Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0701
DOI Heft:
17. Heft
DOI Artikel:Cohn, Willy: Landolin Ohmacht
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LÄNDOLIN OHMÄCHT
einander liegen. In beiden ift das Wefentliche von Ohmachts Stil der neunziger Jahre
enthalten: die relative Selbftändigkeit, mit der [ich Frankenthaler Tradition und römifche
Antike verbindet. So fehr befonders die Engelbachplatte an attifche Grabreliefs er-
innert, verrät [ich doch ein der klajjifchen Kunft fremdes Empfinden: Übermaß an
wehmütiger Schwärmerei und gefühlvoller Aktion; neben dem zügigen Rhythmus be-
deutender Gewandmotive anmutige Linien voll tändelnder Grazie.
1797 kehrt Ohmacht in feine Heimat zurück. Das Jahrhundert endet, ohne daß
wir vorläufig feinen Weg an der Hand von geficherten Arbeiten verfolgen können.
Und doch muß Ohmachts Kunft in diefen Jahren eine entfcheidende Wendung erlebt
haben. Denn nach 1800, wo wir ihn in Straßburg treffen, zuerft 1801—1802 zu vorüber-
gehendem Aufenthalt, dann feit 1803 als feiner dauernden Heimat, ift Ohmacht zum
Monumentalbildhauer
geworden, noch immer
das Porträt, jetjt aber
in lebensgroßer Bildnis-
büfte, liebend, [ich aber
an Darftellungen aus
allen Stoffgebieten er-
probend.
Vielleicht hängt diefer
Umfchwung mit dem Ein-
fluß Weinbrenners, des
Karlsruher Architekten,
zufammen, mit welchem
Ohmacht damals in enge
Fühlung kam. Vielleicht
auch genügt es, daran
zu erinnern, daß mit
der Jahrhun-
dertwende
die kurze
aber bedeut-
fame Herr-
fchaft des
Empire her-
aufzudäm-
mern beginnt.
Wohl ift auch
des Künftlers
Geftaltungs-
kraft in diefer
Periode fei-
nes großen
Stiles (etwa
1800—1830)
gewachfen;
aber mit fei-
Abb. 10 LÄNDOLIN OHMÄCHT, Grabmal
für Chr. W. Koch. 1815
nem neuen Wollen, alles
damals als plaftifch dar-
ftellungswürdig Betrach-
tete zu umfaffen, hat fie
nicht gleichen Schritt hal-
ten können. Je weiter
das 19. Jahrhundert vor-
fchreitet, defto enger und
willenlofer fchließt fich
Ohmacht an die An-
tike an.
Auch jeßt noch ver-
liert fich fein Louis XVI.,
das der Grundftimmung
feines Inneren fo fehr
entfprach, nicht gleich.
Bis an das Ende des
erften Jahr-
zehnts blei-
ben zahlrei-
che Anknüp-
fungen wirk-
fam. Aber
es find eben
nur noch Er-
innerungen,
zu fchwach,
als daß fie
die bewußte
Tendenz zur
Antike hät-
ten abbiegen
können, fühl-
bar genug
indes, um in
die Schöp-
Straßburg,
Thomaskirdie
660
einander liegen. In beiden ift das Wefentliche von Ohmachts Stil der neunziger Jahre
enthalten: die relative Selbftändigkeit, mit der [ich Frankenthaler Tradition und römifche
Antike verbindet. So fehr befonders die Engelbachplatte an attifche Grabreliefs er-
innert, verrät [ich doch ein der klajjifchen Kunft fremdes Empfinden: Übermaß an
wehmütiger Schwärmerei und gefühlvoller Aktion; neben dem zügigen Rhythmus be-
deutender Gewandmotive anmutige Linien voll tändelnder Grazie.
1797 kehrt Ohmacht in feine Heimat zurück. Das Jahrhundert endet, ohne daß
wir vorläufig feinen Weg an der Hand von geficherten Arbeiten verfolgen können.
Und doch muß Ohmachts Kunft in diefen Jahren eine entfcheidende Wendung erlebt
haben. Denn nach 1800, wo wir ihn in Straßburg treffen, zuerft 1801—1802 zu vorüber-
gehendem Aufenthalt, dann feit 1803 als feiner dauernden Heimat, ift Ohmacht zum
Monumentalbildhauer
geworden, noch immer
das Porträt, jetjt aber
in lebensgroßer Bildnis-
büfte, liebend, [ich aber
an Darftellungen aus
allen Stoffgebieten er-
probend.
Vielleicht hängt diefer
Umfchwung mit dem Ein-
fluß Weinbrenners, des
Karlsruher Architekten,
zufammen, mit welchem
Ohmacht damals in enge
Fühlung kam. Vielleicht
auch genügt es, daran
zu erinnern, daß mit
der Jahrhun-
dertwende
die kurze
aber bedeut-
fame Herr-
fchaft des
Empire her-
aufzudäm-
mern beginnt.
Wohl ift auch
des Künftlers
Geftaltungs-
kraft in diefer
Periode fei-
nes großen
Stiles (etwa
1800—1830)
gewachfen;
aber mit fei-
Abb. 10 LÄNDOLIN OHMÄCHT, Grabmal
für Chr. W. Koch. 1815
nem neuen Wollen, alles
damals als plaftifch dar-
ftellungswürdig Betrach-
tete zu umfaffen, hat fie
nicht gleichen Schritt hal-
ten können. Je weiter
das 19. Jahrhundert vor-
fchreitet, defto enger und
willenlofer fchließt fich
Ohmacht an die An-
tike an.
Auch jeßt noch ver-
liert fich fein Louis XVI.,
das der Grundftimmung
feines Inneren fo fehr
entfprach, nicht gleich.
Bis an das Ende des
erften Jahr-
zehnts blei-
ben zahlrei-
che Anknüp-
fungen wirk-
fam. Aber
es find eben
nur noch Er-
innerungen,
zu fchwach,
als daß fie
die bewußte
Tendenz zur
Antike hät-
ten abbiegen
können, fühl-
bar genug
indes, um in
die Schöp-
Straßburg,
Thomaskirdie
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