Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911
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22. Heft
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AUSSTELLUNGEN
Luft darftellt. Friß Oßwald dagegen, deffen
Kollektion eben in Zürich gezeigt wird, leugnet
nirgends ein leichteres bewegliches Tempera-
ment, das auch in der Dunftatmofphäre in
erfter Linie auf filbrige Lichteffekte reagiert, in
einem Blumenftrauß die ganzen zitternden Son-
nenftrahlen fucht und findet und aus dem
Schnee ein farbenreiches Element voll war-
mer Stimmung zaubert. Mit Oßwalds verifi-
zierender Künftlergabe geht ein ungewöhnliches
Malenkönnen Hand in Hand. Wie ein glänzendes
Improvifieren mutet der Farbauftrag an, der doch
immer einem wohl überlegten künftlerifch durch-
aus berechtigten Endziel dient. Von vollendeter
Wirkung find fo gerade die Blumenftücke, deren
fcheinbar zwanglofe Kompofition das größte
Raffinement der koloriftifchen Harmonie bedeutet.
Typifch für Oßwalds duftige Ätmofphäre ift das
fchwarz-graue Hafenbild aus Duisburg; von
feinem breiten, ganz aus der Farbe heraus Ge-
walten gibt der „Steinbruch“ die befte Vorftellung.
Während der „Wiesenbach“ einen Begriff ver-
mittelt von der geiftreichen Ärt mit der diefer
erftaunlich vielfeitige Künftler einen contre jour-
Effekt zart und doch prickelnd lebendig wieder-
zugeben weiß. — Ganz andere Kunft gibt Ern ft
Würtenberger (Zürich), deffen eindringliche
Zeichnung und herbe Farbgebung an Hodler
gereift ift ohne ihn zu kopieren. — Als Holz-
fchneider war der feine Linienkünftler Oskar
Troendle (Solothurn) vertreten und neben ihm
F. C. Schmid (Paris), deffen Farbenholzfchnitte
von feltener malerifcher Weichheit find. Als
Plaftiker ift C. Angft (Genf), als Kunftgewerbler
J. Dünand (Paris) zu nennen. J. C.
BREMEN Eine Anstellung des gefamten
Werkes Albrecht Dürers in Originalen und
Reproduktionen, geordnet nach der Reihenfolge
der Entftehung, war während des Oktobers in
den Schaufälen der KUNSTHALLE veranftaltet.
Der Veranftalter, Guftav Pauli, legte darin die
erfte Frucht feiner langjährigen Befchäftigung
mit dem großen Meifter nieder und die Bremer
Kunfthalle mit ihrem Reichtum an Dürerfchen
Originalzeichnungen, mit ihrem vollftändigen, in
beften Abdrücken vorhandenen graphifchen Werk
des Künftlers und einer nahezu vollftändigen
Sammlung von Reproduktionen der Zeichnungen
und Gemälde war für ein folches Unternehmen
der rechte Ort. Vorbildlich für die Äusftellung
war die große Dürer-Schau gewefen, die Sir
Martin Conway vor Jahresfrift in der Walker
Art Gallery zu Liverpool veranftaltet hatte; aus
dem Befiß diefes Herrn war auch das in Bremen
noch fehlende Reproduktionsmaterial hergeliehen
worden.
Ganz allgemein darf man fagen, daß die Bre-
mer Äusftellung 'durch die Totalität, in der fie
Dürers Schaffen darftellte, und durch die ge-
fchickte und wirkungsvolle Aufteilung ein un-
vergeßliches Bild von der Arbeitsweife, der
Entwicklung Dürers und dem Umfang feines
Wirkens hinterließ und daß die mannigfachen
Probleme der Dürerforfchung fehr fcharf be-
leuchtet, ja teilweife in einem veränderten Licht
erfchienen. Als Refultat liegt nun, auch für den,
der nicht im Oktober in Bremen war, der Ka-
talog vor, deffen Studium wir allen Dürer-
freunden empfehlen. Er ordnet das Material
nach Lebensabfchnitten (Lehrzeit, Reifen ufw.)
