Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0670
DOI Heft:
16. Heft
DOI Artikel:Rundschau - Sammlungen
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0670
SAMMLUNGEN
ruffifchem Privatbefiß in das Kabinett gekommen
ift. Krifteller hat darüber im lebten Heft der
„Amtlichen Mitteilungen“ referiert, auf das auch
hier verwiefen fei. Die Mehrzahl aller Skizzen
verrät unzweifelhaft die Hand Giovanni, Bat-
tiftas, obwohl man hier und dort vielleicht auch
Studien von anderer Hand (etwa der eines
Schülers oder Werkftattgehilfen) begegnet. In-
wieweit dies jedoch der Fall ift, wird [ich nicht
mit Sicherheit fagen laffen. Nur dies foll be-
merkt werden, daß auf den reifften Blättern der
Maler und Kompofiteur Tiepolo wundervoll reif
und gefchloffen (zum Teil viel unmittelbarer als
in feinen Gemälden) in die Erfcheinung tritt und
daß diefe Zeichnungen in der für Tiepolo
charakteriftifchen Manier durchaus impreffio-
niftifch wirken. Als weitere Proben der italie-
nifchen Schule feien ein feines Blatt mit der
doppelten Figur eines hl. Sebaftian genannt,
eine typifch Veronefer Arbeit, die unbedingt
dem Liberale zuzuweifen wäre, ferner eine
hiftorifche Szene, deren Deutung nicht offen-
fichtlich ift, die Friedländer mit Recht in die
Nähe Tizians verweift. Ein hervorragend
fdiönes Blatt zeigt die Handfchrift des Jacopo
Baffano. Es ftellt eine Geburt Mariä dar und
ift in fchwarzer Kreide ausgeführt; großartig im
Wurf des Kompofiitionellen, hervorragend gut
in der Zeichnung, trägt es alle charakteriftifchen
Kennzeichen des bedeutendften Mitgliedes diefer
reichen Familie. Typifch für die venezianifche
Kunft ift endlich auch eine Küftenlandfchaft von
Quardi, weich in der Modellierung und klar in
der zeichnerifchen Kompofition, mit allen Merk-
malen des großen Malers. — Die deutfche Kunft
ift durch die wundervolle Federzeichnung einer
Madonna von der Hand Älbrecht Dürers (aus
der Sammlung Lanna erworben) unübertrefflich
vertreten, während die Federzeichnung einer
hl. Magdalena, als deutfche Schule des 15. Jahr-
hunderts bezeidinet, nach Friedländers Meinung
vielleicht der kölnifchen Schule nahe ftehen dürfte.
Ein Porträtkopf „Luther auf dem Totenbette“
läßt fich literarifch auf Lucas Fortnagel be-
ziehen und ift unter diefem Meifter, allerdings
mit Fragezeichen, notiert. — Für die nieder-
ländifch-vlämifche Kunft bedeutet das „Feft der
Flora“, eine lavierte Federzeichnung von Ber-
naert van Orley keine geringere Erwerbung
als das prachtvoll farbige Landfchaftsaquarell
des Lucas van Valckenborch, das figniert
und 1583 datiert ift und aus dem Berliner Kunft-
handel (Charles de Burlet) erworben wurde. Es
fteht dicht neben den beften Bildern diefes be-
gabten Bruegel-Schülers und zeigt eine weit-
filhouettierte Landfchaft mit reicher Staffage.
Avercamps aquarellierte Federzeichnung mit
einer Pufffpielerfzene darf in diefem Zufammen-
hang angefchlojfen werden., — Dagegen ift die
franzöfifche Kunft vornehmlich durch zwei typifche
Skizzenblätter Fragonards aus der Folge des
„rafenden Roland“ repräfentiert. Ihnen reihen
[ich Claude Lorrains lavierte Federftudie zu
dem Bild im Buckingham-Palace und Pouffins
Pinfelzeichnung an, beides durch die Qualität
ausgezeichnete Arbeiten. — Die englifche Kunft
endlich repräfentieren zwei Landfchaftsftudien
Gainsboroughs und die Skizze einer fißenden
Frau desfelbenMeifters.Ießterevon bezwingender
Schönheit, und daneben ein gezeichnetes Porträt
der Königin Charlotte von England, derfelben,
die Gainsborough gemalt hat, von der Hand
des Hugh DouglasHamilton. Alles in allem
eine köftliche Summe von künftlerifch Wert-
vollem und kunfthiftorifch Intereffantem, zu deffen
Erwerbung man die Leitung der Sammlung nur
beglückwünfchen kann.
