Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911
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19. Heft
DOI Artikel:Der Kunstmarkt - Von den Auktionen
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DIE VERSTEIGERUNG DER SAMMLUNG GUSTAV VON GERHARDT
in den Zufchreibungen an die einzelnen Künft-
ler hin, weil hier erft die fundamentalen Arbeiten
zu erwarten find. Doch ift gerade das Material
diefer Sammlung reich an Typen individueller
Eigenart, die zu lehrreichen Erkenntniffen führen
können.
Audi die Gefchirre der Frühzeit bieten
mancherlei Intereffantes. Die Boettgergefäße
find in allen Entwicklungsftadien vertreten und
die befte Zeit unter Hörold wird durch feltene
Proben repräfentiert. In der Bearbeitung diefer
Abteilung zeigt ficb Krügers anerkannte Be-
fchlagenheit auf diefem fchwierigen Spezial-
gebiet und die Hinweife des Vorwortes ver-
dienen nach der Hinficht die befondere Beach-
tung aller Forfcher.
Ähnliche Vielfeitigkeit behauptet die Sammlung
gegenüber der Wiener Porzellanplaftik.
Die Mehrzahl der Modelle ift bereits literarifch
feftgelegt, ausgenommen die große Jägergruppe
Nr. 299, die ftark an den Ludwigsburger Puftelli
Bildnis der Comtesse de Noailles von J. Ifabey, 1821
Äus der Sammlung G. v. Gerhardt. Verweigerung bei Rud.
Lepke, Berlin, vom 7.-9. November
gemahnt, eine Beziehung, die auch fonft feftgeftellt
ift, ohne bisher befriedigend klar gelegt zu fein.
In der folgenden Abteilung der Bildnis-
miniaturen begegnen zumeift Werke aus dem
erften Drittel des 19. Jahrhunderts. Neben den
wenigen auf Kupfer gemalten Bildniffen find es
die zum großen Teil bezeichneten Elfenbein-
miniaturen, die den Hauptbeftand abgeben. Hier
genügt es, einige Künftlernamen zu nennen wie
Isabey, Hall, Hoskins, Saar, die Brüder Theer,
Meytens, Suchy u. a., um einen Maßftab für die
überlegene Qualität diefer Stücke zu kennzeich-
nen. Das von Isabey 1821 gemalte Porträt der
Comteffe de Noailles gehört zu dem Beften,
was die Miniaturmalerei überhaupt hervorge-
bracht hat.
Unter den filbernen Gefäßen der nächften
Abteilung find es vornehmlich Krüge und Kannen
meift aus dem Ausgang des 16. und der erften
Hälfte des 17. Jahrhunderts, die den unerfchöpf-
lichen dekorativen Reichtum diefer Zeit und die
befonderen charakteriftifchen Merkmale der
Schöpfer von Augsburg, Bafel, Breslau,
Königsberg, Nürnberg ufw. bekunden. Er-
gänzend tritt zu diefer Gruppe koftbarer
Silberarbeiten diewunderbareKleinkun ft,
mit ihren ganz auf die Intimität des Ge-
nießens gerichteten Objekten: Tabatieren
und Souvenirs, Bibelots aus Gold und
farbigem Email, gefchmückt mit den Bild-
niffen von Kavalieren und fchönen Frauen,
Necessaires und Chätelaines ftrahlen den
vollen Zauber einer vergangenen Höhen-
kultur zurück, die felbft in den kleinften
Bedürfniffen des Dafeins künftlerifch ge-
wefen ift. Mode und Stilwandlung find
hier deutlich in den Formen ausgeprägt.
Das hochwandige Oval der mit Bildern
gefchmtickten Dofen aus der Mitte des
18. Säkulums wird mit der Zeit niedriger,
in der Empirezeit ganz flach und viereckig.
Und doch troß folcher Andeutungen, die
neben dem Wert der Objekte auch auf
das kulturhiftorifch Wichtige verweifen
follen — weil eben dies erft den Samm-
lertyp des ehemaligen Befißers erfchöpfend
kennzeichnen kann, ift es unmöglich, den
ganzen Reichtum diefer in ihrer Art erft-
klaffigen Kollektion zu umfehreiben. Würde
man an Hand des Kataloges erft ins
Detail gehen, man müßte erneut rekapi-
tulieren, was die vorbildliche, kunfthifto-
rifch fundierte Arbeit des Kataloges vor-
weggenommen hat. Diefe aber befonders
zu beleuchten, liegt bei den Zuftänden
des Kunftmarktes Anlaß genug vor. Denn
die Methode diefer wiffenfchaftlichen
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in den Zufchreibungen an die einzelnen Künft-
ler hin, weil hier erft die fundamentalen Arbeiten
zu erwarten find. Doch ift gerade das Material
diefer Sammlung reich an Typen individueller
Eigenart, die zu lehrreichen Erkenntniffen führen
können.
