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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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19. Heft
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Biermann, Georg: Die Neuerwerbungen für die königl. Nationalgalerie: Zur Ausstellung in der Akademie der Künste in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0775

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DIE NEUERWERBUNGEN FÜR DIE KÖNIGL. NATIONALGALERIE

kunfthiftorifchen Synthefe, die hier mehr
angedeutet als ausgefchöpft werden mag.
Aber von hier aus ift doch der direkte
Weg zu den anderen großen Neuerwer-
bungen auf dem Gebiet der Malerei ge-
wiefen, die im dritten, dem Hauptfaal der
Akademie vereinigt find: Arnold Böcklin
mit fünf Werken ift zunächft zu nennen.
Von diefen gehören vier zu jenen Stücken,
die reiner als alle Spätwerke die eigent-
liche Miffion diefes Vifionärs und Dichters
offenbaren. Eine Landfchaft vom Jahre
1860, die als die „Voltßche Campagna-
landfchaft“ in dem Tagebuch des Malers
Schick erwähnt ift, gibt eine. Symphonie
von Licht und blauem Himmel, die alle
Reinheit noch ungefteigerter künftlerifcher
Effekte befiel Und als Pendant zu diefem
Stück das Bildnis der Frau Angela, das drei
Jahre fpäter gemalt und als „enkauftifcher
Verfuch“ (Schick) 1863 unter dem Eindruck
der pompejanifchen Fresken entftanden ift.
Nimmt man dazu die leider unvollendete
große Studie der „Götter Griechenlands“
vom Jahre 1866, fo hat man in drei Bildern den jungen Böcklin einzigartig vertreten,
deffen hier gegebene Verfprechen leider doch zum größten Teil unerfüllt geblieben
find. Denn fchon die ficher köftliche „Hochzeitsreife“, auch „Erinnerung an Italien“
genannt vom Jahre 1875, die zwifchen einem Felfentor das gefegnete Land der Ver-
heißung fehen läßt und aus voller Bruft das Jauchzen des aus Bafel Zurückgekehrten
erfchallen läßt, bringt fehr greifbar den Böcklin der fpäteren Jahre zum Bewußtfein,
in deffen Hain die Götter Griechenlands alle mehr oder weniger ftereotyp werden
füllten. Und faft noch mehr kann man dies von „Triton und Nereide“ behaupten,
das aus dem gleichen Jahre ftammt. Dies prächtige Großbild mit der ergreifenden
Gewitterftimmung und der überfinnlichen Farbenfymphonie ift als eine der markanteren
Neuerwerbungen anzufprechen. Indes, Böcklin bleibt immer ein Kapitel für fich, das
faft beziehungslos zu dem übrigen Schaffen der Zeit anmutet. Denn das ift unter
dem Gefichtspunkt der Evolution im Großen anderswo intenfiver zu erfaßen. Man
gehe z. B. zu dem Sachfen Ferdinand v. Rayski (1807—1890), von dem Jufti zwei
Werke erwerben konnte, dies unglaublich fchöne, menfchlich ergreifende und als höchfte
Oßenbarung aller Porträtmalerei zu wertende Bildnis der Künftlermutter und dazu die
Skizze eines Kavallerie-Angrißes, die fich in ihrem wilden Durcheinander einer bis zum
Äußerften gefteigerten Bewegtheit felbft den Meifterfchöpfungen eines Gericault über-
legen zeigt. Oder man fehe das Stilleben von Ferdinand Waldmüller, dem
Öftreicher, das an Vornehmheit und malerifcher Empßndung zu dem Beften rechnet,
was wahrhaft große Kunft bis auf diefen Tag gefchaßen.

Diefer Hauptfaal der Ausftellung begreift in fich ein kleines Mufeum deutfcher Kunft
des 19. Jahrhunderts, das felbft entlegene Dinge harmonifdi zufammenführt. So den

FERDINAND VON RÄYSKI, Bildnis der Mutter
des Künftlers

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