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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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22. Heft
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Ausstellungen
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AUSSTELLUNGEN

feinfinnig wiederzugeben weiß und der vor
allem in feinen erft jeßt bekannt gewordenen
Studien in eigener Größe und lebendigfter Un-
mittelbarkeit feinem Objekte gerecht wird. Der
fünfte Morgenftern, Friedrich Ernft (geb. 1853)
hat fich als Marinemaler in Frankfurt bekannt
gemacht. * *

Der Kunftfalon GOLDSCHMIDT bringt eine
Äusftellung des Wieners Koko fchka. Man mag
zu diefer Kunft ohne Form und ohne Tektonik
eine Stellung einnehmen, welche man will, jeden-
falls muß man dem Künftler zugeftehen, daß er
das vermag, was er erftrebt, Seele zu malen.
Seine Malerei ift im eigentlichften Sinne fuggeftiv,
indem fie auf alles verzichtet, was irgendwie
Schildern, Darftellen bedeutet und nur das Wefen
felbft unmittelbar dem Befchauer einzuprägen,
in die Seele zu fenken ftrebt.

* *

*

Problematifcher ift im Grunde die „Brücke“,
die bei BftNGEL ausgeftellt hat, und die, von
van Gogh ermutigt, in der äußerften Verein-
fachung der Naturformen und in der zur größten
Intenfität getriebenen Steigerung des farbigen
Ausdrucks dem Befchauer den großen Eindrude
gleichfalls zu fuggerieren ftrebt. Mag man
diefen Beftrebungen auch die Beherrfchung der
Naturnachbildung als Vorausfeßung folcher Ver-
einfachung zugeftehen, fo erscheint doch oft die
wilde Bewegtheit äußerlich genug und die weit-
hin fichtbare Form kommt über Plakathaftes
nicht hinaus. Für mein Gefühl ift das Verhält-
nis diefer Deutfchen zu van Gogh ähnlich dem
Verhältnis gewiffer Vlamen zu Michelangelo:
beide befi^en nicht genug Kultur, um nur das
dem Meifter zu entnehmen, was ihrer Kunft zu-
träglich fein kann. Daß viel wirkliches Tem-
perament in der extravaganten Form fich birgt,
daß namentlich ein Maler wie Pechftein zu
unferen ftärkften Form- und Farbenbegabungen
rechnet, foll damit nicht geleugnet werden. ^ q

GENF Im ÄTHENEE ftellen Max Buri und
Edouard Vallette eine größere Zahl ihrer Werke
aus. Vallette charakterifiert in einer herben und
durchaus eigenen Art die Wallifer Natur; am
beften wenn er fchlicht und ohne dekorative
Abficht Figuren und Landfchaften gibt. Von
packender Kraft ift Vallette als Radierer. —
Max Buri, dem raffigen Berner, ift eine ganze
Wand eingeräumt; er hat Landfchaften hier von
großzügiger Vereinfachung, Köpfe von eminenter
Durcharbeit und unverkennbarer Raffe; alles hell
und leuchtend. Audi mit Stilleben und Ganz-
figurenbildern ift Buri vertreten; der „Mann mit

der Handharmonika“ ift einer der originellften
Vertreter der modernen Sdiweizerkunft in der
Max Buri das bodenftändige Element wie kein
zweiter zur Geltung kommen läßt. J. C.

LONDON Die fdion kurz berührte Ält-
meifterausftellung bei MESSRS. GRAVES,
6, Pall Mall, deren Einnahmen einem wohl-
tätigen Zweck zufließen, befteht nur aus we-
nigen, meift englifchen Werken. Darunter aber
finden fich zwei vorzügliche Reynolds, nament-
lich das ziemlich frühe Porträt der „Mary, Duchess
of Äncaster and Kesteven“, ein fchlichtes, dabei
wie aus inneren Rhythmen fich aufbauendes
Werk, und fodann das farbenfichere, aber äußer-
lichere Porträt der Emilia Mary, Duchess of
Leinfter. Von Lawrence ftammt das Porträt
der Mrs. Cunliffe-Offley, wohl eines feiner beften,
das noch ftatt virtuofer Manier eine wirkliche
Charakterftudie aufweift, und deffen prächtig
reiche Farben trefflich zu einem harmonifchen
Ganzen zufammengehen. Ein Porträt des Philip,
Earl of Pembroke wird Van Dyck zugefchrieben.
Zwei Genrebilder gehören dem Teniers an. Eine
üble Kopie der Tizianfchen Venus hätte man
hier nicht zur Schau ftellen füllen.

* *

*

Messrs. KNOEDLER in Bond Street ftellen
ebenfalls altenglifche Bilder aus. Ihr Hauptwerk
ift eine ziemlich frühe Landfchaft von Gains-
borough „View in Shropshire“, die Anklänge
an Claude Lorrain und Gaspare Poussin auf-
weift. Außerdem finden fich zwei Porträts von
Gainsborough, drei von Raeburn, darunter zwei
aus der ehemaligen Maurice Kannkollektion,
zwei von Francis Cotes „Sir Griffith Boynton“
und „Lady Boynton“, ferner Werke von W.
Beechey, Hoppner, Turner u. a. All diefe Werke
werden wohl den Weg übers Meer nach Weften
antreten. F.

MÜNCHEN Der KUNSTVEREIN hatte für
die leßten Oktober- und die erften November-
wochen Wilhelm Steinhaufen, Frankfurt
a. M., zwei weftliche Säle zu einer Kollektiv-
ausftellung eingeräumt. Es ift intereffant, von
diefem Meifter wieder einmal mehreres beifam-
men zu fehen, denn fein Bild fchwankt, trotj
des anfehnlichen Alters des Künftiers — er ift
heute 65 Jahre alt — noch bedeutend in der
Parteien Gunft und Haß. Den einen hat er zu
ausgefprochen Werdandigeruch an fich und das
macht ihn ihnen mehr als verdächtig, den andern
dagegen gilt er als edelfter Prototyp deutfchen
Wefens und deutfeher Kunftauffaffung. Man muß
aber von all folcher Einfeitigkeit des Urteils ab-

Der Cicerone, III. Jahrg., 22. Heft. 67

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