Audi die Gefchirre der Frühzeit bieten
mancherlei Intereffantes. Die Boettgergefäße
find in allen Entwicklungsftadien vertreten und
die befte Zeit unter Hörold wird durch feltene
Proben repräfentiert. In der Bearbeitung diefer
Abteilung zeigt ficb Krügers anerkannte Be-
fchlagenheit auf diefem fchwierigen Spezial-
gebiet und die Hinweife des Vorwortes ver-
dienen nach der Hinficht die befondere Beach-
tung aller Forfcher.
Ähnliche Vielfeitigkeit behauptet die Sammlung
gegenüber der Wiener Porzellanplaftik.
Die Mehrzahl der Modelle ift bereits literarifch
feftgelegt, ausgenommen die große Jägergruppe
Nr. 299, die ftark an den Ludwigsburger Puftelli
Bildnis der Comtesse de Noailles von J. Ifabey, 1821
Äus der Sammlung G. v. Gerhardt. Verweigerung bei Rud.
Lepke, Berlin, vom 7.-9. November
gemahnt, eine Beziehung, die auch fonft feftgeftellt
ift, ohne bisher befriedigend klar gelegt zu fein.
In der folgenden Abteilung der Bildnis-
miniaturen begegnen zumeift Werke aus dem
erften Drittel des 19. Jahrhunderts. Neben den
wenigen auf Kupfer gemalten Bildniffen find es
die zum großen Teil bezeichneten Elfenbein-
miniaturen, die den Hauptbeftand abgeben. Hier
genügt es, einige Künftlernamen zu nennen wie
Isabey, Hall, Hoskins, Saar, die Brüder Theer,
Meytens, Suchy u. a., um einen Maßftab für die
überlegene Qualität diefer Stücke zu kennzeich-
nen. Das von Isabey 1821 gemalte Porträt der
Comteffe de Noailles gehört zu dem Beften,
was die Miniaturmalerei überhaupt hervorge-
bracht hat.
Unter den filbernen Gefäßen der nächften
Abteilung find es vornehmlich Krüge und Kannen
meift aus dem Ausgang des 16. und der erften
Hälfte des 17. Jahrhunderts, die den unerfchöpf-
lichen dekorativen Reichtum diefer Zeit und die
befonderen charakteriftifchen Merkmale der
Schöpfer von Augsburg, Bafel, Breslau,
Königsberg, Nürnberg ufw. bekunden. Er-
gänzend tritt zu diefer Gruppe koftbarer
Silberarbeiten diewunderbareKleinkun ft,
mit ihren ganz auf die Intimität des Ge-
nießens gerichteten Objekten: Tabatieren
und Souvenirs, Bibelots aus Gold und
farbigem Email, gefchmückt mit den Bild-
niffen von Kavalieren und fchönen Frauen,
Necessaires und Chätelaines ftrahlen den
vollen Zauber einer vergangenen Höhen-
kultur zurück, die felbft in den kleinften
Bedürfniffen des Dafeins künftlerifch ge-
wefen ift. Mode und Stilwandlung find
hier deutlich in den Formen ausgeprägt.
Das hochwandige Oval der mit Bildern
gefchmtickten Dofen aus der Mitte des
18. Säkulums wird mit der Zeit niedriger,
in der Empirezeit ganz flach und viereckig.
Und doch troß folcher Andeutungen, die
neben dem Wert der Objekte auch auf
das kulturhiftorifch Wichtige verweifen
follen — weil eben dies erft den Samm-
lertyp des ehemaligen Befißers erfchöpfend
kennzeichnen kann, ift es unmöglich, den
ganzen Reichtum diefer in ihrer Art erft-
klaffigen Kollektion zu umfehreiben. Würde
man an Hand des Kataloges erft ins
Detail gehen, man müßte erneut rekapi-
tulieren, was die vorbildliche, kunfthifto-
rifch fundierte Arbeit des Kataloges vor-
weggenommen hat. Diefe aber befonders
zu beleuchten, liegt bei den Zuftänden
des Kunftmarktes Anlaß genug vor. Denn
die Methode diefer wiffenfchaftlichen
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