und gibt innerhalb diefer Abfchnitte zunächft
die handfchriftlich datierten und ficher zu da-
tierenden Arbeiten mit mannigfaltigen, teilweife
neuen Hinweifen auf die Verwendung der Stu-
dien im graphifchen und gemalten Werk Dürers
als Begründung der fich daraus ergebenden
chronologifchen Refultate, fodann (nach Gegen-
wänden) die dem betreffenden Zeitabfchnitt ein-
zuordnenden undatierten Arbeiten. Überall,
z. B. bei dem Problem der Bafeler Holzfchnitte,
der Datierung der Landfchaftsaquarelle, der Zu-
weifung der Dresdener Marienfolge, des fog. Bri-
gittenmeifters ufw. ift eine entfehiedene und zum
Teil iiberrafchende Haltung eingenommen; an-
dereKapitel, wie z. B. das der Bildniffe von Dürers
Gattin und der fpäten großen Kompofitions-
entwiirfe erfahren eine fchöne Bereicherung. Er-
warten wir von weiteren Publikationen Guftav
Paulis eine ausführliche Begründung deffen, was
der Katalog naturgemäß nur andeuten kann.
G. F. Hartlaub.
DRESDEN Wie in der Nr. 21 des „Cicerone“
bereits kurz mitgeteilt wurde, beherbergt die
GALERIE ERNST ARNOLD gegenwärtig eine
Sonderausftellung von Werken Arthur
Kampfs-Berlin. Obwohl fie — 26 Arbeiten
umfaffend — keineswegs einen vollen Eindruck
von dem Schaffen des Meifters gibt, fo zeigt fie
doch wieder alle die Eigenfchaften, die charak-
teriftifch für diefes find: das eminente technifche
Können des Malers, feine reife Vortragskunft
und das weite künftlerifche Gebiet, das feine
Palette umfpannt. Man nennt Kampf, foweit
man den reinen Maler in ihm beurteilt, zuweilen
einen Routinier, und manch einer macht ihm
als Künftler den Vorwurf, daß er feine Kraft
zerfplittere, indem er nicht einem, fondern allen
Gebieten der Malerei zu dienen fuche. Mir will
folche Beurteilung als ein fchwerer Irrtum in der
Wertung des malerifchen Könnens und der kürift-
lerifchen Begabung Kampfs erfcheinen. Wer mit
fo einfachen Mitteln feine malerifchen Wirkungen
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Luft darftellt. Friß Oßwald dagegen, deffen
Kollektion eben in Zürich gezeigt wird, leugnet
nirgends ein leichteres bewegliches Tempera-
ment, das auch in der Dunftatmofphäre in
erfter Linie auf filbrige Lichteffekte reagiert, in
einem Blumenftrauß die ganzen zitternden Son-
nenftrahlen fucht und findet und aus dem
Schnee ein farbenreiches Element voll war-
mer Stimmung zaubert. Mit Oßwalds verifi-
zierender Künftlergabe geht ein ungewöhnliches
Malenkönnen Hand in Hand. Wie ein glänzendes
Improvifieren mutet der Farbauftrag an, der doch
immer einem wohl überlegten künftlerifch durch-
aus berechtigten Endziel dient. Von vollendeter
Wirkung find fo gerade die Blumenftücke, deren
fcheinbar zwanglofe Kompofition das größte
Raffinement der koloriftifchen Harmonie bedeutet.
Typifch für Oßwalds duftige Ätmofphäre ift das
fchwarz-graue Hafenbild aus Duisburg; von
feinem breiten, ganz aus der Farbe heraus Ge-
walten gibt der „Steinbruch“ die befte Vorftellung.
Während der „Wiesenbach“ einen Begriff ver-
mittelt von der geiftreichen Ärt mit der diefer
erftaunlich vielfeitige Künftler einen contre jour-
Effekt zart und doch prickelnd lebendig wieder-
zugeben weiß. — Ganz andere Kunft gibt Ern ft
Würtenberger (Zürich), deffen eindringliche
Zeichnung und herbe Farbgebung an Hodler
gereift ift ohne ihn zu kopieren. — Als Holz-
fchneider war der feine Linienkünftler Oskar
Troendle (Solothurn) vertreten und neben ihm
F. C. Schmid (Paris), deffen Farbenholzfchnitte
von feltener malerifcher Weichheit find. Als
Plaftiker ift C. Angft (Genf), als Kunftgewerbler
J. Dünand (Paris) zu nennen. J. C.
BREMEN Eine Anstellung des gefamten
Werkes Albrecht Dürers in Originalen und
Reproduktionen, geordnet nach der Reihenfolge
der Entftehung, war während des Oktobers in
den Schaufälen der KUNSTHALLE veranftaltet.
