Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911
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DOI Heft:
23. Heft
DOI Artikel:Aus der Sammlerwelt und vom Kunsthandel
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AUS DER SAMMLERWELT UND VOM KUNSTHANDEL
Pfeifen dem kunftliebenden Publikum zugänglich
zu machen. Der Vertrieb diefer Blätter gefchieht
durch die Hofkunfthändler Ämsler & Ruthardt,
die [oeben einen wertvollen, illuftrierten Katalog
eben über diefe Publikationen der Reichsdruckerei
herausgegeben haben, der zum Preife von 1 M.
von der genannten Firma zu beziehen ift. Diefe
Summe wird bei Ankäufen über 15 M. zurück-
vergütet. Der Katalog felbft ift nach Schulen
geordnet und bringt in feiner Einleitung ein
wertvolles Verzeichnis der kunftgefchichtlichen
Literatur.
LEIPZIG Die Kunfthandlung vonP.H. Beyer
& Sohn hat foeben zwei reich illuftrierte und
fehr intereffante Kataloge über moderne Graphik
herausgebracht, von denen der erfte mit 282
Nummern durchweg erftklaffige und koftbare
Drucke der bedeutendften Graphiker des 19. Jahr-
hunderts bringt, und man gewinnt fchon beim
Durchblättern den Eindruck, daß hier ein vor-
trefflicher Gefchmack nach künftlerifchen Gefichts-
punkten gefammelt hat. Der zweite Katalog
gilt als Ergänzung zu dem erfterwähnten, ob-
wohl er es auf Koftbarkeit nicht fo fehr ab-
gefehen hat und auch weniger bekannte und
gefchäßte Meifter zu Worte kommen läßt.
NEW-YORK Mr. Pierpont Morgan hat
die Kollektion des M. Edmond Foule, Paris, die
aus Büchern, Kunftblättern und Stichen deko-
rativer Architektur und Ornamentik vornehmlich
des 16. und 17. Jahrh. befteht, erworben.
PÄRIS. Paul Durand Ruel hat kürzlich
(am 31. Oktober) die Schwelle der Achtzig iiber-
fchritten. Bei diefer Gelegenheit find einige be-
achtenswerte Beiträge über das bewegte Lebens-
fchickfal des Vorkämpfers der Moderne erfchie-
nen, unter denen an diefer Stelle der ausge-
zeichnete Beitrag von Julius Elias im November-
heft von „Kunft und Künftler“ hervorgehoben
werden muß und nicht weniger auch ein Artikel
des Parifer Kritikers Arfene Alexandre im „Pan“,
der hier nach einem Referat der F. Z. zitiert fei,
weil er ein Dokument für die Gefchichte des
Kunfthandels im 19. Jahrhundert bedeutet:
„Schon Durand-Ruels Vater ftand zur Kunft
und zu den Künftlern in einer gewiffen Be-
ziehung, denn er verkaufte Farben und Mal-
geräte an die aufftrebende Künftlergeneration
von 1830. Dann warf er fich auch auf den
Bilderhandel und hatte dabei den feltfamen Ein-
fall, von diefen damals unbeachteten Anfängern,
deren Namen Daumier, Dupre, Roffeau,
Corot, Milet lauteten, Bilder zu kaufen. Diefe
Käufe brachten ihm großen Schaden und be-
fonders bei Millet hatte er bedeutende Verlufte.
