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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0049

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AUSSTELLUNGEN

eine große Anfpruchslofigkeit derGeftaltung zeigt.
— Bei AMSLER & RUTHARDT hat Dorothea
Hauer eine kleine Anstellung von Buntftift-
zeiehnungen „Aus Berlin und feiner Umgebung“
veranftaltet. Es ift ficher erfreulich, daß den
von Jahr zu Jahr fchneller dahinfchwindenden
Schönheiten Alt-Berlins von den Künftlern etwas
Beachtung gefchenkt wird. Man muß Fräulein
Hauer Verftändnis für zahlreiche, kaum gekannte
und dabei wirklich „ander Straße“ liegendeMotive
einräumen: ihre Sachen verraten gute zeichneri-
fche Schulung, verfagen aber fchnell, wenn es
fich um die farbig-malerifche Seite handelt, die
allzu füß und illuftrationsmäßig ausgefallen ift.
Vielleicht täte die Künftlerin beffer, fich mehr
auf das reine Schwarz-Weiß zu befchränken.

Vor kurzem wurde in der Bellevueftraße ein
großes, eignes Haus der „Vereinigten Werk-
ftätten für Kunft im Handwerk“ eröffnet, das in
mehreren Stockwerken eine Reihe von künftlerifch
entworfenen modernen Wohnräumen fowie einen
Ausftellungsfaal für die fchönften Erzeugniffe
neuzeitlichen Kunftgewerbes enthält. Unter den
Künftlern, die Mobiliar und ganze Innenausftel-
lungen entworfen haben, ift neben Bruno Paul
vor allem R. A. Schröder zu nennen. Mit diefem
Haus erhält Berlin ein zweites „Werkftätten-
haus“: die „Deutfchen Werkftätten für Kunft im
Handwerk“, für die in erfter Linie Riemerfchmied
und Bertfch arbeiten, behalten ihre Ausftellung
und Gefchäftsräume in der Bellevueftraße, an
der Ecke des Kemperplapes, bei. J. Sievers.

BUDAPEST WINTERAUSSTELLUNG IN
DER KUNSTHALLE DES LANDESVEREINS
FÜR BILDENDE KUNST. Es ift diefes Mal,
gegen die traurigen Erfahrungen der lebten
Jahre ein unleugbarer Äuffchwung zu verzeich-
nen. Man fieht ein paar Duzend guter Bilder,
hauptfächlich von den noch nicht verdorbenen,
oder denen, die fich — dank ihrer künftlerifchen
Intelligenz — verjüngen können. Daneben aber
eine große Schar unintereffanter, felbft unkünft-
lerifcher Produkte, darunter auch folche, die mit
Rückficht auf unantaftbare Perfonen, oder das
Vulgus profanum ausgeftellt wurden.

Es darf zunäcbft nicht unerwähnt gelaffen
werden, daß der durch Rigaud gegründete Por-
trätftil — aufgegoffen freilich mit dem unartifti-
fchen Habitus der Dargeftellten — noch nicht
ohne Anhänger geblieben ift. Neben diefer
Orthodoxie, die gar nichts mehr zu uns zu fagen
hat, behauptet fich dann auch der Naturalismus
der fiebziger und achtziger Jahre. Ferner foll
nicht verfchwiegen werden, daß als weiteres
Übel das affektierte Nachahmen der italienifchen
Trecentiften und Quattrocentiften überhand

nimmt. Die falfche Sentimentalität, die fich mit
dem Imitationstrieb paart, kann heutzutage keine
günftige Wirkung üben. Sie ift einerfeits Ge-
fchichtsfälfchung, andererfeits die gefuchte Äuße-
rung einer unaufrichtigen Frömmigkeit, die im
Geifte des modernen Kulturmenfchen keinen
Widerhall erwecken kann. In unferem Falle
(Äladär Kriefch) ift fie auch deshalb zu ver-
urteilen, weil fie mit großen Qualitätsmangeln
verbunden ift.

Die größten Erfolge find diesmal demgegen-
über auf koloriftifchem Gebiete zu verzeichnen.
Paul Merfe v. Szinyei ftellte ein heiteres,
lebensfrohes Bild, eine fonnenbefchienene Land-
fchaft aus. Stefan Cfök und Karl v. Fe-
renczy verfuchten fich mit viel Glück an pre-
ziöfen Farbenkompofitionen.

Szinyei kam feinerzeit (vor 37 Jahren) mit
ehrlicher naiver Begeifterung aus München nach
Haufe. Er mußte alsbald erfahren, daß man
feinen Beftrebungen kein Intereffe entgegen-
brachte. So gab er den Streit gegen die ftumpf-
finnige Indolenz auf und ließ den Pinfel faft
vollftändig ruhen, bis er vor ungefähr einem
Jahrzehnt Genugtuung erhielt und bald darauf
in die Mode kam. Die Werke, die in diefer
feiner neuen Periode entftanden, zeigen wohl
größere Reife, aber nicht fo viel Wärme als
diejenigen, die er mit jungem Herz fchuf. Das
gilt auch für die heuer ausgeftellte Landfchaft
(„Im Parke“), die fich in der wunderbaren far-
bigen Geftaltung zu überzeugender Harmonie
erhebt, während man eine gewiffe Härte der
Zeichnung mit in den Kauf nimmt und die
beiden fpazierenden Figuren nicht als integrie-
renden Beftandteil des Bildes erkennen kann.1

Ferenczy, ein Maler von eminentem Farben-
finn, fcheint fich wieder gefunden zu haben. Er
trat vor 13 Jahren, in der Ausftellung der in
Nagybänya arbeitenden Künftlerkolonie, als fein-
fühlender, die intimften Naturfchönheiten ver-
dichtender Künftler auf. Nachher ging er, mit
ziemlich viel Glück, auf ftärkere Farbeneffekte
und wurde von der offiziellen Anerkennung in
diefem Stadium eingeholt. Was wir von ihm
jept zu fehen bekamen („Rote Wand“ in zwei
Redaktionen) läßt die letzte Kunftrichtung des
Meifters bloß als eine notwendig eingetretene
Entwicklungsphafe erfcheinen. Intimere Auf-
gaben liegen ihm beffer und er fcheint fich deffen
bewußt zu fein.

Die neuefte Schöpfung von Stefan Cfök —
eine Kombination des Stillebens mit Figuren
und einer menfchenbelebten Straßenanficht als
Hintergrund — gehört zu den kühnen Abftrak-

1 Das Bild ging übrigens gleich nach der Eröffnung der
Ausftellung um 20000 Kronen in Privatbefit} über.

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