Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911
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3. Heft
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AUSSTELLUNGEN
Münchener Modernen Galerie an diefer Stelle
bereits befprochen wurden, für kurze Zeit ihre
fehr problematifchen Arbeiten ausgeftellt.
Das HOHENZOLLERN KUNSTGEWERBE-
HAUS bringt eine „Kollektivausftellung Deutfcher
Porzellankunft“, die [ich bei näherer Betrach-
tung als eine kleine Überficht über die Fabrikate
der Porzellanfabrik Ph. Rofenthal in Selb in
Bayern ausweift und der techriifchen Qualität
diefer Anftalt zwar alle Ehre macht, aber durch
die unverhüllte Nachahmung dänifcher Kunft-
Porzellane recht wenig für fich einnimmt. Das
ift gewiß nicht der Weg zu selbftändigen deut-
schen Leitungen auf dem Gebiet der Porzellan-
plaftik vorzudringen. Bei WERTHEIM gibt es
schließlich noch eine recht gelungene Anstellung
von „Spielzeug vergangener Jahrhunderte“, in
der besonders eine Anzahl kompletter Puppen-
häufer des 17—18. Jahrhunderts fowie allerlei
Krippen, Figuren, Koftümpuppen, Perlarbeiten,
Glaswaren, Silhouetten ufw. auf kunftgerblichem
Gebiete manches Anregende bieten.
J. Sievers.
BERN Im KUNSTMUSEUM findet eine Aus-
heilung zum Andenken des 1910 verftorbenen
Berner Malers Albert Anker ftatt. Über das
reiche Lebenswerk des Meifters, der als Schul-
derer des Bauernvolkes fein Beftes gegeben
hat, orientieren hier über 300 Nummern feiner
Arbeiten. Befonders intereffant find großzügig
charakterifierende Zeichnungen und tempera-
mentvolle Studien aus unmittelbarer Anfchauung,
Die Ausftellung kommt als Ganzes von Neuen-
burg her und wird wohl im Laufe des Jahres
in einer Reihe von Schweizer Städten gaft-
freundlich aufgenommen. J. C.
LEMBERG Im März wird hier eine Aus-
ftellung eröffnet, welche ein möglichft vollftän-
diges Bild der eigentümlichen Volkskunft der
Bevölkerung des polnifch-ruffifchenTatragebirges
in Vergangenheit und Gegenwart geben foll.
Die Initiative zu diefer Kunftfchau ift von der
Künftlergruppe ausgegangen, die im Höhenluft-
kurort Zakopane ihren ftändigen Wohnfit$ hat.
Neben der Abteilung für Volkskunft, die vor-
wiegend retrofpektiven Charakter tragen wird,
foll auch der Einfluß der Tatranatur und ihrer
Motive auf die moderne polnifche Kunft ver-
anfchaulicht werden. P. E.
MÜLHÄUSEN i. E. Hier findet zurzeit
eine Ausftellung von deutfchen und franzöfifchen
Gemälden ftatt, unter denen Werke von Ziem,
Courbet, Corot, Koch, Schönleber u. a. ver-
treten find.
MÜNCHEN Die Winterausftellung der
Sezession, einer der Höhepunkte des winter-
lichen Kunftlebens, faszinierte vor allem durch
Vorführung des Lebenswerkes H. v. Zügels, dem
K. Haider gegenübergeftellt war. Das find nun
zwei Antipoden allerfchärffter Art, deren Be-
trachtung aber gerade deswegen fich als hoch-
intereffanter weift. Der nun bald fünfundfechzig-
jährige Haider ift, wie bekannt, einer der Haupt-
vertreter jenes deutfchen Expreffionismus, für
den Objekt und Natur nur infofern Bedeutung be-
fit$en, als fie fich als Träger tiefinnei fter fub-
jektivfter Gefühle und Empfindungen erweifen.