Der Veranftalter, Guftav Pauli, legte darin die
erfte Frucht feiner langjährigen Befchäftigung
mit dem großen Meifter nieder und die Bremer
Kunfthalle mit ihrem Reichtum an Dürerfchen
Originalzeichnungen, mit ihrem vollftändigen, in
beften Abdrücken vorhandenen graphifchen Werk
des Künftlers und einer nahezu vollftändigen
Sammlung von Reproduktionen der Zeichnungen
und Gemälde war für ein folches Unternehmen
der rechte Ort. Vorbildlich für die Äusftellung
war die große Dürer-Schau gewefen, die Sir
Martin Conway vor Jahresfrift in der Walker
Art Gallery zu Liverpool veranftaltet hatte; aus
dem Befiß diefes Herrn war auch das in Bremen
noch fehlende Reproduktionsmaterial hergeliehen
worden.
Ganz allgemein darf man fagen, daß die Bre-
mer Äusftellung 'durch die Totalität, in der fie
Dürers Schaffen darftellte, und durch die ge-
fchickte und wirkungsvolle Aufteilung ein un-
vergeßliches Bild von der Arbeitsweife, der
Entwicklung Dürers und dem Umfang feines
Wirkens hinterließ und daß die mannigfachen
Probleme der Dürerforfchung fehr fcharf be-
leuchtet, ja teilweife in einem veränderten Licht
erfchienen. Als Refultat liegt nun, auch für den,
der nicht im Oktober in Bremen war, der Ka-
talog vor, deffen Studium wir allen Dürer-
freunden empfehlen. Er ordnet das Material
nach Lebensabfchnitten (Lehrzeit, Reifen ufw.)
und gibt innerhalb diefer Abfchnitte zunächft
die handfchriftlich datierten und ficher zu da-
tierenden Arbeiten mit mannigfaltigen, teilweife
neuen Hinweifen auf die Verwendung der Stu-
dien im graphifchen und gemalten Werk Dürers
als Begründung der fich daraus ergebenden
chronologifchen Refultate, fodann (nach Gegen-
wänden) die dem betreffenden Zeitabfchnitt ein-
zuordnenden undatierten Arbeiten. Überall,
z. B. bei dem Problem der Bafeler Holzfchnitte,
der Datierung der Landfchaftsaquarelle, der Zu-
weifung der Dresdener Marienfolge, des fog. Bri-
gittenmeifters ufw. ift eine entfehiedene und zum
Teil iiberrafchende Haltung eingenommen; an-
dereKapitel, wie z. B. das der Bildniffe von Dürers
Gattin und der fpäten großen Kompofitions-
entwiirfe erfahren eine fchöne Bereicherung. Er-
warten wir von weiteren Publikationen Guftav
Paulis eine ausführliche Begründung deffen, was
der Katalog naturgemäß nur andeuten kann.
G. F. Hartlaub.
DRESDEN Wie in der Nr. 21 des „Cicerone“
bereits kurz mitgeteilt wurde, beherbergt die
GALERIE ERNST ARNOLD gegenwärtig eine
Sonderausftellung von Werken Arthur
Kampfs-Berlin. Obwohl fie — 26 Arbeiten
umfaffend — keineswegs einen vollen Eindruck
von dem Schaffen des Meifters gibt, fo zeigt fie
doch wieder alle die Eigenfchaften, die charak-
teriftifch für diefes find: das eminente technifche
Können des Malers, feine reife Vortragskunft
und das weite künftlerifche Gebiet, das feine
Palette umfpannt. Man nennt Kampf, foweit
man den reinen Maler in ihm beurteilt, zuweilen
einen Routinier, und manch einer macht ihm
als Künftler den Vorwurf, daß er feine Kraft
zerfplittere, indem er nicht einem, fondern allen
Gebieten der Malerei zu dienen fuche. Mir will
folche Beurteilung als ein fchwerer Irrtum in der
Wertung des malerifchen Könnens und der kürift-
lerifchen Begabung Kampfs erfcheinen. Wer mit
fo einfachen Mitteln feine malerifchen Wirkungen
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