Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911
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10. Heft
DOI Artikel:Ausstellungen
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AUSSTELLUNGEN
können, noch nicht klar zutage; Ernfthaftigkeit
des Wollens, Gefchmack und malerifche Kultur
dürfte ihnen aber faft ausnahmslos zuzu-
geftehen fein.
Die plaftifchen Werke, etwa 40 an der Zahl,
zeigen ebenfo wie die malerifchen, eine bemer-
kenswerte Beteiligung jüngerer und wenig be-
kannter Künftler. Ich zähle zu diefen einen
wirklich plaftifch durchempfundenen, von jedem
theatralifchen Naturalismus freien Löwen von
Gerhard Mareks und eine ftreng erfaßte weib-
liche Bildnisbüfte von Richard Scheibe, bei der
befonders die außerordentlich belebte Durch-
arbeitung des von einem Tuch eng umbundenen
Hinterkopfes einen Künftler verrät, der mit
intenfiver Arbeit weit gedeckten Zielen nach-
geht. Ferner eine männliche Büfte von Erich
Wild, die offenbar den plaftifch fo außerordent-
lich dankbaren Kopf des von Greiner z. B. für
feinen „Herkules bei der Omphale“ benutzten
Modelles wiedergibt. Richard Langer beweift
wieder fein Verftändnis für die Holzplaftik in
einer „Madonna“; feine „Spielenden Kinder“
(Bronze) erinnern recht an Minne. Kolbes ge-
lungenes Werk ift eine „Tanzende“ von un-
gemeinem Wohlklang in der Abwägung des
Gliederfpieles, weniger glücklich, wenn auch
intereffant in der Stellung ein überrafcht nieder-
kauerndes Mädchen. Eins der ftärkften plafti-
fchen Werke der ganzen Anstellung, von ftrenger
Gebundenheit der Form und ftupender Über-
zeugungskraft des darin ausgedrückten Ge-
dankens fdieint mir Barlachs Holzbildwerk
„Sorgende Frau“ zu fein. Etwas lau hat Friß
Behn den markanten Kopf von Richard Strauß
gebildet, auch die Gierkebüfte von Klimfch läßt
kühl, eher wirkt ein elegantes Damenbildnis von
demfelben Künftler. Ganz lahm find zwei Ball-
fpieler von Nikolaus Friedrich. Eine „Ente“ von
Gaul zählt nicht zu den beften Tierplaftiken des
Meifters, der Kopf, eng an den Hals gepreßt,
wirkt in feiner Bewegungsfreiheit nicht über-
zeugend. Von dem Parifer Jules Desbois hat
Dr. Hirzel in Leipzig eine feine weibliche Maske
(Bronze) hergeliehen, gleichfalls durchaus fran-
zöfifch ift die ftreng vornehm aufgefaßte weib-
liche Figur Hermann Hallers, die als „Figur für
Architektur“ bezeichnet ift. Auf dem Gebiet der
Holzfkulptur verfucht fich mit Erfolg in der
Materialbehandlung Moyffey Kogan an einem
knieenden Mädchen, während Max Krufe meines
Empßndens nach für feine Porträtbüften einen
allzu weichlichen Stil anwendet. Thomas Theodor
Heines „Teufel“ mit dem tappenden Gang und
den komifch zerfließenden Gliedmaßen gefeilt fich
ein nicht minder wißiger, in blankem Zinn ge-
goffener Engel, der halb Menfch, halb Vogel,
ein wirklich amüfantes Phantafieprodukt von
beachtenswerter plaftifcher Empfindung ift.
J. Sievers.
ÄÄRÄU Hier wurde am 7. Mai dieTurnus-
ausftellung des Schweizerifchen Kunft-
vereins eröffnet. Die Jury hat von 741 an-
gemeldeten Werken 482 refüfiert, fo daß die
Ausftellung noch 259 Werke enthält. J. C.
BERLIN CASPER hat eine kleine Ausftellung
mit dem Titel „Humor und Karikatur“ veranftaltet
mit Arbeiten von Thöny, Wilke, Pascin, Leonard
u. a. — weit überragt von Gulbranffon, dem ftärk-
ften Karikaturiften, den wir in Deutfchland haben.
