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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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10. Heft
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Ausstellungen
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AUSSTELLUNGEN

[ich alle Nationen der Kulturwelt im großen
Stile beteiligen follen. Die Anregung zu diefer
Idee gab den Franzofen der große und durdh-
fchlagende Erfolg der Münchner Kunftgewerbe-
Äusftellung im vorjährigen Parifer Herbftfalon,
der den Franzofen die Äugen geöffnet hat, wie
fehr fich bei ihnen das moderne Kunftgewerbe
im Rückftand befindet. Die immer dringender
werdende Frage der Lehrlingskrifis in Frank-
reich hat weiter dazu beigetragen, daß diefe
Äusftellungsidee in Fluß kam. Der Matin, Excel-
fior, Comoedia und Äction legten [ich fofort mit
Begeifterung für diefen Plan ins Zeug. Der
Deputierte Carrot und Senator Couyba unter-
ftüßten die Idee und erreichten die Zuftimmung
des Handelsminifters Maffe, des Minifters der
öffentlichen Ärbeiten Boncour und des Staats-
fekretärs Dujardin-Beaumeß, fo daß jeßt die
Verwirklichung diefer Äusftellung als gefichert
angefehen werden darf. Möge man in Deutfch-
land, wenn die offiziellen Einladungen auch noch
lange auf fich warten laffen werden, rechtzeitig
an die Vorbereitungen zu diefer Äusftellung
denken und möge man in unfrem Lande Frank-
reich nicht unterfchäßen. Seit der Münchner
Äusftellung herrfcht hier eine fieberhafte Tätig-
keit und man verfucht mit vielen Mitteln den
deutfchen Vorfprung wieder einzuholen.

Otto Grautoff.

DIE XXII. ÄUSSTELLUNG DER
BERLINER SEZESSION (Schluß)

Es erübrigt fich, noch auf die Werke ausländi-
fcher Malerei wie die der deutfchen und fremd-
iändifchen Plaftik einzugehen.

Der Gewohnheit folgend, alljährlich einige
Bilder auszuftellen, die bereits einer hiftorifchen
Epoche angehören, führt man diesmal drei aus-
gewählte Werke Daumiers vor, die ein Berliner
Privatfammler befißt. Gewaltig in der Kon-
zeption, fchlagend in der Interpretation ift das
„Die Flüchtlinge“ genannte Bild: die lange Reihe
der eilig dahinziehenden, bepackten Menfchen,
in denen fich die Haft, die Ängft und die Ziel-
lofigkeit allein fchon in den Bewegungen über-
zeugend ausfpricht. Daneben eine jener unend-
lich knapp und plaftifch ausgedrückten Gruppen,
mit dem Thema, das den Menfchen im Kampfe
mit einer ihn niederzerrenden Bürde fchildert:
„Die Laft“. Ein drittes Bild, weniger dramatifch
im Ausdruck: „Der Müller, fein Sohn und der
Efel“. Jofef Israels zeigt ein fchönes, ernftes
Selbftbildnis, Erik Werenskiold Porträts fowie
hübfche, heimatliche Landfchaftsbilder. Theo
van Ryffelberghe hat ein großes, vielfiguriges
Familienporträt, das Bildnis einer Dame fowie

einen Akt im Spiegel gefandt, gemalt mit einer
außerordentlichen Eleganz und Routine, die nichts
Erfreuliches an fich hat. Am allerwenigften in
diefem gewollten, aus vielerlei dünnen Farb-
flecken zufammengefeßten Kolorit, deffen Süßig-
keit recht unbehaglich ift. Es bleibt bei dem
Eindruck naturfremder Salonmalerei. Gefchloffen
tritt das Ausland, und zwar Frankreich, in einer
Gruppenausftellung auf, der ein eigner Saal
eingeräumt ift, das find die „Expreffioniften“,
eine Reihe jüngerer, meift in Paris tätiger
Maler. Ihr Name bedeutet ein Programm. Sie
erachten den Impreffionismus für überwunden
bzw. für überwindenswert, fie wollen nicht mehr
die Impreffion, die fie von der Natur haben,
wiedergeben, alfo gewiffermaßen „naturaliftifch“
malen, fondern den Eindruck, den das Ge-
fchaute auf ihre künftlerifche Phantafie ausübt.
Ein folcher Gedanke ift durchaus verftändlich
und als logifches Entwicklungsmoment anzu-
fehen. Anders verhält es [ich mit dem Refultat,
es ift äußerft [chwierig, an den ausgeftellten
Werken zu erkennen, wie nun das Ergebnis
diefes neuen Prozeffes fein foll. Damit ift in
keiner Weife gefagt, daß diefe Bilder nicht
intereffant oder gar fchlecht feien, im Gegenteil;
der größte Teil würde wahrfcheinlich ohne
Kenntnis des Programmes kaum als anders ge-
artet auffallen. In ihrer Mehrzahl fcheinen die
Prinzipien des Impreffionismus dem unbefangnen
Äuge noch immer vorzuherrfchen. Da ift von
Albert Marquet ein in feinen, grünlich-filbernen
Tönen gehaltener „Pont de la Concorde“, von
Henri Manguin ein farbenkräftiges Bild, ein
Mädchen im Liegeftuhl vor blühenden Obft-
bäumen, im Hintergrund ein prächtiger Ausblick
auf das blaue Meer, und von demfelben Künftler
ein ausgezeichneter Akt von großem farbigen
Reiz. Jean Puy erzielt in feinen Ärbeiten ebenfalls
originelle koloriftifche Kombinationen und einen
eigentümlichen plaftifchen Effekt, Kees van
Dongen kräftige Wirkungen feiner gefchickt aus
ein paar großen Farbtönen komponierten Por-
träts. Pablo Picaffo, in leßter Zeit viel ge-
nannt, bringt keine Proben feiner merkwürdigen
Äuffaffung, die ihn alles Körperliche wie roh
behauene, aus fcharfbegrenzten Flächen zu-
fammengefeßte Holzfkulpturen fehen läßt. Da
ift vielmehr ein klar gezeichneter, in feinen
dunftig grau-violetten Tönen angelegter Jüng-
lingsakt (eher an Puvis erinnernd) und ein farbig
und zeichnerifch ftreng komponiertes Bildchen,
das eine am Strande gelagerte Frau mit ihrem
Kind darftellt. Die „Frau bei der Toilette“ hat
etwas fonderbar Verquetfchtes. — Wie gefagt:
die neue Tendenz tritt in diefen Ärbeiten, von
denen natürlich nur einige genannt werden

Der Cicerone, III. Jahrg., 10. Heft. 30

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