Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0880
DOI Heft:
21. Heft
DOI Artikel:Biermann, Georg: Neue Blätter von Joseph Pennell
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NEUE BLATTER VON JOSEPH PENNELL
Brücken in New-York
Sphäre feiner eigenen Schöpferkraft innerlich
verwandt ift. Die bezwingende Gewalt des
Malerifchen, das diefe Freiftätten der Urelemente
organischen Werdens preisgeben, der Sieg der
intellektuellen Dynamik des Menfchengeiftes über
den Reichtum und die Kräfte der Erde, das ift
für einen Künftler von fo feiner
fenfitiver Empfindung wie fie
Pennell zu eigen ift, Erfüllung
gewordene Prometheus-Sehn-
fucht und inkarnierte Sdhickfals-
lofung, unter deren Zeichen die
kommende Zukunft fteht. Wie
Zola vor Jahren im „Germinal“
die Schönheit der fchwarzen
Erde befang — wie Menzel in
feinem Eifenwalzwerk einmal
dem Blick die von Feuerfchein
erfüllte Werkftätte in ihrer kon-
traftreichen malerifchen Ver-
klärtheit erfchloffen, fo hat das
Oeuvre des englifchen Radierers
in diefer Welt prachtvoller Ge-
genfät^e eine Entfaltung gefun-
den, durch die er ohne weiteres
der Entdecker eines neuen Ge-
bietes geworden ift.
Indes nicht die Tatfache als
folche, daß Pennell überhaupt in
feinem Schaffen mit Vorliebe den
Motiven des induftriellen Dafeins nachgeht, gibt
feinem künftlerifchen Werke jene bezwingende
Eigennote, derentwegen wir ihn bewundern und
als einen derGrößten unferer künftlerifchen Gegen-
wart fchäßen; es ift vielmehr die Myftik feiner
inneren Schöpferkraft, durch die er folche Bilder
zu metaphyfifchen Gleichniffen auf das Leben der
Gegenwart umformt.
Als ein neuer Rembrandt verbindet er die
Fülle innerer Intuition mit dem Reichtum feiner
künftlerifchen Mittel. Eben jene Blätter, die
er letzthin in der Gegend von Oberhaufen und
Duisburg gefchaffen, dort wo der dynamifche
Pulsfchlag der deutfchen Erde am lebendigften
pocht, wo Tag und Nacht die Hochöfen ihre
Feuerfchlünde dem Himmel entgegenöffnen und
wo der einzelne nur ein Teil jener nie ftille gehen-
den Mafchine ift, die dem Boden die metallenen
Schäle entführt, find vergeiftigte Dokumente
auf den Titanenwillen des Menfchen, dem es
endlich gelungen ift, die Elemente der Schöpfung
fich felbft dienftbar zu machen. Hier hat die
Sehnfucht von Jahrhunderten Erfüllung gefunden,
hier ift aber auch über Nacht ein neues Reich
künftlerifcher Schönheit erftanden, das die Fülle
feiner malerifchen Gegenfä^e erft dem offen-
bart, der ihrer mit den Äugen eines Pennell
inne wird.
Darin allein aber erkennen wir auch die Miffion,
die diefem künftlerifchen Genie Vorbehalten war.
Man kann ergriffen fein von der Summe reiner
Schönheit, die Pennells Schöpfungen ausftrömen,
von der grandiofen Technik, die ihm als Radierer
Hochöfen bei Charleroi
831
Brücken in New-York
Sphäre feiner eigenen Schöpferkraft innerlich
verwandt ift. Die bezwingende Gewalt des
Malerifchen, das diefe Freiftätten der Urelemente
organischen Werdens preisgeben, der Sieg der
intellektuellen Dynamik des Menfchengeiftes über
den Reichtum und die Kräfte der Erde, das ift
für einen Künftler von fo feiner
fenfitiver Empfindung wie fie
Pennell zu eigen ift, Erfüllung
gewordene Prometheus-Sehn-
fucht und inkarnierte Sdhickfals-
lofung, unter deren Zeichen die
kommende Zukunft fteht. Wie
Zola vor Jahren im „Germinal“
die Schönheit der fchwarzen
Erde befang — wie Menzel in
feinem Eifenwalzwerk einmal
dem Blick die von Feuerfchein
erfüllte Werkftätte in ihrer kon-
traftreichen malerifchen Ver-
klärtheit erfchloffen, fo hat das
Oeuvre des englifchen Radierers
in diefer Welt prachtvoller Ge-
genfät^e eine Entfaltung gefun-
den, durch die er ohne weiteres
der Entdecker eines neuen Ge-
bietes geworden ift.
Indes nicht die Tatfache als
folche, daß Pennell überhaupt in
feinem Schaffen mit Vorliebe den
Motiven des induftriellen Dafeins nachgeht, gibt
feinem künftlerifchen Werke jene bezwingende
Eigennote, derentwegen wir ihn bewundern und
als einen derGrößten unferer künftlerifchen Gegen-
wart fchäßen; es ift vielmehr die Myftik feiner
inneren Schöpferkraft, durch die er folche Bilder
zu metaphyfifchen Gleichniffen auf das Leben der
Gegenwart umformt.
Als ein neuer Rembrandt verbindet er die
Fülle innerer Intuition mit dem Reichtum feiner
künftlerifchen Mittel. Eben jene Blätter, die
er letzthin in der Gegend von Oberhaufen und
Duisburg gefchaffen, dort wo der dynamifche
Pulsfchlag der deutfchen Erde am lebendigften
pocht, wo Tag und Nacht die Hochöfen ihre
Feuerfchlünde dem Himmel entgegenöffnen und
wo der einzelne nur ein Teil jener nie ftille gehen-
den Mafchine ift, die dem Boden die metallenen
Schäle entführt, find vergeiftigte Dokumente
auf den Titanenwillen des Menfchen, dem es
endlich gelungen ift, die Elemente der Schöpfung
fich felbft dienftbar zu machen. Hier hat die
Sehnfucht von Jahrhunderten Erfüllung gefunden,
hier ift aber auch über Nacht ein neues Reich
künftlerifcher Schönheit erftanden, das die Fülle
feiner malerifchen Gegenfä^e erft dem offen-
bart, der ihrer mit den Äugen eines Pennell
inne wird.
Darin allein aber erkennen wir auch die Miffion,
die diefem künftlerifchen Genie Vorbehalten war.
Man kann ergriffen fein von der Summe reiner
Schönheit, die Pennells Schöpfungen ausftrömen,
von der grandiofen Technik, die ihm als Radierer
Hochöfen bei Charleroi
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