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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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24. Heft
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Lohmeyer, Karl: Ein Prunkjagdwagen des Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#1003

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EIN PRUNKJÄGDWÄGEN DES KURFÜRSTEN KARL THEODOR VON DER PFALZ

legenheit mit einem dicken graugrünen Änftrich überzogen worden, der viel von der
urfprünglichen Pracht verhüllte.

Nachdem ihn die Sammlungen von [einem [eitherigen Beßrer, dem Freiherrn von
Venningen-Ullner, erworben hatten, ging man [ofort daran, diefen entgehenden Änftrich
abzulöfen und nun trat das originale Rot zutage und das köftliche Rokokozierwerk
hob [ich in alter Feinheit wieder vom Grunde ab, hie und da noch die Spuren reicher
Vergoldung tragend. In [reudigem Linien[piel um[chlingt es auf den beiden Siß-
mu[cheln des Wagens leichtgebogene Felder, auf denen mythologifche Szenen im
Genre Boucher gemalt find. Ihre Abtönung ift in der Hauptfache auf blau und grün

Hbb. 2. Sikmufdiel für den Kurfürften

geftimmt, [o daß [ie [ich in wirkungsvollem Farbenwechfel aus dem [attroten Grund
des Wagenkörpers herausheben.1

Sie [teilen die Adonis- und die Aktäonmythe dar, erftere ziert die kleinere Vorder-
mufchel (Abb. 1) für den Leibkutfcher, letztere die für den Kurfürften beftimmte Haupt-
mufchel (Abb. 2).

Es [oll wohl durch die Anbringung diefer Mythen auf die Gefahren der Jagd hin-
gewiefen werden. Auch fonft kehren im Schnißwerk Jagdattribute wieder, [o hängt
über die Wappenrauten des Haufes Wittelsbach, die an der Rückfeite der Vorder-
mufchel angebracht find, ein Arrangement von Pfeil, Köcher und Bogen kokett herab.

Bis in die geringften Details erftrecken [ich die Verzierungen; [o weifen auch
Eifenteile, wie die Naben der Wagenräder ufw., reiche Zifelierungen auf. Die Art des
das Gefährt überfpinnenden Rokaillewerkes, das die Eigenart der in rheinfränkifchen
Landen weiter und reicher wie die franzöfifchen Vorbilder entwickelten Dekorations-
weife zeigt, deutet darauf hin, daß es ein in diefen Gegenden felbft verfertigtes und

1 Sie wurden in gefchickter Weife von dem Maler Ludwig Windfehmitt in Frankfurt a. M.
wieder hergeftellt.

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