Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0703
DOI issue:
17. Heft
DOI article:Cohn, Willy: Landolin Ohmacht
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LANDOLIN OHMACHT
Klaffizift geworden. Und hat er jet^t, wie 1816
im Kochmonument, Abb. 10 (Straßburg, Thomas-
kirche), das Bildnis eines Gelehrten zu meißeln,
fo paßt er es den Büften römifcher Staatsmänner
an. Doch braucht man die Arbeiten diefes zweiten
Jahrzehnts nur untereinander und mit der Antike
zu vergleichen, um zu erkennen, daß die fcheinbar
glänzendfte Periode in Ohmachts Werk arm war
an eigenem künjtlerifchen Gewalten, daß jenes
innerlich fremde Formenideal erkältend und läh-
mend auf dem Künftler laftete. In Darftellungen
der Hebe und der Pfyche hat damals Ohmacht feit
Canova geläufige Vorwürfe aufgenommen. Von
feinen Faffungen der Hebe ift wenigftens eine Ton-
fkizze erhalten geblieben. Und auch feine Pfyche-
kompofition, von der Rohr nur wenig angeben
kann1, läßt fich wiederfinden. Die Straßburger
Ausftellung enthielt eine Pfyche, halbaufgerichtet,
dem entfchwebenden Amor nachblickend, in der
wir eine Replik feines berühmten Marmorwerks
erblicken dürfen, Abb. 11. Eine zweite Faffung
aus weißem Sandftein (Straßburger Privatbefife),
Abb. 12, erfcheint als weitere eigenhändige Wie-
derholung desfelben Themas. Und die beigegebe-
nen Abbildungen laffen ohne Mühe erkennen, daß
Motiv und Gewandung der jüngften, in den Schoß
der Mutter flüchtende, Niobide entlehnt find. Die
Seitenanficht weift überdies auf CanovasEmodenk-
mal, deffen geflügeltem Genius die Elemente ent-
nommen find, welche die antike Gruppe felbft nur
andeutungsweife geben konnte. Die Zufammen-
ftellung der Ohmachtfchen Pfyche mit feiner Alle-
gorie der Stadt Straßburg auf dem Kochmonument von 1816, Abb. 10, zeigt dann, daß
auch diefe Argentina mit durch ihre Bedeutung bedingten Veränderungen derfelben Gruppe
angehört. Endlich fand fich das gleiche Motiv in gleicher Behandlung in der verfchollenen
Figur der bekleideten Hebe, fofern die erhaltene Tonfkizze (Straßburg, Privatbefi^) mit
dem marmornen Hauptwerk übereingeht, von dem wir urkundliche Nachrichten befitjen.
Auch die Figuren der sechs Mufen über dem Periftyl des Straßburger Stadttheaters,
1820—22, find in ähnlicher Weife in der Kunft ihrer Zeit und der der Antike ver-
klammert. Doch es genüge im Rahmen diefer Skizze, die Tatfache feftzuftellen, und
unter Übergehung einer Reihe anderer Arbeiten aus Ohmachts klassizistischer Zeit gleich
des Künftlers leßter Wandlung zu gedenken. — Faft unmerklich bereitet fie fich gegen
Ende der zwanziger Jahre vor. Jener Entwurf zu einem Kleberdenkmal von 1818,
Abb. 13. LANDOLIN OHMACHT, Entwurf
zu einem Kleberdenkmal. 1818
Mülhaufen, Privatbefif}
1 Es ift Rohr entgangen, daß auch Ohmacht, wie faft jeder klaffiziftifdi intereffierte Bildhauer
jener Zeit, eine Gruppe Amor und Pfyche gemeißelt hat, ftehend und fich umarmend. Vgl. Her-
mann, notices sur la ville de Strasbourg II, p. 367. Danach war die Gruppe, vier Fuß hoch, im
Jahre 1819 gerade im Entftehen. Nachzuweifen ift die Arbeit nicht mehr.
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Klaffizift geworden. Und hat er jet^t, wie 1816
im Kochmonument, Abb. 10 (Straßburg, Thomas-
kirche), das Bildnis eines Gelehrten zu meißeln,
fo paßt er es den Büften römifcher Staatsmänner
an. Doch braucht man die Arbeiten diefes zweiten
Jahrzehnts nur untereinander und mit der Antike
zu vergleichen, um zu erkennen, daß die fcheinbar
glänzendfte Periode in Ohmachts Werk arm war
an eigenem künjtlerifchen Gewalten, daß jenes
innerlich fremde Formenideal erkältend und läh-
mend auf dem Künftler laftete. In Darftellungen
der Hebe und der Pfyche hat damals Ohmacht feit
Canova geläufige Vorwürfe aufgenommen. Von
feinen Faffungen der Hebe ift wenigftens eine Ton-
fkizze erhalten geblieben. Und auch feine Pfyche-
kompofition, von der Rohr nur wenig angeben
kann1, läßt fich wiederfinden. Die Straßburger
Ausftellung enthielt eine Pfyche, halbaufgerichtet,
dem entfchwebenden Amor nachblickend, in der
wir eine Replik feines berühmten Marmorwerks
erblicken dürfen, Abb. 11. Eine zweite Faffung
aus weißem Sandftein (Straßburger Privatbefife),
Abb. 12, erfcheint als weitere eigenhändige Wie-
derholung desfelben Themas. Und die beigegebe-
nen Abbildungen laffen ohne Mühe erkennen, daß
Motiv und Gewandung der jüngften, in den Schoß
der Mutter flüchtende, Niobide entlehnt find. Die
Seitenanficht weift überdies auf CanovasEmodenk-
mal, deffen geflügeltem Genius die Elemente ent-
nommen find, welche die antike Gruppe felbft nur
andeutungsweife geben konnte. Die Zufammen-
ftellung der Ohmachtfchen Pfyche mit feiner Alle-
gorie der Stadt Straßburg auf dem Kochmonument von 1816, Abb. 10, zeigt dann, daß
auch diefe Argentina mit durch ihre Bedeutung bedingten Veränderungen derfelben Gruppe
angehört. Endlich fand fich das gleiche Motiv in gleicher Behandlung in der verfchollenen
Figur der bekleideten Hebe, fofern die erhaltene Tonfkizze (Straßburg, Privatbefi^) mit
dem marmornen Hauptwerk übereingeht, von dem wir urkundliche Nachrichten befitjen.
Auch die Figuren der sechs Mufen über dem Periftyl des Straßburger Stadttheaters,
1820—22, find in ähnlicher Weife in der Kunft ihrer Zeit und der der Antike ver-
klammert. Doch es genüge im Rahmen diefer Skizze, die Tatfache feftzuftellen, und
unter Übergehung einer Reihe anderer Arbeiten aus Ohmachts klassizistischer Zeit gleich
des Künftlers leßter Wandlung zu gedenken. — Faft unmerklich bereitet fie fich gegen
Ende der zwanziger Jahre vor. Jener Entwurf zu einem Kleberdenkmal von 1818,
Abb. 13. LANDOLIN OHMACHT, Entwurf
zu einem Kleberdenkmal. 1818
Mülhaufen, Privatbefif}
1 Es ift Rohr entgangen, daß auch Ohmacht, wie faft jeder klaffiziftifdi intereffierte Bildhauer
jener Zeit, eine Gruppe Amor und Pfyche gemeißelt hat, ftehend und fich umarmend. Vgl. Her-
mann, notices sur la ville de Strasbourg II, p. 367. Danach war die Gruppe, vier Fuß hoch, im
Jahre 1819 gerade im Entftehen. Nachzuweifen ift die Arbeit nicht mehr.
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