— Unter den Bildern eine Anzahl hübjeher älterer
Landfchaften von Hans Hermann und ein offenbar
ganz früher, elegant gemalter „Blumenkorso“,
als deffen Autor man den jeßt ganz in den
Tagen altflorentiner Kultur verfunkenen Friedrich
Stahl kaum wiedererkennt. Unter den Skulp-
turen eine Reihe Krufefcher Holzbüften, die durch
zum Teil farbige Behandlung einen unangeneh-
men Wachscharakter gewinnen und eine gute
Porträtbüfte des Dichters und Regiffeurs Felix
Holländer von Georg Lefchnißer. Eine nach
der Totenmafke gefertigte Kainzbüfte desfelben
Bildhauers ift ein verfehltes Experiment. Sie
wirkt nicht als Plaftik nach einem Lebenden,
fondern als Bild eines Toten, dem man den
Anfchein des Lebens geben möchte — das ift
fehr unangenehm. SCHULTE gibt einer Künftler-
gruppe „Die Heffen“ mit einer Fülle meift be-
langlofer Arbeiten Raum, ferner dem Maler
Hans Chriftianfen, Paris, der nach einem all-
gemein gültigen Rezept feine Strand- und Küften-
bilder in helle, füßliche Farben taucht und da-
mit ganz äußerliche Effekte erzielt, fchließlich
zwei enttäufchende Damenporträts von Trübner,
das eine in ganz abfonderlich changierenden
Tönen gemalt. Aber ein gutes Bild ift doch in
der Ausftellung: von Piffarro ein weiter Blich
über den Tuileriengarten hin zum Louvre, alles
überflutet von einem zarten filbergrauen Licht!
Svs.
BRESLÄU Ausftellung von Werken mo-
derner Meifter aus Breslauer Privatbefiß im
SCHLESISCHEN MUSEUM DER BILDENDEN
KÜNSTE (April und Mai 1911). Wefentlich
unterftüßt von dem im vorigen Jahre gegrün-
deten fchlefifchen Mufeumsverein ift in Breslau
eine Ausftellung von Werken aus Breslauer
Privatbefiß veranftaltet worden. Über 300 Bilder
find in vier geräumigen, hübfeh ausgeftatteten
Sälen des Mufeums der Bildenden Künfte unter-
gebracht. Der Art des Zuftandekommens ent-
384
können, noch nicht klar zutage; Ernfthaftigkeit
des Wollens, Gefchmack und malerifche Kultur
dürfte ihnen aber faft ausnahmslos zuzu-
geftehen fein.
Die plaftifchen Werke, etwa 40 an der Zahl,
zeigen ebenfo wie die malerifchen, eine bemer-
kenswerte Beteiligung jüngerer und wenig be-
kannter Künftler. Ich zähle zu diefen einen
wirklich plaftifch durchempfundenen, von jedem
theatralifchen Naturalismus freien Löwen von
Gerhard Mareks und eine ftreng erfaßte weib-
liche Bildnisbüfte von Richard Scheibe, bei der
befonders die außerordentlich belebte Durch-
arbeitung des von einem Tuch eng umbundenen
Hinterkopfes einen Künftler verrät, der mit
intenfiver Arbeit weit gedeckten Zielen nach-
geht. Ferner eine männliche Büfte von Erich
Wild, die offenbar den plaftifch fo außerordent-
lich dankbaren Kopf des von Greiner z. B. für
feinen „Herkules bei der Omphale“ benutzten
Modelles wiedergibt. Richard Langer beweift
wieder fein Verftändnis für die Holzplaftik in
einer „Madonna“; feine „Spielenden Kinder“
(Bronze) erinnern recht an Minne. Kolbes ge-
lungenes Werk ift eine „Tanzende“ von un-
gemeinem Wohlklang in der Abwägung des
Gliederfpieles, weniger glücklich, wenn auch
intereffant in der Stellung ein überrafcht nieder-
kauerndes Mädchen. Eins der ftärkften plafti-
fchen Werke der ganzen Anstellung, von ftrenger
Gebundenheit der Form und ftupender Über-
zeugungskraft des darin ausgedrückten Ge-
dankens fdieint mir Barlachs Holzbildwerk
„Sorgende Frau“ zu fein. Etwas lau hat Friß
Behn den markanten Kopf von Richard Strauß
gebildet, auch die Gierkebüfte von Klimfch läßt
