Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0625
DOI Heft:
15. Heft
DOI Artikel:Haberfeld, Hugo: Die französischen Bilder der Sammlung Kohner
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DIE FRANZÖSISCHEN BILDER DER SAMMLUNG KOHNER
Primäres die Zeichnung fpricht, feine
mit Stil gesättigte Linie, mit ihrer Kon-
zentration des Ausdrucks und ihrer
Monumentalität. Von Delacroix, der
Daumier vielleicht mehr als jeden an-
dern Zeitgenoffen fchä^te — „einer
war des andern Gewiffen“, fagt Meier-
Graefe —, befi^t Hofrat Kohner ein
kleines Bild „Löwe, einen Araber zer-
fleifchend“, das fchon einmal in diefen
Blättern Erwähnung fand.1 Es ftammt
aus dem Jahre 1848 und wird von
Chesneau im Robautfchen Katalog „une
des plus belles variantes de ce sujet“
genannt. Gericault, Delacroix älteren
Freund und früh verftorbenen Rivalen,
vertritt ein „Pferd im Stall“, kein ro-
mantifcher Renner mit dem im Wettlauf
jähen Spiel der fchlanken Formen, das
fonft den Maler lockte, fondern ein
ftark gebautes Lafttier mit energifch be-
tonter Struktur. Von Courbet ift eine
großzügige Landfchaft vorhanden, die
feine mächtige Malerfauft im Zufam-
menhalten des bildmäßigen Ausfchnitts
und feine Feinheit im Auseinanderhalten
des ftofflichen Charakters zeigt. Die
„Felsklippen in Etretat“ (Abb. 3), ganz
hell in der Farbe, gehören zu den beften
Bildern im ungleichen Oeuvre des Künft-
lers. Ferner hat Monticelli eine „Fete“
hier, wahrlich ein Feft purpurner, gold-
gelber und meergrüner Farben; Fantin-
Latour ein frühes, auf einen unend-
lich feinen Ton geftimmtes „Stilleben“,
aus einem Feldblumenftrauß in matt-
blauer Vafe, einer lichtgelben Geige und
einem grauen Buch gebildet, dann eine
Kompofition „Venus und Amor“ (Abb. 4),
deren flüchtig poröfer Farbenauftrag
daran erinnert, daß Fantin die zarteften Lithographien in Frankreich fchuf; Puvis
de Chavannes den fixenden Akt einer Frau (Abb. 5) von einer merkwürdig katho-
lifchen Nacktheit, und Carriere einen in Dämmerfchleiern fchwermütig verfinkenden
Frauenkopf.
Äbb. 6. RENOIR, Pariferin
1 Vergl. den Äuffatj „Corot, Delacroix und Courbet in der Galerie Miethke in Wien“,
III. Jahrg., Heft 5. März 1911.
585
Primäres die Zeichnung fpricht, feine
mit Stil gesättigte Linie, mit ihrer Kon-
zentration des Ausdrucks und ihrer
Monumentalität. Von Delacroix, der
Daumier vielleicht mehr als jeden an-
dern Zeitgenoffen fchä^te — „einer
war des andern Gewiffen“, fagt Meier-
Graefe —, befi^t Hofrat Kohner ein
kleines Bild „Löwe, einen Araber zer-
fleifchend“, das fchon einmal in diefen
Blättern Erwähnung fand.1 Es ftammt
aus dem Jahre 1848 und wird von
Chesneau im Robautfchen Katalog „une
des plus belles variantes de ce sujet“
genannt. Gericault, Delacroix älteren
Freund und früh verftorbenen Rivalen,
vertritt ein „Pferd im Stall“, kein ro-
mantifcher Renner mit dem im Wettlauf
jähen Spiel der fchlanken Formen, das
fonft den Maler lockte, fondern ein
ftark gebautes Lafttier mit energifch be-
tonter Struktur. Von Courbet ift eine
großzügige Landfchaft vorhanden, die
feine mächtige Malerfauft im Zufam-
menhalten des bildmäßigen Ausfchnitts
und feine Feinheit im Auseinanderhalten
des ftofflichen Charakters zeigt. Die
„Felsklippen in Etretat“ (Abb. 3), ganz
hell in der Farbe, gehören zu den beften
Bildern im ungleichen Oeuvre des Künft-
lers. Ferner hat Monticelli eine „Fete“
hier, wahrlich ein Feft purpurner, gold-
gelber und meergrüner Farben; Fantin-
Latour ein frühes, auf einen unend-
lich feinen Ton geftimmtes „Stilleben“,
aus einem Feldblumenftrauß in matt-
blauer Vafe, einer lichtgelben Geige und
einem grauen Buch gebildet, dann eine
Kompofition „Venus und Amor“ (Abb. 4),
deren flüchtig poröfer Farbenauftrag
daran erinnert, daß Fantin die zarteften Lithographien in Frankreich fchuf; Puvis
de Chavannes den fixenden Akt einer Frau (Abb. 5) von einer merkwürdig katho-
lifchen Nacktheit, und Carriere einen in Dämmerfchleiern fchwermütig verfinkenden
Frauenkopf.
Äbb. 6. RENOIR, Pariferin
1 Vergl. den Äuffatj „Corot, Delacroix und Courbet in der Galerie Miethke in Wien“,
III. Jahrg., Heft 5. März 1911.
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