Ihre Art geht in gerader Linie zu den primi-
tiven Meiftern zurück, Linie und Farbe werden
nur infoweit beachtet als fie der Darftellung
des Wefentlichen dienen. Bei Haider findet man
da ein Sichverfenken in die Dinge vor, ein
Herausholen ihrer feierlichften Reize, die fchier
religiöfen Charakter annehmen und zu einer
lyrifch-zarten, feierabendlich-inbrünftigen Kunft-
weife fuhren. Dabei fieht man erft hier in
der Ausftellung wie mannigfaltig der Künftler,
dem manchmal Monotonie vorgeworfen wird,
in feinem Ausdruck ift. Zwar malt er, wo er
Landfchaften gibt, mit faft ausfchließlichcr Vor-
liebe immer und immer wieder das wellige
Alpenvorland mit feiner Flora, aber er gibt
es in erftaunlichfter Variierung der Stimmung.
Prachtvolle Belege diefer feiner hehren Land-
fchaftskunft find die Bilder „Frühling“, der
„Breitenftein“, „Vorfrühling“, die „Herbftland-
fchaft“ von 1898, der „Vorfrühling b. Gauting“
und vor allem das herrliche Stück „Über allen
Gipfeln ift Ruh“. In den figürlichen Werken
geht Haider der Form mit befonderer Treue
nach. Aus feinen Zeichnungen kann man die
Gewiffenhaftigkeit feines Vorftudiums erfehen,
manche der gebotenen find Vorzeichnungen
zu großen ebenfalls vertretenen Ölbildern. Als
wichtige figürliche Arbeiten der Schau find
außer den Zeichnungen Nr. 238, 239 und 240,
das „ Selbftbildnis des Künftlers“ von 1873,
„der neue Stufen“, das „Selbftporträt von 1891“,
jenes von 1906, ein Frauenporträt von 1888, die
„Moni“ und das Porträt der Frau E. Greinwald
zu vermerken, die zum Teil ja fchon in weiten
Kreifen bekannt find. Zügels Kollektion ift in
ihrer Gefamtheit einer der gewaltigften Lob-
gefänge auf die Arbeit, die je angeftimmt wur-
den, und wenn irgendwo, fo wird man vor ihr
zur Überzeugung gebracht, daß Fleiß Genie ift.
In einer Logik sondersgleichen baut fich das
Lebenswerk diefes männlichften unferer heutigen
Maler auf; nur er, der fchon in feinen Früh-
werken zu fo vollkommener Beherrfchung der
Mittel vorgedrungen ift, wie fie fich darin doku-
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Münchener Modernen Galerie an diefer Stelle
bereits befprochen wurden, für kurze Zeit ihre
fehr problematifchen Arbeiten ausgeftellt.
Das HOHENZOLLERN KUNSTGEWERBE-
HAUS bringt eine „Kollektivausftellung Deutfcher
Porzellankunft“, die [ich bei näherer Betrach-
tung als eine kleine Überficht über die Fabrikate
der Porzellanfabrik Ph. Rofenthal in Selb in
Bayern ausweift und der techriifchen Qualität
diefer Anftalt zwar alle Ehre macht, aber durch
die unverhüllte Nachahmung dänifcher Kunft-
Porzellane recht wenig für fich einnimmt. Das
ift gewiß nicht der Weg zu selbftändigen deut-
schen Leitungen auf dem Gebiet der Porzellan-
plaftik vorzudringen. Bei WERTHEIM gibt es
schließlich noch eine recht gelungene Anstellung
von „Spielzeug vergangener Jahrhunderte“, in
der besonders eine Anzahl kompletter Puppen-
häufer des 17—18. Jahrhunderts fowie allerlei
Krippen, Figuren, Koftümpuppen, Perlarbeiten,
Glaswaren, Silhouetten ufw. auf kunftgerblichem
Gebiete manches Anregende bieten.
J. Sievers.
BERN Im KUNSTMUSEUM findet eine Aus-
heilung zum Andenken des 1910 verftorbenen
Berner Malers Albert Anker ftatt. Über das
reiche Lebenswerk des Meifters, der als Schul-
derer des Bauernvolkes fein Beftes gegeben
hat, orientieren hier über 300 Nummern feiner
Arbeiten. Befonders intereffant find großzügig
charakterifierende Zeichnungen und tempera-
mentvolle Studien aus unmittelbarer Anfchauung,
Die Ausftellung kommt als Ganzes von Neuen-
burg her und wird wohl im Laufe des Jahres
in einer Reihe von Schweizer Städten gaft-
freundlich aufgenommen. J. C.
