Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0702
DOI Heft:
17. Heft
DOI Artikel:Cohn, Willy: Landolin Ohmacht
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0702
LANDOLIN OHMACHT
fungen diefer Periode eine eigenartige Note zu
tragen.
Eingeleitet wird die neue Phafe mit vier
Reliefs an dem von Weinbrenner entworfenen
Defaixdenkmal bei Straßburg, 1801 — 02. Das
charakteriftifche Beifpiel der erwähnten Durch-
dringung ftreng antikifchen Wollens mitLouisXVI.-
Reminiszenzen dürfte das Parisurteil im Park
von Nymphenburg fein, 1804—1807, eine aus
vier überlebensgroßen Einzelfiguren gebildete
Gruppe, deren Haltung an viel bewunderte
antike Gewandftatuen anknüpft. Aber über der
hellenifchen Aufmachung fcheint eine Umarbei-
tung und Verweichlichung in der Art der Juno
Ludovifi-Kopie durch. Jenes verfonnen-ftim-
mungsvolle Element, das felbft bei der Athena
und Hera an Arbeiten aus päte tendre denken
läßt, die zu-
Abb. 12. LANDOLIN OHMACHT, Pfyche.
Um 1814 Straßburg, Privatbefifj
Abb. 11. LANDOLIN OHMACHT,
Pfyche. Um 1814
Straßburg, Privatbepß
rückhaltenden,
verträumten,
unwichtigen
Gebärden, der
Mangel an je-
ner kompofi-
tionellen Ener-
gie, die die
Gruppe, ftattfie
zu einer höherenEinheit zu zwingen,in ihreEinzelglieder
auseinander fallen läßt, das alles find Nachklänge aus
dem vergangenen Jahrhundert. An das Ende diefer Stil-
phafe mag das bisher unbeachtet gebliebene und nicht
mehr ganz intakte Grabmal des 1807 jung verftorbenen
Barons Franz J. von Schauenburg (Geudertheim) ge-
hören, das Motive des Defaixdenkmales übernommen
hat und im Keim den künftigen Grabmalstypus Ohmachts
birgt: Büfte oder Relief des Verftorbenen in Marmor,
getragen oder gerahmt von einer Architektur inSandftein.
Machtvoll fe^t mit dem Oberlingrabmal, 1809—10,
Abb. 5 (Straßburg, Thomaskirche), das an monumentalen
Werken reichfte Jahrzehnt in Ohmachts Leben ein. Und
aus der eindrucksvollen Figur der Clio diefes Monu-
mentes klingt — von ftarken Anlehnungen an Canova
getragen — nicht minder wie aus der gleichzeitigen
edeln Büfte der Frau Garat, Abb. 9 (Wangen, Privat-
befit}), hellenifcher Seelenadel und Linienfchwung. Die
Rudimente des Louis XVI. find nun endgültig abge-
ftoßen, die Formen geläutert und geklärt: Ohmacht ift
661
fungen diefer Periode eine eigenartige Note zu
tragen.
Eingeleitet wird die neue Phafe mit vier
Reliefs an dem von Weinbrenner entworfenen
Defaixdenkmal bei Straßburg, 1801 — 02. Das
charakteriftifche Beifpiel der erwähnten Durch-
dringung ftreng antikifchen Wollens mitLouisXVI.-
Reminiszenzen dürfte das Parisurteil im Park
von Nymphenburg fein, 1804—1807, eine aus
vier überlebensgroßen Einzelfiguren gebildete
Gruppe, deren Haltung an viel bewunderte
antike Gewandftatuen anknüpft. Aber über der
hellenifchen Aufmachung fcheint eine Umarbei-
tung und Verweichlichung in der Art der Juno
Ludovifi-Kopie durch. Jenes verfonnen-ftim-
mungsvolle Element, das felbft bei der Athena
und Hera an Arbeiten aus päte tendre denken
läßt, die zu-
Abb. 12. LANDOLIN OHMACHT, Pfyche.
Um 1814 Straßburg, Privatbefifj
Abb. 11. LANDOLIN OHMACHT,
Pfyche. Um 1814
Straßburg, Privatbepß
rückhaltenden,
verträumten,
unwichtigen
Gebärden, der
Mangel an je-
ner kompofi-
tionellen Ener-
gie, die die
Gruppe, ftattfie
zu einer höherenEinheit zu zwingen,in ihreEinzelglieder
auseinander fallen läßt, das alles find Nachklänge aus
dem vergangenen Jahrhundert. An das Ende diefer Stil-
phafe mag das bisher unbeachtet gebliebene und nicht
mehr ganz intakte Grabmal des 1807 jung verftorbenen
Barons Franz J. von Schauenburg (Geudertheim) ge-
hören, das Motive des Defaixdenkmales übernommen
hat und im Keim den künftigen Grabmalstypus Ohmachts
birgt: Büfte oder Relief des Verftorbenen in Marmor,
getragen oder gerahmt von einer Architektur inSandftein.
Machtvoll fe^t mit dem Oberlingrabmal, 1809—10,
Abb. 5 (Straßburg, Thomaskirche), das an monumentalen
Werken reichfte Jahrzehnt in Ohmachts Leben ein. Und
aus der eindrucksvollen Figur der Clio diefes Monu-
mentes klingt — von ftarken Anlehnungen an Canova
getragen — nicht minder wie aus der gleichzeitigen
edeln Büfte der Frau Garat, Abb. 9 (Wangen, Privat-
befit}), hellenifcher Seelenadel und Linienfchwung. Die
Rudimente des Louis XVI. find nun endgültig abge-
ftoßen, die Formen geläutert und geklärt: Ohmacht ift
661