Auch die ältere Graphik hat manchen be-
merkenswerten Zuwachs zu verzeichnen, präch-
tige Blätter von Altdorfer und den deutfchen
Kleinmeiftern und zahlreiche Holzfchnitte der
deutfchen Schule des 15. Jahrhunderts. G. B.
BOSTON Mr. Jean Guiffrey, Direktor des
Boftoner Mufeums of Fine Arts (Amerika)
hat von den Vose Galleries für fein Mufeum
eine Landfchaft von Gainsborough (40X50 in-
ches) angekauft. Das Bild ftellt einen kleinen
Fluß dar, über den eine Holzbrücke führt. Ein
Hund leitet einen Blinden über die Brücke. Zur
Linken fcheint die Sonne durch Blätterwerk.
Das Bild ftammt aus der Sir George Beaumont-
Kollektion. F.
BRUSSEL Die Sammlung japanifcher
Stiche und Kunft gegen ft ände des Herrn
Augufte Michotte, welche diefer der Re-
gierung für den mäßigen Preis von einer Viertel-
million vor fünf Jahren überlaffen hat, ift jetjt
endlich dem Publikum zugänglich gemacht wor-
den. Sie befteht aus 5000 Nummern und ift in
30 Sälen des C1NQUANTENA1RE untergebracht.
Der Schwerpunkt derfelben liegt in den Drucken,
durch deren Reichhaltigkeit und Qualität Brüffel
in die vorderfte Reihe der Beßrer japanifcher
Stiche rückt.
Die Kollektion beginnt mit dem 17. Jahr-
hundert und erftreckt fich bis in die Zeit des
Verfalls. Die Künftler Maronobu, Haronobu,
Utamaro, Hokufai, Hirofhige, Surimono find mit
zahlreichen und ausgezeichneten Blättern ver-
629
ruffifchem Privatbefiß in das Kabinett gekommen
ift. Krifteller hat darüber im lebten Heft der
„Amtlichen Mitteilungen“ referiert, auf das auch
hier verwiefen fei. Die Mehrzahl aller Skizzen
verrät unzweifelhaft die Hand Giovanni, Bat-
tiftas, obwohl man hier und dort vielleicht auch
Studien von anderer Hand (etwa der eines
Schülers oder Werkftattgehilfen) begegnet. In-
wieweit dies jedoch der Fall ift, wird [ich nicht
mit Sicherheit fagen laffen. Nur dies foll be-
merkt werden, daß auf den reifften Blättern der
Maler und Kompofiteur Tiepolo wundervoll reif
und gefchloffen (zum Teil viel unmittelbarer als
in feinen Gemälden) in die Erfcheinung tritt und
daß diefe Zeichnungen in der für Tiepolo
charakteriftifchen Manier durchaus impreffio-
niftifch wirken. Als weitere Proben der italie-
nifchen Schule feien ein feines Blatt mit der
doppelten Figur eines hl. Sebaftian genannt,
eine typifch Veronefer Arbeit, die unbedingt
dem Liberale zuzuweifen wäre, ferner eine
hiftorifche Szene, deren Deutung nicht offen-
fichtlich ift, die Friedländer mit Recht in die
Nähe Tizians verweift. Ein hervorragend
fdiönes Blatt zeigt die Handfchrift des Jacopo
Baffano. Es ftellt eine Geburt Mariä dar und
ift in fchwarzer Kreide ausgeführt; großartig im
Wurf des Kompofiitionellen, hervorragend gut
in der Zeichnung, trägt es alle charakteriftifchen
Kennzeichen des bedeutendften Mitgliedes diefer
reichen Familie. Typifch für die venezianifche
Kunft ift endlich auch eine Küftenlandfchaft von
Quardi, weich in der Modellierung und klar in
der zeichnerifchen Kompofition, mit allen Merk-
malen des großen Malers. — Die deutfche Kunft
ift durch die wundervolle Federzeichnung einer
Madonna von der Hand Älbrecht Dürers (aus
der Sammlung Lanna erworben) unübertrefflich
vertreten, während die Federzeichnung einer
hl. Magdalena, als deutfche Schule des 15. Jahr-
hunderts bezeidinet, nach Friedländers Meinung
vielleicht der kölnifchen Schule nahe ftehen dürfte.
