Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911
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18. Heft
DOI Artikel:Rundschau - Sammlungen
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SAMMLUNGEN
Watts, Puvis de Chavannes und Domenico Mo-
relli find alle Manifeftationen der Kunft des
lebten Jahrhunderts jeßt in ihren Hauptmeiftern
vertreten, und ihnen fchließen [ich die zahl-
reichen Eklektiker an, von denen wir manche
nicht ungern mißen würden. Aus den Erwer-
bungen der leßten Jahre find die Selbftbildniffe
von Lenbach, Blanche, Liebermann, Stuck und
Besnard hervorzuheben. Zu diefen Bildniffen
moderner Meifter gefeilt fich das auf derMoftra
del Ritratto im Palazzo Vecchio viel bewun-
derte Selbftporträt des in Rom 1731 geborenen
Malers Mar cell o Bacciarelli, der den größten
Teil feines Lebens im Dienfte des Königs von
Polen verbracht hat. Das Bild, ein hochherziges
Gefchenk des Grafen Moriß Zamoyski, ift fehr
vornehm in der Haltung, in dem feinen, duf-
tigen franzöfifchen Stil der Zeit gemalt und von
prächtigem goldenem Ton. Nach Schluß der
Äusftellung wird es der Sammlung der Uffizien
einverleibt werden. Einige andere Neuerwer-
bungen, die noch nicht ausgeftellt find, durfte
der Berichterftatter im Amtszimmer des Kon-
fervators Pieraccini bewundern: Ein überlebens-
großes Bruftbild des Mailänder Malers Emilio
Gola, das den jeßt fechzigjährigen Meifter in
der Blüte feiner Jahre, mit feinem von dunklen
Locken umwallten hübfchen Künftlerkopf in
voller Vorderanficht darftellt. Erwähnenswert
ift ferner ein jugendliches Selbftbildnis des 1893
in Lodi verftorbenen Mofe di Giufeppe
Bianchi, fympathifch und liebenswürdig, und
das ovale Bruftbild des Giacomo Trecourt
(geboren in Bergamo 1812 und geftorben in
Pavia 1882). Sehr viel bedeutender aber ift
das Selbftbildnis des John Lavery, das im
vergangenen Jahre auf der Venezianer Aushei-
lung zu fchauen war, eine Symphonie in weiß
und grau. Mit großer Spannung wird das vom
Meifter verfprochene Konterfei Frank Brang-
wyns und das zurzeit in Rom ausgeftellte Selbft-
bildnis Larffons erwartet.
In der GALLERIA DI ARTE ANTICA E MO-
DERNA bereiten fich wichtige Neuerungen vor.
Ein großer Teil der meift unbedeutenden Bilder
der modernen Galerie foll bis zum Oktober ins
Magazin überführt werden, um Plaß für die
etwa 100 Bilder umfaffende moderne Galerie
der Stadt zu gewinnen. Durch diefe Arbeiten,
die der Leitung des Infpektors der Galerie, Dr.
Nello Tarchiani, unterftehen, wird die Sammlung
einem fehr notwendigen Verjüngungsprozeß
unterzogen. Ferner plant man auf dem Areal
der Akademie neue Räume zu erbauen für die
koftbare Sammlung der älteren Bilder, während
die dadurch frei werdenden Säle des Erdge-
fchoffes von den Gemälden des Seicento ein-
genommen werden follen, die jeßt zum größten
Teil aus Raummangel magaziniert find. W. B.
HANNOVER Das KESTNER-MUSEUM hat
eine wertvolle Bereicherung durch einige Goethe-
Erinnerungen erfahren, dieGefchenke darftellen,
die der Dichter Charlotte Keftner gemacht hat.
Diefe waren zuleßt im Befiß von Lottens Nichte,
dem in Köln lebenden 91jährigen Fräulein
W. Buff, die fie dem Mufeum überwiefen hat.
LONDON Die NATIONAL GALLERY ift um
ein bedeutendes Werk der vlämifchen Schule
bereichert worden. DieTruftees der Gallery haben
von der Gräßn von Carlisle Mabufes berühm-
tes Bild „Anbetung der Könige“ um £ 40000
gekauft, das gewöhnlich unter dem Namen „The
Caftle Howard Mabufe“ (Schloß Howard Ma-
bufe) geht. Das Bild war den Truftees zum Kauf
angeboten worden, ehe fich noch ein Zwifchen-
händler oder eine Firma dazwifchengefchoben
hatte, wie es f. Z. in dem Falle der Holbeinfchen
Herzogin von Mailand zum Schaden der Öffent-
lichkeit gefchehen war. Der Preis von „£*40000
wird für diefes Hauptwerk Mabufes, das ganz
vorzüglich erhalten ift, als ein mäßiger bezeichnet.