kühl, eher wirkt ein elegantes Damenbildnis von
demfelben Künftler. Ganz lahm find zwei Ball-
fpieler von Nikolaus Friedrich. Eine „Ente“ von
Gaul zählt nicht zu den beften Tierplaftiken des
Meifters, der Kopf, eng an den Hals gepreßt,
wirkt in feiner Bewegungsfreiheit nicht über-
zeugend. Von dem Parifer Jules Desbois hat
Dr. Hirzel in Leipzig eine feine weibliche Maske
(Bronze) hergeliehen, gleichfalls durchaus fran-
zöfifch ift die ftreng vornehm aufgefaßte weib-
liche Figur Hermann Hallers, die als „Figur für
Architektur“ bezeichnet ift. Auf dem Gebiet der
Holzfkulptur verfucht fich mit Erfolg in der
Materialbehandlung Moyffey Kogan an einem
knieenden Mädchen, während Max Krufe meines
Empßndens nach für feine Porträtbüften einen
allzu weichlichen Stil anwendet. Thomas Theodor
Heines „Teufel“ mit dem tappenden Gang und
den komifch zerfließenden Gliedmaßen gefeilt fich
ein nicht minder wißiger, in blankem Zinn ge-
goffener Engel, der halb Menfch, halb Vogel,
ein wirklich amüfantes Phantafieprodukt von
beachtenswerter plaftifcher Empfindung ift.
J. Sievers.
ÄÄRÄU Hier wurde am 7. Mai dieTurnus-
ausftellung des Schweizerifchen Kunft-
vereins eröffnet. Die Jury hat von 741 an-
gemeldeten Werken 482 refüfiert, fo daß die
Ausftellung noch 259 Werke enthält. J. C.
BERLIN CASPER hat eine kleine Ausftellung
mit dem Titel „Humor und Karikatur“ veranftaltet
mit Arbeiten von Thöny, Wilke, Pascin, Leonard
u. a. — weit überragt von Gulbranffon, dem ftärk-
ften Karikaturiften, den wir in Deutfchland haben.
— Unter den Bildern eine Anzahl hübjeher älterer
Landfchaften von Hans Hermann und ein offenbar
ganz früher, elegant gemalter „Blumenkorso“,
als deffen Autor man den jeßt ganz in den
Tagen altflorentiner Kultur verfunkenen Friedrich
Stahl kaum wiedererkennt. Unter den Skulp-
turen eine Reihe Krufefcher Holzbüften, die durch
zum Teil farbige Behandlung einen unangeneh-
men Wachscharakter gewinnen und eine gute
Porträtbüfte des Dichters und Regiffeurs Felix
Holländer von Georg Lefchnißer. Eine nach
der Totenmafke gefertigte Kainzbüfte desfelben
Bildhauers ift ein verfehltes Experiment. Sie
wirkt nicht als Plaftik nach einem Lebenden,
fondern als Bild eines Toten, dem man den
Anfchein des Lebens geben möchte — das ift
fehr unangenehm. SCHULTE gibt einer Künftler-
gruppe „Die Heffen“ mit einer Fülle meift be-
langlofer Arbeiten Raum, ferner dem Maler
Hans Chriftianfen, Paris, der nach einem all-
gemein gültigen Rezept feine Strand- und Küften-
bilder in helle, füßliche Farben taucht und da-
mit ganz äußerliche Effekte erzielt, fchließlich
zwei enttäufchende Damenporträts von Trübner,
das eine in ganz abfonderlich changierenden
Tönen gemalt. Aber ein gutes Bild ift doch in
der Ausftellung: von Piffarro ein weiter Blich
über den Tuileriengarten hin zum Louvre, alles
überflutet von einem zarten filbergrauen Licht!
Svs.
BRESLÄU Ausftellung von Werken mo-
derner Meifter aus Breslauer Privatbefiß im
SCHLESISCHEN MUSEUM DER BILDENDEN
KÜNSTE (April und Mai 1911). Wefentlich
unterftüßt von dem im vorigen Jahre gegrün-
deten fchlefifchen Mufeumsverein ift in Breslau
eine Ausftellung von Werken aus Breslauer
Privatbefiß veranftaltet worden. Über 300 Bilder
find in vier geräumigen, hübfeh ausgeftatteten
Sälen des Mufeums der Bildenden Künfte unter-
gebracht. Der Art des Zuftandekommens ent-
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