Troßdem gab der Sohn nach dem Tode des
Vaters 1865 den Handel mit Farben und Pinfein
vollftändig auf und wandte fich ganz dem Ver-
kauf von Gemälden zu. Lange Jahre mit wenig
Glück. „Ich bin im ganzen ein recht fchlechter
Kunfthändler gewefen,“ fagt er wohl heute
melancholifch, „denn ich liebte, was ich verkaufte,
und es gelang mir nicht, zu verkaufen, was ich
liebte.“ Schließlich war er 1869 gezwungen,
die große Sammlung von Werken der Barbizon-
Schule, die er befaß, nach London zu bringen,
weil fie in Paris niemand haben wollte, und
von diefem Feldzug Durand-Ruels datiert die
Liebe und Begeiferung der Engländer für die
großen franzöfifchen Landfehafter. Zwanzig
Jahre fchlug fich der Händler fo fchlecht und
recht durch, in beftändigen Kämpfen, Sorgen
und Niederlagen, bis eine neue Generation von
Malern auf den Plan trat, die ebenfo verlacht,
verfpottet und verachtet wurde wie vorher die
von Fontainebleau. Nicht um zu genießen,
fondern um fich herzlich zu amüfieren, ging
man in Paris damals in die Ausftellung der
Rue Laßtte. Bei Auktionen bot man um die
Wette, wer das billigfte Werk diefer Ver-
rückten kaufen könnte, und die Preife fchwankten
zwifchen 20 und 75 Frs. bei Gemälden, für die
heute wohl die gleiche Anzahl von Taufenden
bezahlt werden. 1886 war Durand-Ruel durch
die Immpreffioniften ebenfo ruiniert wie er
es 1870 durch die Meifter von Barbizon ge-
wefen war. Aber endlich fand die Zähigkeit,
mit der er für diefe von ihm geliebte Kunft ge-
kämpftt hatte, ihren Lohn. Er erlebte den
Triumph des Impreffionismus und die gewaltige
Preisfteigerung, die deffen Werke erfuhren. So
kann er heute in feinem 80. Lebensjahre nicht
nur auf die Kulturtat ftolz fein, die er vollbracht,
fondern auch auf die Reichtümer die er erwor-
ben hat. Welche Wechfelfälle des Schickfals
Durand-Ruel mit feinen Bildern durchlebt hat,
mögen einige Beispiele dartun. Für eins der
herrlichften Werke Corots, die „Toilette“, für
das der Maler lange Zeit nicht den geforderten
Preis von 1200 Frs. erhalten konnte, zahlte
Durand-Ruelzum Staunen aller Kollegen lOOOOFrs.
und verkaufte das Bild dann für 50000 Frs. an
Mine. Desfoffes, der jeßt fchon 80000 Frs. ge-
boten wurden. Ein Meifterwerk von Dela-
croix, den „Sardanapal“, kaufte er für 95000 Frs.
und mußte es für 30000 Frs. weitergeben. Re-
noirs „Source“, die Durand-Ruel für den da-
mals ungewöhnlich hohen Preis von 1100 Frs.
erwarb, ift vor kurzem von dem Prinzen v.
Wagram für 70000 Frs. erftanden worden. Die
„größte Tollheit“ aber beging Durand-Ruel nach
951
Pfeifen dem kunftliebenden Publikum zugänglich
zu machen. Der Vertrieb diefer Blätter gefchieht
durch die Hofkunfthändler Ämsler & Ruthardt,
die [oeben einen wertvollen, illuftrierten Katalog
eben über diefe Publikationen der Reichsdruckerei
herausgegeben haben, der zum Preife von 1 M.
von der genannten Firma zu beziehen ift. Diefe
Summe wird bei Ankäufen über 15 M. zurück-
vergütet. Der Katalog felbft ift nach Schulen
geordnet und bringt in feiner Einleitung ein
wertvolles Verzeichnis der kunftgefchichtlichen
Literatur.
LEIPZIG Die Kunfthandlung vonP.H. Beyer
& Sohn hat foeben zwei reich illuftrierte und
fehr intereffante Kataloge über moderne Graphik
herausgebracht, von denen der erfte mit 282
Nummern durchweg erftklaffige und koftbare
Drucke der bedeutendften Graphiker des 19. Jahr-
hunderts bringt, und man gewinnt fchon beim
Durchblättern den Eindruck, daß hier ein vor-
trefflicher Gefchmack nach künftlerifchen Gefichts-
punkten gefammelt hat. Der zweite Katalog
gilt als Ergänzung zu dem erfterwähnten, ob-
wohl er es auf Koftbarkeit nicht fo fehr ab-
gefehen hat und auch weniger bekannte und
gefchäßte Meifter zu Worte kommen läßt.
NEW-YORK Mr. Pierpont Morgan hat
die Kollektion des M. Edmond Foule, Paris, die
aus Büchern, Kunftblättern und Stichen deko-
rativer Architektur und Ornamentik vornehmlich
des 16. und 17. Jahrh. befteht, erworben.