Man fagt, in freihändigem Verkauf würde die
bisherige Eigentümerin eine bedeutend größere
Summe dafür erhalten haben. Der nur im Falle
von Rembrandts Mühle nicht rührig gewefene
Art Collections Fund fteuerte zu der Summe von
£ 40000 ein Vierlel bei; die Gallery felber zahlte
£ 15000 aus ihr zur Verfügung ftehenden Fonds,
und die Regierung gab den Reft von £ 15000
unter gewiffen Bedingungen, die wohl haupt-
fächlich darin beftehen dürften, daß der jährliche
Regierungszufchuß zu Käufen der Gallery folange
ganz oder teilweife wegfällt, bis die vorgeftreckte
Summe erreicht ift. Das Bild wurde 1835 von
Dr. Waagen in Caftle Howard befichtigt und in
feinem Werk über die Kunftfchäße Englands
eingehend befchrieben. Es ftammt aus der prä-
italienifchen Periode des Mabufefchen Kunft-
fchaffens, jedoch erfcheinen fchon Renaiffance-
motive in ihm. Das Bild, das 69X63 inches groß
ift, war für den Altar der Abtei zu Grammont in
Oftflandern ungefähr ums Jahr 1500gemalt worden
und von dort dann von den Statthaltern der
Niederlande Albert und Ifabella gekauft worden.
Mr. Maurice W. Brochwell, der in Bälde eine
Spezialftudie über Mabufe veröffentlichen wird,
behauptet, daß diefes Bild identifch fei mit einem,
das in den „Archives Royales de Bruxelles“ be-
fchrieben wird zu einer Zeit, als diefes leßtere
Der Cicerone, III. Jahrg., 18. Heft. 54
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Watts, Puvis de Chavannes und Domenico Mo-
relli find alle Manifeftationen der Kunft des
lebten Jahrhunderts jeßt in ihren Hauptmeiftern
vertreten, und ihnen fchließen [ich die zahl-
reichen Eklektiker an, von denen wir manche
nicht ungern mißen würden. Aus den Erwer-
bungen der leßten Jahre find die Selbftbildniffe
von Lenbach, Blanche, Liebermann, Stuck und
Besnard hervorzuheben. Zu diefen Bildniffen
moderner Meifter gefeilt fich das auf derMoftra
del Ritratto im Palazzo Vecchio viel bewun-
derte Selbftporträt des in Rom 1731 geborenen
Malers Mar cell o Bacciarelli, der den größten
Teil feines Lebens im Dienfte des Königs von
Polen verbracht hat. Das Bild, ein hochherziges
Gefchenk des Grafen Moriß Zamoyski, ift fehr
vornehm in der Haltung, in dem feinen, duf-
tigen franzöfifchen Stil der Zeit gemalt und von
prächtigem goldenem Ton. Nach Schluß der
Äusftellung wird es der Sammlung der Uffizien
einverleibt werden. Einige andere Neuerwer-
bungen, die noch nicht ausgeftellt find, durfte
der Berichterftatter im Amtszimmer des Kon-
fervators Pieraccini bewundern: Ein überlebens-
großes Bruftbild des Mailänder Malers Emilio
Gola, das den jeßt fechzigjährigen Meifter in
der Blüte feiner Jahre, mit feinem von dunklen
Locken umwallten hübfchen Künftlerkopf in
voller Vorderanficht darftellt. Erwähnenswert
ift ferner ein jugendliches Selbftbildnis des 1893
in Lodi verftorbenen Mofe di Giufeppe
Bianchi, fympathifch und liebenswürdig, und
das ovale Bruftbild des Giacomo Trecourt
(geboren in Bergamo 1812 und geftorben in
Pavia 1882). Sehr viel bedeutender aber ift
das Selbftbildnis des John Lavery, das im
vergangenen Jahre auf der Venezianer Aushei-
lung zu fchauen war, eine Symphonie in weiß
und grau. Mit großer Spannung wird das vom
Meifter verfprochene Konterfei Frank Brang-
wyns und das zurzeit in Rom ausgeftellte Selbft-
bildnis Larffons erwartet.
