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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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4. Heft
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Gesellschaften und Vereine
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0175

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GESELLSCHÄFTEN UND VEREINE

Leben der Einfiedler, finden fich erklärt in dem
Gebet der Litanei: Befreie, Herr, den Verdor-
benen von Deinem Zorn, von der Gefahr des
Todes (= Triumph über den Tod), von fchledi-
tem Tode, von den Strafen der Hölle (= Hölle),
von jedem Übel, von der Macht des Teufels
(= Überwindung des Teufels im Leben der Ein-
siedler). Die daneben befindlichen, dem Buffal-
macco zugefchriebenen Fresken der öftlichen
Schmalwand, Kreuzigung, Äuferftehung und
Himmelfahrt werden erklärt durch die weiteren
Worte der Litanei: „Durch Deinen Tod, Deine
Äuferftehung, Deine Himmelfahrt.“ Hiermit ift
fchon ein großer Teil der Campofantofresken
gedeutet. Für die ganze Nordwand mit den
ausführlichen Malereien Beuozzo Gozzolis aus
dem alten Teftament wäre hinzuweifen auf ein
Sterbegebet des Inhaltes: „Befreie die Seele
Deines Knechtes, wie Du befreit haft: Noah,
Äbraham, Hiob, Ifaak, Lot, Mofes, David.“ Hier-
mit ift auch fchon Hiob genannt, deffen Leben
an der Südwand, der Schöpfung gegenüber,
dargeftellt ift. Die übrigen Felder zwifchen den
Schilderungen aus der Gefchichte Hiobs und
dem vorher betrachteten Leben der Einfiedler,
das zum Triumph über den Tod hinführt, wer-
den ausgefüllt durch Szenen aus dem Leben
folcher Heiligen, die für Pifa befondere Be-
deutung hatten. Der heilige Ephyfius erhielt
die Fahne Pifas vom Erzengel überliefert und
die Gefchichten des heiligen Ranieri, des Schutz-
patrons der Stadt, gaben Einlaß, den Dom, das
Baptifterium und den Campofanto im Bilde vor
Äugen zu führen.

Derfelbe Gedankengang liegt den Malereien
zu Grunde, die in Florenz im Dominikanerklofter
S. Maria Novella den alten Kapitelfaal (die Cap-
pella degli Spagnuoli) und den anfchließenden
Klofterfriedhof (den Chioftro verde) einnehmen.
Wenn hier auch die eingehende Schilderung des
jüngften Gerichtes, des Triumphes über den Tod
und des Einfiedlerlebens fehlen, fo kann z. B.
das Fehlen des jüngften Gerichtes nicht Wunder
nehmen, da diefe Darftellung in der benach-
barten Cappella Strozzi von Orcagna befonders
ausführlich gefchildert worden ift. Die Cappella
degli Spagnuoli zeigt hier, wie in Pifa, Kreu-
zigung, Äuferftehung und Himmelfahrt, und dazu
die Äusgießung des heiligen Geiftes, das be-
rühmte Bild mit der Änficht des Florentiner
Domes. Bei der Deutung diefes letzteren Bildes
wäre der Nachdruck zu legen auf das Ergehen
der Äbgefchiedenen „in den lieblichen Gefilden
des Paradiefes“ und die im Gebet erflehte Auf-
nahme unter die Herde des wahren Hirten.
Wieder fchließen fich in großer Ausführlichkeit
altteftamentliche Gefchichten an, die fich hier (im

Chioftro Verde) befonders auf die Schöpfung,
die Sintflut, die Szenen aus dem Leben Abra-
hams und Jakobs erftrecken.

Mit diefen allbekannten Werken alter Kunft
wurde alsdann der Freskenfchmuck des faft un-
bekannten Cercina in Vergleich gebracht. Hier
findet fich wieder das Leben der Einfiedler dar-
geftellt. Die Äuferftehung, die Himmelfahrt und
das jüngfte Gericht find wenigftens in Überreften
noch nachweisbar. Einige andere Malereien
fchließen fich an. So ift das Amtszimmer des
Priefters durch Darftellungen des Urteils Salo-
monis und des Abendmahls gefchmückt. Der
ganze Vortrag wird in den Mitteilungen des
Kunfthiftorifchen Inftitutes demnächft abgedruckt
werden.

Ebenfalls auf den Sterbegebeten beruht, wie
der Vortragende am Schluffe noch hervorhob,
der Gedankenkreis, der dem Genter Altar zu-
grunde liegt, zu deffen Erklärung auch ein
altes, wohl feit dem Tridentinum außer Gebrauch
gekommenes Gebet herangezogen wurde. Diefes
Gebet gibt die Deutung für das Mittelbild, die
fogenannte Anbetung des Lammes, indem es
Chriftus als Quell des Erbarmens anruft und
die Liebe des unbefleckten Lammes Jefu Chrifti
hervorhebt. Näheres darüber wird in der Zeit-
fchrift für bildende Kunft veröffentlicht werden.

Herr Dr. Geifenheimer, dem es gelungen
war, im hiefigen Staatsarchiv die Korrefpondenz
über den Ankauf der beiden Koloffalgemälde
von Rubens aufzufinden, Heinrich IV. in der
Schlacht bei Ivry und feinen Einzug in Paris,
teilte der Verfammlung die Ergebniffe feiner
Untersuchungen mit. Die beiden jeßt in den
Uffizien befindlichen Bilder gehören zu jener
teils verfchollenen, teils unausgeführt gebliebe-
nen Folge von Darftellungen aus dem Leben
des Königs, die feine Witwe, Maria von Medici,
1627 als Gegenftücke zu dem Zyklus der Luxem-
burg-Galerie (jeßt im Louvre) beftellt hatte. Der
Kanonikus Lancelot von Cambray erwarb die
beiden Stücke für 200 Dublonen und übergab
fpäter feine ganze Kunftfammlung gegen eine
Leibrente an die Benediktinerabtei S. Sepulcre
zu Cambray. Nach dem Tode des Lancelot be-
gannen die Verhandlungen wegen des Verkaufes
der Bilder. Charles Lebrun machte im Intereffe
des franzöfifchen Königs ein Angebot von
2000 Florins. In der Hoffnung, noch mehr zu
erzielen, lehnte der Abt diefes Angebot ab,
blieb aber dann ohne weitere Nachfrage. Schließ-
lich gelang es dem Kanonikus Lambert, die
Bilder angefichts ihres fchadhaften Zuftandes für
100 Dublonen an den Großherzog von Toskana
zu verkaufen. Die zu Anfang 1686 begonnenen
Unterhandlungen wurden imÄuguft abgefchloffen.

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