PÄRIS. Paul Durand Ruel hat kürzlich
(am 31. Oktober) die Schwelle der Achtzig iiber-
fchritten. Bei diefer Gelegenheit find einige be-
achtenswerte Beiträge über das bewegte Lebens-
fchickfal des Vorkämpfers der Moderne erfchie-
nen, unter denen an diefer Stelle der ausge-
zeichnete Beitrag von Julius Elias im November-
heft von „Kunft und Künftler“ hervorgehoben
werden muß und nicht weniger auch ein Artikel
des Parifer Kritikers Arfene Alexandre im „Pan“,
der hier nach einem Referat der F. Z. zitiert fei,
weil er ein Dokument für die Gefchichte des
Kunfthandels im 19. Jahrhundert bedeutet:
„Schon Durand-Ruels Vater ftand zur Kunft
und zu den Künftlern in einer gewiffen Be-
ziehung, denn er verkaufte Farben und Mal-
geräte an die aufftrebende Künftlergeneration
von 1830. Dann warf er fich auch auf den
Bilderhandel und hatte dabei den feltfamen Ein-
fall, von diefen damals unbeachteten Anfängern,
deren Namen Daumier, Dupre, Roffeau,
Corot, Milet lauteten, Bilder zu kaufen. Diefe
Käufe brachten ihm großen Schaden und be-
fonders bei Millet hatte er bedeutende Verlufte.
Troßdem gab der Sohn nach dem Tode des
Vaters 1865 den Handel mit Farben und Pinfein
vollftändig auf und wandte fich ganz dem Ver-
kauf von Gemälden zu. Lange Jahre mit wenig
Glück. „Ich bin im ganzen ein recht fchlechter
Kunfthändler gewefen,“ fagt er wohl heute
melancholifch, „denn ich liebte, was ich verkaufte,
und es gelang mir nicht, zu verkaufen, was ich
liebte.“ Schließlich war er 1869 gezwungen,
die große Sammlung von Werken der Barbizon-
Schule, die er befaß, nach London zu bringen,
weil fie in Paris niemand haben wollte, und
von diefem Feldzug Durand-Ruels datiert die
Liebe und Begeiferung der Engländer für die
großen franzöfifchen Landfehafter. Zwanzig
Jahre fchlug fich der Händler fo fchlecht und
recht durch, in beftändigen Kämpfen, Sorgen
und Niederlagen, bis eine neue Generation von
Malern auf den Plan trat, die ebenfo verlacht,
verfpottet und verachtet wurde wie vorher die
von Fontainebleau. Nicht um zu genießen,
fondern um fich herzlich zu amüfieren, ging
man in Paris damals in die Ausftellung der
Rue Laßtte. Bei Auktionen bot man um die
Wette, wer das billigfte Werk diefer Ver-
rückten kaufen könnte, und die Preife fchwankten
zwifchen 20 und 75 Frs. bei Gemälden, für die
heute wohl die gleiche Anzahl von Taufenden
bezahlt werden. 1886 war Durand-Ruel durch
die Immpreffioniften ebenfo ruiniert wie er
es 1870 durch die Meifter von Barbizon ge-
wefen war. Aber endlich fand die Zähigkeit,
mit der er für diefe von ihm geliebte Kunft ge-
kämpftt hatte, ihren Lohn. Er erlebte den
Triumph des Impreffionismus und die gewaltige
Preisfteigerung, die deffen Werke erfuhren. So
kann er heute in feinem 80. Lebensjahre nicht
nur auf die Kulturtat ftolz fein, die er vollbracht,
fondern auch auf die Reichtümer die er erwor-
ben hat. Welche Wechfelfälle des Schickfals
Durand-Ruel mit feinen Bildern durchlebt hat,
mögen einige Beispiele dartun. Für eins der
herrlichften Werke Corots, die „Toilette“, für
das der Maler lange Zeit nicht den geforderten
Preis von 1200 Frs. erhalten konnte, zahlte
Durand-Ruelzum Staunen aller Kollegen lOOOOFrs.
und verkaufte das Bild dann für 50000 Frs. an
Mine. Desfoffes, der jeßt fchon 80000 Frs. ge-
boten wurden. Ein Meifterwerk von Dela-
croix, den „Sardanapal“, kaufte er für 95000 Frs.
und mußte es für 30000 Frs. weitergeben. Re-
noirs „Source“, die Durand-Ruel für den da-
mals ungewöhnlich hohen Preis von 1100 Frs.
erwarb, ift vor kurzem von dem Prinzen v.
Wagram für 70000 Frs. erftanden worden. Die
„größte Tollheit“ aber beging Durand-Ruel nach
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