In der GALLERIA DI ARTE ANTICA E MO-
DERNA bereiten fich wichtige Neuerungen vor.
Ein großer Teil der meift unbedeutenden Bilder
der modernen Galerie foll bis zum Oktober ins
Magazin überführt werden, um Plaß für die
etwa 100 Bilder umfaffende moderne Galerie
der Stadt zu gewinnen. Durch diefe Arbeiten,
die der Leitung des Infpektors der Galerie, Dr.
Nello Tarchiani, unterftehen, wird die Sammlung
einem fehr notwendigen Verjüngungsprozeß
unterzogen. Ferner plant man auf dem Areal
der Akademie neue Räume zu erbauen für die
koftbare Sammlung der älteren Bilder, während
die dadurch frei werdenden Säle des Erdge-
fchoffes von den Gemälden des Seicento ein-
genommen werden follen, die jeßt zum größten
Teil aus Raummangel magaziniert find. W. B.
HANNOVER Das KESTNER-MUSEUM hat
eine wertvolle Bereicherung durch einige Goethe-
Erinnerungen erfahren, dieGefchenke darftellen,
die der Dichter Charlotte Keftner gemacht hat.
Diefe waren zuleßt im Befiß von Lottens Nichte,
dem in Köln lebenden 91jährigen Fräulein
W. Buff, die fie dem Mufeum überwiefen hat.
LONDON Die NATIONAL GALLERY ift um
ein bedeutendes Werk der vlämifchen Schule
bereichert worden. DieTruftees der Gallery haben
von der Gräßn von Carlisle Mabufes berühm-
tes Bild „Anbetung der Könige“ um £ 40000
gekauft, das gewöhnlich unter dem Namen „The
Caftle Howard Mabufe“ (Schloß Howard Ma-
bufe) geht. Das Bild war den Truftees zum Kauf
angeboten worden, ehe fich noch ein Zwifchen-
händler oder eine Firma dazwifchengefchoben
hatte, wie es f. Z. in dem Falle der Holbeinfchen
Herzogin von Mailand zum Schaden der Öffent-
lichkeit gefchehen war. Der Preis von „£*40000
wird für diefes Hauptwerk Mabufes, das ganz
vorzüglich erhalten ift, als ein mäßiger bezeichnet.
Man fagt, in freihändigem Verkauf würde die
bisherige Eigentümerin eine bedeutend größere
Summe dafür erhalten haben. Der nur im Falle
von Rembrandts Mühle nicht rührig gewefene
Art Collections Fund fteuerte zu der Summe von
£ 40000 ein Vierlel bei; die Gallery felber zahlte
£ 15000 aus ihr zur Verfügung ftehenden Fonds,
und die Regierung gab den Reft von £ 15000
unter gewiffen Bedingungen, die wohl haupt-
fächlich darin beftehen dürften, daß der jährliche
Regierungszufchuß zu Käufen der Gallery folange
ganz oder teilweife wegfällt, bis die vorgeftreckte
Summe erreicht ift. Das Bild wurde 1835 von
Dr. Waagen in Caftle Howard befichtigt und in
feinem Werk über die Kunftfchäße Englands
eingehend befchrieben. Es ftammt aus der prä-
italienifchen Periode des Mabufefchen Kunft-
fchaffens, jedoch erfcheinen fchon Renaiffance-
motive in ihm. Das Bild, das 69X63 inches groß
ift, war für den Altar der Abtei zu Grammont in
Oftflandern ungefähr ums Jahr 1500gemalt worden
und von dort dann von den Statthaltern der
Niederlande Albert und Ifabella gekauft worden.
Mr. Maurice W. Brochwell, der in Bälde eine
Spezialftudie über Mabufe veröffentlichen wird,
behauptet, daß diefes Bild identifch fei mit einem,
das in den „Archives Royales de Bruxelles“ be-
fchrieben wird zu einer Zeit, als diefes leßtere
Der Cicerone, III. Jahrg., 18. Heft. 54
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