LEMBERG Im März wird hier eine Aus-
ftellung eröffnet, welche ein möglichft vollftän-
diges Bild der eigentümlichen Volkskunft der
Bevölkerung des polnifch-ruffifchenTatragebirges
in Vergangenheit und Gegenwart geben foll.
Die Initiative zu diefer Kunftfchau ift von der
Künftlergruppe ausgegangen, die im Höhenluft-
kurort Zakopane ihren ftändigen Wohnfit$ hat.
Neben der Abteilung für Volkskunft, die vor-
wiegend retrofpektiven Charakter tragen wird,
foll auch der Einfluß der Tatranatur und ihrer
Motive auf die moderne polnifche Kunft ver-
anfchaulicht werden. P. E.
MÜLHÄUSEN i. E. Hier findet zurzeit
eine Ausftellung von deutfchen und franzöfifchen
Gemälden ftatt, unter denen Werke von Ziem,
Courbet, Corot, Koch, Schönleber u. a. ver-
treten find.
MÜNCHEN Die Winterausftellung der
Sezession, einer der Höhepunkte des winter-
lichen Kunftlebens, faszinierte vor allem durch
Vorführung des Lebenswerkes H. v. Zügels, dem
K. Haider gegenübergeftellt war. Das find nun
zwei Antipoden allerfchärffter Art, deren Be-
trachtung aber gerade deswegen fich als hoch-
intereffanter weift. Der nun bald fünfundfechzig-
jährige Haider ift, wie bekannt, einer der Haupt-
vertreter jenes deutfchen Expreffionismus, für
den Objekt und Natur nur infofern Bedeutung be-
fit$en, als fie fich als Träger tiefinnei fter fub-
jektivfter Gefühle und Empfindungen erweifen.
Ihre Art geht in gerader Linie zu den primi-
tiven Meiftern zurück, Linie und Farbe werden
nur infoweit beachtet als fie der Darftellung
des Wefentlichen dienen. Bei Haider findet man
da ein Sichverfenken in die Dinge vor, ein
Herausholen ihrer feierlichften Reize, die fchier
religiöfen Charakter annehmen und zu einer
lyrifch-zarten, feierabendlich-inbrünftigen Kunft-
weife fuhren. Dabei fieht man erft hier in
der Ausftellung wie mannigfaltig der Künftler,
dem manchmal Monotonie vorgeworfen wird,
in feinem Ausdruck ift. Zwar malt er, wo er
Landfchaften gibt, mit faft ausfchließlichcr Vor-
liebe immer und immer wieder das wellige
Alpenvorland mit feiner Flora, aber er gibt
es in erftaunlichfter Variierung der Stimmung.
Prachtvolle Belege diefer feiner hehren Land-
fchaftskunft find die Bilder „Frühling“, der
„Breitenftein“, „Vorfrühling“, die „Herbftland-
fchaft“ von 1898, der „Vorfrühling b. Gauting“
und vor allem das herrliche Stück „Über allen
Gipfeln ift Ruh“. In den figürlichen Werken
geht Haider der Form mit befonderer Treue
nach. Aus feinen Zeichnungen kann man die
Gewiffenhaftigkeit feines Vorftudiums erfehen,
manche der gebotenen find Vorzeichnungen
zu großen ebenfalls vertretenen Ölbildern. Als
wichtige figürliche Arbeiten der Schau find
außer den Zeichnungen Nr. 238, 239 und 240,
das „ Selbftbildnis des Künftlers“ von 1873,
„der neue Stufen“, das „Selbftporträt von 1891“,
jenes von 1906, ein Frauenporträt von 1888, die
„Moni“ und das Porträt der Frau E. Greinwald
zu vermerken, die zum Teil ja fchon in weiten
Kreifen bekannt find. Zügels Kollektion ift in
ihrer Gefamtheit einer der gewaltigften Lob-
gefänge auf die Arbeit, die je angeftimmt wur-
den, und wenn irgendwo, fo wird man vor ihr
zur Überzeugung gebracht, daß Fleiß Genie ift.
In einer Logik sondersgleichen baut fich das
Lebenswerk diefes männlichften unferer heutigen
Maler auf; nur er, der fchon in feinen Früh-
werken zu fo vollkommener Beherrfchung der
Mittel vorgedrungen ift, wie fie fich darin doku-
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