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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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Der Kunstmarkt - Von den Auktionen
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0104

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BEVORSTEHENDE AUKTIONEN

LEIPZIG Bei der Firma C. G. BOERNER
findet Anfang Mai die Verfteigerung einer
Äutographen-Sammlung ftatt, wie fie feit der
Verfteigerung der berühmten Sammlung Alexan-
der Meyer-Cohns nicht dagewefen ift. Diefe
Sammlung, die den ungeheuren Umfang von
ca. 14000 Stück hat, von denen natürlich nur
eine Auslefe zur Verfteigerung kommt, ftammt
aus altem Leipziger Befiß und dürfte die be-
deutendfte überhaupt noch in Privatbefiß exi-
lierende fein. Man kann einfach fagen, daß in
ihr fämtlidie berühmte Männer Deutfchlands von
Luther bis Bismarck enthalten find, neben zahl-
reichen intereffanten ausländifchen Dokumenten.
Von Luther felbft kommt hier ein Brief auf den
Markt, der vielleicht das wertvollfte Autograph
ift, das man fich denken kann, nämlich das
Schreiben, welches er 1621 direkt nach dem
Wormfer Reichstag, ehe er nach der Wartburg
aufgehoben wurde, an Kaifer Karl V. richtete
und in dem er unter Wiederholung der Vor-
gänge auf dem Reichstag in diefem brennendften
Moment der ganzen Reformationsbewegung ein
Glaubensbekenntnis fondergleichen auf drei eng-
befchriebenen Foliofeiten ablegt. Diefes berühmte
Stück ift fchon in der Erfurter Lutherausgabe
im 18. Jahrhundert als eines der wichtigften
Dokumente der Reformationsgefchichte ausführ-
lich abgedruckt und gewürdigt worden. Unter
den 500—600 meift eigenhändigen Schriftftücken,
die fich fonft noch auf die Reformationszeit be-
ziehen, kommen alle wefentlichen Männer der
Zeit zu Worte: der Kaifer felbft, Melanchthon,
Agricola, Amstorff, Äquila, Äurifaber, Theodor
Beza, Brenß, Buzer, Bugenhagen, Bullinger,
Calvin mit drei prachtvollen Stücken, Cochläus,
Cruziger, Eck, der äußerft feltene Erasmus von
Rotterdam, Flacius, Grynäus, Hutten, Jonas,
Münzer, Mykonius, Oekolampadius, Peucer, Peu-
tinger, Pirkheimer, Schertlin von Burdenbach,
Schürf, Sickingen, Spalatin, Turneiffer, Varn-
bühler, Zwingli mit einem prachtvollen umfang-
reichen Brief und viele mehr.

Es ift kaum möglich, in einem kurzen Bericht
einen Begriff von den hiftorifchen, fowie kriegs-
gefchichtlich und dynaftifch wichtigen Schüßen
der Sammlung zu geben. Die deutfchen Kaifer,
mit Maximilian anfangend, die Hohenzollern,
die Wettiner, die Öfterreicher, fie alle find mit
faßt vollftändigen Serien eigenhändiger Schreiben
vertreten. Eine Spezialität des Sammlers bildete
der dreißigjährige Krieg, der 2—3000 Stücke
umfaßt, ficher die größte überhaupt exiftierende
Sammlung diefer Art. Auch hier ungewöhnlich
prächtige Stücke im einzelnen, ein fechs Seiten
langer intereffanter Brief Wallenfteins an den
Kaifer, zwei eigenhändige Schreiben Tillys,

prachtvolle Briefe Pappenheims, Piccolominis,
Rudolfs II. und anderer berühmter Männer der
Periode.

Der Reichtum deutfcher Literatur ift ent-
fprechend. Einer der fchönften Leffingbriefe an
Murr, der ausführlich in der „Allgemeinen deut-
fchen Biographie“ befprochen wird und das
Manufkript Schillers zu „Hero und Leander“
dürften die wertvollften Stücke daraus fein.
Serien von eigenhändigen Briefen Goethes und
Schillers, intereffante Skripturen Grillparzers,
Hoffmanns, Kleifts, Körners und all der unzäh-
ligen Klaffiker und Romantiker kommen dazu.
Aber auch die ältere deutfche Literatur von den
Zeiten der Humaniften an, die frühe fchlefifche
Dichterfchule, die Vorgoethefche Zeit ufw. ift
vertreten.

Auch die Abteilung Mufik enthält viele Koft-
barkeiten: zahlreiche Briefe Beethovens, nicht
weniger als drei Briefe Mozarts, eigenhändige
Sachen von Bach, eine Unterfchrift Händels, ein
prachtvolles Manufkript Haydns, herrliche Stücke
von Schubert und Schumann, viele intereffante
frühe Mufiker aus Bachs Zeit und dem fpäteren
18. Jahrhundert, aber auch zahlreiche Manufkripte
des 19. Jahrhunderts bis zu Wagner.

Der Äuktionskatalog, der 2000 —2500 Nummern
umfaßt und Ende März fertig vorliegen dürfte,
wird erft eine vollftändige Überficht über die
Reichtümer in diefer Sammlung ermöglichen,
deren Material mit feinem Inhalt allerdings
längft noch nicht erfchöpft fein wird.

Der Katalog der Kupferftichfammlung aus dem
Nachlaffe des verftorbenen Profeffor vonElifcher
aus Budapeft, der reiche Werke alter und neuerer
Meifter enthält, beßndet fich in Vorbereitung
und wird von der Firma C. G. Boerner Anfang
Februar ausgegeben. Die Verfteigerung diefer
Sammlung findet Anfang März ftatt.

LONDON Am 7. Februar wird bei Chriftie
die umfangreichfte Sammlung von Radierungen
des bekannten und fehr gefuchten fchottifchen
Meifters D. Y. Cameron verfteigert werden,
die bisher öffentlich zur Auktion gekommen ift.
Die Sammlung gehört dem Mr. Ä. J. Parfons,
dem Direktor der Congressbibliothek in Wafhing-
ton, und umfaßt 168 Radierungen von ganz
frühen Stücken aus dem Jahre 1888 an bis zur
Gegenwart. Hohe Prcife ftehen zu erwarten.

F.

WIEN Gilhofer & Ranfehburg verfteigern
am 13. Februar und folg. Tage eine intereffante
Sammlung Auftriaca und Viennenfia, darunter
der einfehlägige Beftand aus der Sammlung
Lanna, Prag. Vertreten find hieröfterreichifche
Graphiker des 16.—19. Jahrhunderts in ihren

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