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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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10. Heft
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Ausstellungen
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AUSSTELLUNGEN

Umwandlers, das innerem Leidenfchaftsfeuer ent-
wachfen ift. Was follen Bilder wie Grüns „Ven-
dredi au Salon des Ärtistes Fran^ais“, Emile
Renards „Repas de premiere communion des
orphelines“, Jules Adlers „Gavroche“ ufw.? Es
find farbige Stereofkopbilder; aber nicht im
Sinne der großen und alten Kunftwerke, d. h. Um-
fchreibungen des erlebten Natureindrucks inner-
halb einer Gefe^mäßigkeit, in der die numeri-
fchen Ideen ihrem Werte entfprechend verteilt
find und in der der Hauptakzent auf die Grund-
idee gelegt ift. Alle diefe Bilder könnten ein
wenig kleiner und größer, ein wenig heller und
dunkler fein, weil ihnen Ordnung und Einheit
mangelt. Aber fie find auch nicht einmal Frag-
mente der Zeit, abgeriffene Teile eines Ganzen,
weil fich in ihnen gar kein Verfuch zu einer
Direktive äußert. Sie ftehen in der Luft. Den
gleichen Eindruck des Überflüffigen macht im
Großen und Ganzen auch der Salon der SO-
CIETE NATIONALE. Auch hier nimmt das Un-
gelöfte und daher Gegen faßliche zwifchen Na-
turalismus und Stil faft allen ausgeftellten Kunft-
werken jeden Halt. Besnard erfcheint als Aus-
nahme, wenn auch nur als epigonenhafte Kraft.
In feinem Plafond für die Comedie fran^aise
hat er einer phantafiereichen Erfindung den Schein
der Natürlichkeit gegeben, die durch ihre Bra-
vour, ihre glänzende Technik wie immer mit-
reißt und überzeugend wirkt. Bei Gafton La
Touches’ großen Dekorationen poltern Linien
und Farben bunt durcheinander. Maurice Denis,
der feit Jahren in der Theorie ftärker als in der
Malerei ift, fucht nach neuen Farbenharmonien,
ohne glücklich darin zu fein. Er verfudit die
Bläffe eines Puvis de Chavannes zu beleben;
aber feine grellen und doch kalten Töne ftehen
oft ohne Harmonie nebeneinander. Gandara,
Boldini und Blanche wiederholen ihr manieriertes
Virtuofentum. Aman-Jean und Olga von Boz-
nanska haben matte Bildniffe ausgeftellt, in denen
die Charaktere nicht nur äußerlich verfchleiert
erfcheinen. Aus der großen Reihe der Mitläufer
ragen Francis Jourdain und Jules Flandrin her-
vor. Jourdain geht vom farbigen Reiz der Er-
fcheinungen aus. Seine Palette ift glühend und
zugleich harmonifch. Flandrin wird immer ru-
higer und großzügiger. Er will fich ganz vom
Impreffioniftifchen löfen und durch Gegenüber-
ftellung von breiten Flächen das Ruhige, Ewige
einer Naturerfcheinung zum Ausdruck bringen.
So fteht auch er wie viele der Jüngften auf dem
Boden der Tradition, die mit Pouffin ihren An-
fang nimmt. Unter den Skulpturen find neben
drei neuen Arbeiten Rodins hauptfächlich eine
Reihe von Figuren und kleinen Gruppen von
Rodo-Niederhaufen hervorzuheben, die in Rodins

Methode gearbeitet find, fich aber von diefem
Vorbild durch eine jugendlichere Sinnlichkeit
unterfdieiden. 0. G.

ROUBÄIX Hier ift die zweite Jahresaus-
ftellung der Roubaifianer Künftler im KUNST-
PALAST eröffnet worden.

WEIMÄR GROSSHERZOGL. MUSEUM FÜR
KUNST UND KUNSTGEWERBE (am Karlsplafe).
Bei den lebten Ausheilungen ift vorwiegend die
Graphik berückfichtigt worden. Der April brachte
eine anfehnliche Kollektion von Wiener Künft-
lern. Neben Ferdinand Schmuser, deffen Ar-
beiten ja hinlänglich bekannt find, zeichneten
fich befonders Max Pollak, Luigi Kafimir und
T. F. Simon aus. Gleichzeitig waren auch Blätter
von Weimarer Graphikern zu fehen. Von neuen
Erfcheinungen können hierGreve-Lindau,Fifcher-
Lamberg und E. Schrammen genannt werden,
außerdem Frau Gobanz-Czernig, die — beider-
feits beteiligt — eine Art Vermittlung zwifchen
Wien und Weimar herftellte. An Stelle der Wei-
marer ift jeßt Walther Klemm (Dachau) mit feinen
ftark dekorativen Holzfchnitten getreten. W. H.

WIEN (Ausheilungen der Kunftfalons.) In der
GALERIE MIETHKE veranftalteten einige jüngere
Mitglieder der Klimt-Gruppe Kollektivausftellun-
gen. Heinrich Schröder und B.(erta) Pinell-
Koller wiffen die aus dem Kanon der Cezanne’-
fchen Formenfprache abgeleiteten Stilelemente
troh fichtlicher Begabung nicht mit perfönlichem
Leben zu erfüllen. So erfcheinen ihre Werke der
Mehrzahl nach feltfam fchablonenhaft leer und
ftarr, untereinander merkwürdig verwandt und in
ihrer Häufung nachgerade eintönig; man hat faft
den Eindruck, als fei diefe Art des Sehens etwas
rezeptmäßig Erlerntes (und nicht allzu fchwer
Erlernbares). Schröder erfcheint mir als das
ftärkere Talent; feine großzügig ftilifierten Land-
fchaften, die durch die vornehme Ruhe des Tones
erfreuen, wirken etwa als „dekorative Panne-
aux“. Wo diefe Gefchloffenheit fehlt, verfchul-
det dies eine gewiffe Unficherheit des Künftlers,
der einerfeits eine flächenhaft-dekorative Wir-
kung erftrebt, fich aber andererfeits nicht zu
einem konfequenten Verzicht auf räumliche Tiefe
entfchließen kann — fo daß dann die einzelnen
Gründe der Landfchaft unklar übereinander ge-
fchoben erfcheinen. Während Schröder unmittel-
bar auf das große franzöfifche Vorbild zurück-
geht — gelegentlich nimmt er auch van Gogh
zum Mufter —, fchöpft B. Pinell-Koller oft aus
zweiter Hand; fo zeigen die Bilder „Früh-
markt“ und „Erfter Schnee“ (Nr. 1 und 3) ftarke
Anklänge an Orlik, den Virtuofen aller Stile,

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