Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0622
DOI issue:
15. Heft
DOI article:Haberfeld, Hugo: Die französischen Bilder der Sammlung Kohner
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DIE FRANZÖSISCHEN BILDER DER SAMMLUNG KÜHNER
Äbb. 3. COURBET, Felsklippen in Etretat
die Welt und die felbftherrlich in ihre Träume verfponnen abfeits flehen, drücken nicht
[eiten aus, wonach die allgemeine Sehnfucht der Zeit gierig verlangt. Es ift ein un-
aufhörliches Wechfelfpiel widerftrebendfter Kräfte, ein ruhelofes Hin und Her vielfältig-
er Richtungen; trotzdem leuchten in der teppichartigen Verfchlingung der Tendenzen
die großen Linien der Entwicklung magifch auf: wie Watteau die Rubenstradition
übernimmt, die ftolzen Fanfaren des Meifters in die traumhafte Anmut des frühen
Rokoko auflöfend und Chardin, nur wenige Jahre jünger, in der Auffaffung feines
Künftlerberufes und in feiner malerifchen Anfchauung jedoch um Menfchenalter reifer,
das Erbe des Delfter Vermeers antritt; wie [ich von Chardin zu Corot Fäden zartefter
Koloriftik ziehen, und Rubens noch einmal feine Auferftehung feiert in der an renaif-
fanceliche Dimenfionen gemahnenden Geftalt Delacroix’; wie die Barbizon-Meifter die
holländifche Landfchaftskunft, Daumier und Courbet andere malerifche Abfichten des
XVII. Jahrhunderts erneuern und weiterführen; wie Manet auftaucht, fcheinbar voraus-
feßungslos, aber ohne die Venezianer, Frans Hals und die Spanier nicht zu denken,
und wie dann die erlauchte Tafelrunde von Battignolles, Renoir und Monet an der
Spiße, ihre Wunderwerke fchafft, durch welche fie ihr Zeitalter ebenbürtig neben die
vergangenen [teilt; wie fchließlich Cezanne, äußerlich ein fchwerfällig zurückbleibender
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Äbb. 3. COURBET, Felsklippen in Etretat
die Welt und die felbftherrlich in ihre Träume verfponnen abfeits flehen, drücken nicht
[eiten aus, wonach die allgemeine Sehnfucht der Zeit gierig verlangt. Es ift ein un-
aufhörliches Wechfelfpiel widerftrebendfter Kräfte, ein ruhelofes Hin und Her vielfältig-
er Richtungen; trotzdem leuchten in der teppichartigen Verfchlingung der Tendenzen
die großen Linien der Entwicklung magifch auf: wie Watteau die Rubenstradition
übernimmt, die ftolzen Fanfaren des Meifters in die traumhafte Anmut des frühen
Rokoko auflöfend und Chardin, nur wenige Jahre jünger, in der Auffaffung feines
Künftlerberufes und in feiner malerifchen Anfchauung jedoch um Menfchenalter reifer,
das Erbe des Delfter Vermeers antritt; wie [ich von Chardin zu Corot Fäden zartefter
Koloriftik ziehen, und Rubens noch einmal feine Auferftehung feiert in der an renaif-
fanceliche Dimenfionen gemahnenden Geftalt Delacroix’; wie die Barbizon-Meifter die
holländifche Landfchaftskunft, Daumier und Courbet andere malerifche Abfichten des
XVII. Jahrhunderts erneuern und weiterführen; wie Manet auftaucht, fcheinbar voraus-
feßungslos, aber ohne die Venezianer, Frans Hals und die Spanier nicht zu denken,
und wie dann die erlauchte Tafelrunde von Battignolles, Renoir und Monet an der
Spiße, ihre Wunderwerke fchafft, durch welche fie ihr Zeitalter ebenbürtig neben die
vergangenen [teilt; wie fchließlich Cezanne, äußerlich ein fchwerfällig zurückbleibender
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