Ein Porträtkopf „Luther auf dem Totenbette“
läßt fich literarifch auf Lucas Fortnagel be-
ziehen und ift unter diefem Meifter, allerdings
mit Fragezeichen, notiert. — Für die nieder-
ländifch-vlämifche Kunft bedeutet das „Feft der
Flora“, eine lavierte Federzeichnung von Ber-
naert van Orley keine geringere Erwerbung
als das prachtvoll farbige Landfchaftsaquarell
des Lucas van Valckenborch, das figniert
und 1583 datiert ift und aus dem Berliner Kunft-
handel (Charles de Burlet) erworben wurde. Es
fteht dicht neben den beften Bildern diefes be-
gabten Bruegel-Schülers und zeigt eine weit-
filhouettierte Landfchaft mit reicher Staffage.
Avercamps aquarellierte Federzeichnung mit
einer Pufffpielerfzene darf in diefem Zufammen-
hang angefchlojfen werden., — Dagegen ift die
franzöfifche Kunft vornehmlich durch zwei typifche
Skizzenblätter Fragonards aus der Folge des
„rafenden Roland“ repräfentiert. Ihnen reihen
[ich Claude Lorrains lavierte Federftudie zu
dem Bild im Buckingham-Palace und Pouffins
Pinfelzeichnung an, beides durch die Qualität
ausgezeichnete Arbeiten. — Die englifche Kunft
endlich repräfentieren zwei Landfchaftsftudien
Gainsboroughs und die Skizze einer fißenden
Frau desfelbenMeifters.Ießterevon bezwingender
Schönheit, und daneben ein gezeichnetes Porträt
der Königin Charlotte von England, derfelben,
die Gainsborough gemalt hat, von der Hand
des Hugh DouglasHamilton. Alles in allem
eine köftliche Summe von künftlerifch Wert-
vollem und kunfthiftorifch Intereffantem, zu deffen
Erwerbung man die Leitung der Sammlung nur
beglückwünfchen kann.
Auch die ältere Graphik hat manchen be-
merkenswerten Zuwachs zu verzeichnen, präch-
tige Blätter von Altdorfer und den deutfchen
Kleinmeiftern und zahlreiche Holzfchnitte der
deutfchen Schule des 15. Jahrhunderts. G. B.
BOSTON Mr. Jean Guiffrey, Direktor des
Boftoner Mufeums of Fine Arts (Amerika)
hat von den Vose Galleries für fein Mufeum
eine Landfchaft von Gainsborough (40X50 in-
ches) angekauft. Das Bild ftellt einen kleinen
Fluß dar, über den eine Holzbrücke führt. Ein
Hund leitet einen Blinden über die Brücke. Zur
Linken fcheint die Sonne durch Blätterwerk.
Das Bild ftammt aus der Sir George Beaumont-
Kollektion. F.
BRUSSEL Die Sammlung japanifcher
Stiche und Kunft gegen ft ände des Herrn
Augufte Michotte, welche diefer der Re-
gierung für den mäßigen Preis von einer Viertel-
million vor fünf Jahren überlaffen hat, ift jetjt
endlich dem Publikum zugänglich gemacht wor-
den. Sie befteht aus 5000 Nummern und ift in
30 Sälen des C1NQUANTENA1RE untergebracht.
Der Schwerpunkt derfelben liegt in den Drucken,
durch deren Reichhaltigkeit und Qualität Brüffel
in die vorderfte Reihe der Beßrer japanifcher
Stiche rückt.
Die Kollektion beginnt mit dem 17. Jahr-
hundert und erftreckt fich bis in die Zeit des
Verfalls. Die Künftler Maronobu, Haronobu,
Utamaro, Hokufai, Hirofhige, Surimono find mit
zahlreichen und ausgezeichneten Blättern ver-
629