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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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17. Heft
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AUSSTELLUNGEN

treten, zwei vollwertige Repräfentanten füd-
deutfdien Kunftfchaffens, von denen jeder eine
feft umriffene Perfönlichkeit darftellt. Der Land-
fchafter Kaifer ift den Befuchern der Münchener
Sezeffion feit langem bekannt. Er gehört zu
den Wenigen, die die gute Tradition der älteren
Schule aufgegriffen und in perfönlich-modernem
Geifte weiterentwickelt haben. In feinen Werken
verbindet fich dichterifcher Stimmungsgehalt mit
der Freude an Farbe, Sonne und Ätmofphäre
und mir fcheint im befonderen, daß er zu den
ganz Äuserwählten gehört, die noch „Bilder“
malen können und dabei doch auch impreffio-
niftifdi im beften Sinne des Wortes der Natur
gegenübertreten. Ein auffallend dekorativer
Zug ift feinen Gemälden eigen, der wie der
leife verklingende Ton einer Symphonie feinen
Arbeiten im Leuten einen geradezu mufikalifchen
Äbfchluß verleiht. Sie haben etwas von der
Lyrik Hölderlins — und damit jene feltfam er-
greifende Romantik, durch die hier im Dichte-
rifchen der Maler die Natur überwindet und ins
rein Gefühlsmäßige, Kontemplative überfe^t.
Denn alle diefe in ihrer Gefchloffenheit fo un-
gemein anfpredienden Bilder, die die Stimmungen
eines Abends über weiter Flur, des Vorfrühlings
oder eines aufziehenden Gewitters über fommer-
licher Landfchaft zeigen, find mit den Augen
des Verliebten gemalt, für den die Natur nichts
ift als eine prächtige Harmonie von Farben und
Licht. Das entzückende Ovalbild der „alten
Kirche bei Seeon“ (auch Leo Puß hat einmal in
ganz anderem Sinne das gleiche Motiv gewählt)
ift wie der ferne Ausklang jener müden Romantik,
zu der in ftillen Stunden auch der moderne
Menfch fo gern hinirrt, um der Meditation zu
opfern. Doch neben dem Dichter Kaifer fteht
der Techniker, der — fo will es fcheinen — bei
den alten Holländern in die Schule ging und an
Seghers und Köninck lernte, weite Fernblicke
malerifch zu meiftern. Das Gefühl für die
optifchen Gefeße der Fläche führte ihn freilich
zu neuen Ausdrucksmöglichkeiten, die Hand in
Hand mit den Abfichten unferer Moderne gehen.—
Dem Landfehafter fteht in Geffcken ein Por-
trätmaler gegenüber, dem man im ganzen ähn-
liche Vorzüge nachrühmen kann. Auch er ift
typifch Münchener Schule, die einftmals einen
Leibi, Schuch, Wilhelm v. Diez als Koryphäen
befaß. (Es muß hier übrigens eingefchaltet
werden, daß wie Kaifer gebürtiger Magdeburger,
Geffcken gebürtiger Hamburger ift, obwohl das
ja wenig befagen will.) Sein „blue boy“ könnte
von Leibi gemalt fein, fo delikat ift er im Ton,
fo zufammengegoffen in diefer fchweren male-
rifdien Kompofition, in die das einzige Blau
belebend hineinfticht. Ähnlich feine Bildniffe:

Das Porträt von Thomas Mann, das ganz Ari-
ftokratie des Geiftes, ganz Vornehmheit der
Gefinnung ift, einfach und doch lapidar in der
malerifchen Handfchrift und nicht minder akzen-
tuiert in der Harmonie empfundener farbiger
Gefchloffenheit. Daneben das Bildnis einer Dame
in Grau; auch diefes fenfitiv bis zum Äußerften
und von wirklicher Eleganz, über der das geiftige
Moment nicht zu Schanden kommt. Geffcken
ift außerdem Landfehafter, obwohl er auf diefem
Gebiet nirgends ganz frei erfcheint bei aller
Frifche, die feinen flott hingeworfenen Skizzen
eignet. Er hat zudem dem Rokoko feine Reve-
renz erwiefen und Sachen gemalt, die immer
noch von ftarker Qualität, doch zu fehr einer
gewiffen Laune des Publikums Rechnung tragen.
Aber hier wie dort fcheint er nie ganz er felbft
und ich perfönlich möchte diefem hochbegabten
Schaffenden wünfehen, daß er fich für die Folge
einzig aufs Porträt konzentriert, fchon weil die
wirklich guten Porträtiften in München immer
feltener werden.

Eine dritte Kollektivausftellung führt der Ber-
liner Leonhard Sandrodt vor und diefe Werke
verdienen allein fchon um des Themas willen
Beachtung. Denn fie gelten den Stätten der
Arbeit, der Induftrie und dem Handel und fie
greifen mit einer warmen malerifchen Begeife-
rung hinein in das furrende Getriebe der Werften,
Walzwerke, kurz in jenes Reich, wo Dampf und
Feuer ihre Zeichen weifen. Das meifte, was der
Künftler zeigt, hat in der Tat den pfychologifchcn
Konnex mit dem Thema gefunden und nur ver-
einzelt will es fcheinen, als fei es der geftalten-
den Kraft verfagt geblieben, das Letzte künftle-
rifch zu beherrfchen, aus dem heraus diefe
Bilder Symbole auf das Wollen der Gegenwart
werden könnten. Aber hier ift die intuitive
fchöpferifche Kraft im ganzen doch latent, was
man z. B. den an fich nicht unüblen Aquarellen
mit venezianifchen Motiven eines Heinrich
Rettig-München nicht eben nachfagen kann
und noch weniger dem Kallmorgen-Schüler
Berthold Clauß, der viel Frifche, aber noch
keine ausgefchriebene Handfchrift befit^t. Auch
der Leipziger Wilh. Schulze-Rofe, dem in
feinen „Spielern“ immerhin ein guter Wurf ge-
lungen, ift im ganzen viel zu ungleich und nicht
minder der Münchener Raoul Frank. Höchftens
der Berliner Otto Thiele verdiente noch Er-
wähnung. Indes bei all diefen zuletzt genannten,
die nicht zu den Jungen gehören, die erwar-
tungsfroh ftimmen, vermag felbft die durchschnitt-
liche Qualität zu längerem Verweilen nicht ein-
zuladen.

Dagegen mag auch diesmal wieder auf die
andere traditionelle Note der Schultefchen Kunft-

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