner Porzellanplaftik mit den Steinfkulpturen des Künftlers am nord-
öftlichen Giebel des Stuttgarter Refidenzfchloffes und weiß auch den Streit um den
Putto auf dem Delphin und den Adonis mit dem Eber zugunften Ferettis zu ent-
fcheiden. Schon auf Grund der Abbildungen kann man dem geiftvollen Hinweis des
Verfaffers beiftimmen, wenn er den pathetifchen Zug der nach 1763 entftandenen
Arbeiten des Künftlers als durch die Lektüre von Leffings Laokoon beeinßußt, erklärt.
Feretti (Abb. 8), dem die Manufaktur die Latona, die liegenden Flußgötter, den barm-
herzigen Samariter, Herzog Carls Kunftpßege, Mars in der Waffenfehmiede, Cimon
und Pera, Rinaldo und Armida u. a. m. verdankt, brachte in feinen Werken den fenti-
mental-romantifchen Zug der Zeit zum Ausdruck, der fich am deutlichften in den
Ballets und Theater-Aufführungen kundgab. Viele feiner Motive verraten denn auch
mit Sicherheit die Beeinßußung durch das Theater. Der Verfaffer bringt hierzu
mancherlei Beifpiele (S. 17), wiederum ein Beweis mehr, wie intenfiv die Porzellan-
plaftik mit dem Theater zufammenhängt (auch ich hoffe diefen Kreis noch bedeutend
erweitern zu können). — Feretti ftarb im Elend, rückfichtslos ausgenußt und um feinen
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